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Revision des Mordprozesses Walter LübckeDas falsche Bild eines Einzeltäters

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Der BGH hat den Freispruch von Markus H. bestätigt. Es bleiben aber offene Fragen – die nun außerhalb der Gerichte aufgeklärt werden müssen.

Das Mordopfer Walter Lübcke in einem Archivbild von 2012 Foto: Uwe Zucchi/dpa

D ie Hoffnung der Familie Lübcke war klar: dass der Bundesgerichtshof den Freispruch von Markus H. wegen Beihilfe zum Mord an Walter Lübcke aufhebt und einen neuen Prozess anordnet. Lübckes Witwe war dafür eigens nach Karlsruhe gereist, hatte vor dem Gericht gesprochen. Ihre Hoffnung wurde enttäuscht. Der Bundesgerichtshof bestätigte nun den Freispruch – und wies alle Revisionen im Fall Lübcke zurück. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main habe keine Rechtsfehler begangen. „Sehr schmerzhaft“ nannte die Familie dies.

Zwar bestätigte der Bundesgerichtshof auch die lebenslange Haftstrafe für den rechtsextremen Todesschützen Stephan Ernst. Dessen Schuld aber war unstrittig. Noch bitterer muss die Entscheidung für Ahmed I. ausfallen, einen irakischen Geflüchteten, der 2016 in Kassel niedergestochen wurde. Eine DNA-Spur, die seiner ähnelt, fand sich auf einem Messer, das bei Ernst gefunden wurde. Auch hier aber hatte das Gericht Zweifel, auch hier bleibt es beim Freispruch.

All dies gehört zum Rechtsstaat: im Zweifel für den Angeklagten. Und Gerichte können auch nicht verhandeln, bis sämtliche Fragen geklärt sind, sondern nur die zur Schuld der Angeklagten. Und dennoch bleibt die bittere Enttäuschung der Familie Lübcke und Ahmed I.s verständlich.

Denn das Bild, das nun bleibt, ist das eines Einzeltäters. Aber der war Stephan Ernst nicht. Trotz Freispruch ist klar, dass sein einstiger Kumpel Markus H. den Hass gegen Lübcke mit anstachelte. Er stellte den Videoausschnitt eines Auftritts des CDU-Politikers online, was die Hetze gegen diesen lostrat. Er machte mit Ernst Schießtrainings, spähte laut Lübckes Sohn ihr Wohnhaus aus. Auch die Bundesanwaltschaft wollte für Markus H. fast zehn Jahre Haft.

Die Rechtsextremen werden feiern

Nun bleibt er in Freiheit, die rechtsextreme Szene wird das feiern. Und tatsächlich bleiben offene Fragen – die nun anderswo aufgeklärt werden müssen: indem Markus H. doch noch sein Schweigen bricht. Oder im laufenden hessischen Untersuchungsausschuss. Wie genau lief der Mord ab? Wie konnten zwei bekannte Neonazis aus dem Blick geraten und ungestört mit Waffen trainieren? Gab es nicht doch weitere Eingeweihte? Ernst gab an, er habe gedacht, mit seiner Tat im Sinne der Mehrheit zu handeln.

Es ist der Kampf gegen diese Stimmung, der die wichtigste Aufgabe bleibt. Und er wird nicht an Gerichten geführt. Über Jahre konnte gegen Walter Lübcke ohne Gegenwehr gehetzt werden. Und der Hass trifft viele weitere Menschen in diesem Land. Lübckes Angehörige fordern hier mehr Widerspruch, ein Lauterwerden der Anständigen. Es ist ein Appell, den wir alle verinnerlichen sollten.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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3 Kommentare

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  • Die Rolle des Rechtsstaates erscheint hier nur als Gerichtsverfahren. Das ja fehlerfrei war.



    Über die Hintergründe dieses Mordes und vieler anderer durch die Nazis wird bered geschwiegen.



    Man gewinnt den Eindruck, das hat System.



    Und das hat sehr viel mit dem Verfassungsschutz zu tun. Wen beschützt der?

  • Rechtsextreme in Deutschland wurden traditionell (auch sogar bei der NSU) als Einzeltäter erst verfolgt und dann angeklagt. Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens sowie die Sonderkomision für die Ermittlungen wurden in Hessen eingeleitet. Und wir wissen ganz genau, welche Sektoren der Gesellschaft in der Polizei sowie im Innenministerium in Hessen freie Bahn haben - und hatten.



    Für die Familie Lübcke und für die ganze Gesellschaft sehr traurig und gefährlich.

  • Es gibt die Fälle in der Kriminalgeschichte, die nicht zur Ruhe kommen, wie die Archive der Zeitungen es ausweisen. Bekannt wurden u.a. Buback und Barschel. Mit weiteren Gutachten ist ggf. auch noch zu rechnen, die Aufmerksamkeit der Medien ist auf hohem Niveau geblieben. So wird die Familie hier und heute nicht ihren Frieden machen wollen, denke ich.