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Repression in der TürkeiZwölf Wissenschaftler festgenommen

Über 1.000 Wissenschaftler fordern Ankara in einer Deklaration auf, die Kämpfe gegen Kurden zu stoppen. Zwölf Dozenten aus Kocaeli müssen ins Gefängnis.

Spricht von „Terroristen“ und „Verrat“: der türkische Präsident Erdogan. Foto: ap

Ankara ap | In der Türkei sind zwölf Wissenschaftler festgenommen worden, weil sie Militäreinsätze gegen Kurden im Südosten des Landes öffentlich kritisiert haben. Sie gehören zu mehr als 1.000 Akademikern aus der Türkei und dem Ausland, die eine entsprechende Erklärung unterzeichnet hatten, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag berichtete. Vorgeworfen wird ihnen, „terroristische Propaganda“ für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützt zu haben.

Darüber hinaus hätten sie den Staat beleidigt, heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft. Zu den ausländischen Unterzeichnern zählt auch der renommierte Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. In der Deklaration wird die Türkei aufgefordert, die „Massaker“ zu stoppen. Zudem sollten die Friedensverhandlungen wieder aufgenommen werden.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Unterzeichner scharf kritisiert und die Justiz aufgerufen, gegen den „Verrat“ vorzugehen. Die Deklaration sei parteiisch und gegen den Staat gerichtet. In ihr werde dieselbe Sprache wie die der „Terroristen“ genutzt. Sie spreche sich auch nicht gegen die Gewalt der Rebellen aus.

Die nun verhafteten Wissenschaftler sind den Angaben zufolge als Dozenten an der Universität von Kocaeli im Nordwesten der Türkei tätig. Gegen neun weitere Wissenschaftler wird noch ermittelt, sie könnten ebenfalls festgenommen werden. Die Nachrichtenagentur Dogan hatte bereits am Donnerstag berichtet, die Duzce Universität im Nordwesten der Türkei habe einen Soziologie-Dozenten entlassen, weil er die Deklaration unterschrieben hatte. Die Festnahmen schüren Befürchtungen, unter Erdogan werde die Meinungsfreiheit eingeschränkt.

Im vorwiegend kurdischen Südosten des Landes, wo in Städten Ausgangssperren verhängt worden waren, geht das Militär gegen Rebellen vor. Diese hatten Barrikaden errichtet, Gräben ausgehoben und Sprengstofffallen errichtet, um die türkischen Sicherheitskräfte fernzuhalten. Bei den jüngsten Auseinandersetzungen starben mehr als 100 Zivilisten, vertrieben wurden Tausende, wie Menschenrechtsgruppen mitteilten.

Seit mehr als 30 Jahren kämpft die PKK, die von der Türkei und ihren westlichen Verbündeten als terroristische Organisation betrachtet wird, um Unabhängigkeit im Südosten der Türkei. Bei den Auseinandersetzungen starben Zehntausende Menschen.

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12 Kommentare

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  • Hee ! Hallloo ! Deeer Westen ! Geeschen den Recep Taajjschibb iss doch dä Puudin een behinderter Waisenknabe , kappiiirt !?!

    Helau & Alaaf !

  • Interessant wäre für mich auch der Wortlaut der Deklaration, ohne Erdogans Reaktion damit billigen zu wollen.

  • Bin ich eigentlich der Einzige, der bei der Nachricht sofort an den "Buback-Nachruf", bzw die "Mescalero-Affäre"

    denkt? https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttinger_Mescalero

    Die Parallelen sind doch überdeutlich.

    Auch von der damaligen Bundesregierung wurde die Wortwahl als "Terroristisch"

    bezeichnet und die Quintessenz des Textes, eine klare Absage an die Gewalt, öffentlich nahezu vollständig ignoriert oder verschwiegen.

  • Zitat Erdogan ' Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind'

  • Wir sind gerade Augen- und Ohrenzeugen, wie ein Natopartner völlig überschnappt.

    Erste Reihe fußfrei für Mitteleuropa, wie alles was der macht ohne Konsequenzen bleibt.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @tätig ist:

      Das stimmt nicht. Als Konsequenz überweist die EU demnächst 3 Milliarden Euro .

  • Wie kann man diesem Erdowahn beibringen, dass seine Existenz und die des Türkischen Staats nicht in Gefahr sind?

    • @nzuli sana:

      Der säkulare Staat Türkei ist schon weg, In Gefahr sind die islamische Diktatur und Erdogan. Zur Rettung dieser tritt gerade Erdogan an.

  • Erdogan ist mittlerweile komplett vom Teppich gefallen. Sah es vor 15 Jahren noch so aus, als ob er dieses große und großartige Land zusammenhalten könnte, so entpuppt sich diese Einschätzung heute als Irrtum.

  • Ich frage mich, wie lange die EU und NATO da zuschauen wollen. Erdogan errichtet eine Diktatur vor den Augen der Welt und geht dabei gegen ganz friedliche, nicht bewaffnete Menschen vor, die fordern, was er vor einem Jahr selber noch für richtig hielt. Deutschland sollte sofort klar kommunizieren, dass wir das nicht richtig finden.

  • "Die Festnahmen schüren Befürchtungen, unter Erdogan werde die Meinungsfreiheit eingeschränkt."

    Hat die taz eine solche Beschönigung nötig? Die Meinungsfreiheit ist bereits eingeschränkt, wenn Menschen wegen des Unterzeichnens eines Friedensapells verhaftet werden - selbst dann wenn sie von einem Gericht später freigesprochen werden sollten.

     

    Allerdings sollten wir nicht nur auf die Türkei zeigen. Auch Frankreich schränkt die Meinungsfreiheit ein und verhängt ohne Anhörung oder Prozess Hausarrest.

     

    Meinungsfreiheit und Menschenrechte sind leider in Europa zunehmend bedroht.