Religiöse Diskriminierung: Und ewig droht der Feminismus
Warum ist der christlich-konservative Kampf gegen die „Gender-Ideologie“ auch einer gegen Frauenrechte? Ein Gastbeitrag.
I n der Katholischen Wochenzeitung Tagespost erschien vergangenen November ein Artikel, der alle Vorbehalte und Ängste konservativ-christlicher Kreise gegen ihr gemeinsames Feindbild der „Gender-Ideologie“ in sich vereinte: „Gottlos“ und „atheistisch“ sei das Gender-Denken, es „manipuliere die Sprache“ und „unterwerfe“ Menschen einer Ideologie, in der nicht mehr die Beziehung zu Gott im Mittelpunkt stehe. Auch nicht die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern allein die „ethisch zu gestaltende Beziehung der Sexualpartner untereinander“, bei der es weder auf die sexuelle Orientierung noch auf den Bund der sakramentalen Ehe ankomme.
Hier erreicht die Empörung einen ersten Höhepunkt. Schlussendlich gipfelte die Kritik an Gender-Theorien in dem Vorwurf, es handele sich um den ultimativen Angriff auf die Schöpfungsvorstellung. Gott habe den Menschen nun mal als Mann und Frau geschaffen. Hinter Anfeindungen gegen trans Personen fallen Bedenken gegenüber der sexuellen Orientierung zurück.
In Artikeln wie dem gerade zitierten erscheint die „Gender-Ideologie“ als sich verselbstständigende Bedrohung. Oder, um es mit den Worten von Gabriele Kuby zu sagen, als ein „Sauerteig, der die gesamte Gesellschaft durchsäuert und zerstört“.
ist 51 Jahre alt und Professorin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
Kern dieser auch transfeindlichen Abwertung ist bereits die schlichte Möglichkeit, dass sich geschlechtliche Identität jenseits der Binarität von Mann und Frau denken lassen könnte. Schon in dem bloßen Infragestellen von Sex und Gender lauert nämlich die vermeintliche Gefahr von Beliebigkeit und Relativismus, mit denen Kinder und Jugendliche von früh an indoktriniert würden. Manche Autor*innen meinen darin gar den Marxismus in neuem Gewand zu erkennen, der erneut das Christentum zerstören und eine Einheitsgesellschaft schaffen wolle, in der alle „natürlichen“ Differenzen der Geschlechter nivelliert seien und es keine Freiheit mehr gebe.
Spätestens hier zeigt sich, wie diese erregte Gender-Kritik und der spezifisch christlich-konservative Antifeminismus sich gegenseitig bedingen: Weil in der Bibel, genauer im 1. Buch Mose, zu lesen sei, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen habe (Gen 1,27), und weil die so geschaffenen Männer und Frauen (das steht allerdings nicht mehr in der Bibel) über „spezifisch männliche“ und „spezifisch weibliche“ Eigenschaften verfügten. Deswegen seien Frauen (und zwar von Gott gewollt) auf bestimmte Rollen festgelegt.
Gemäß göttlichem Willen und Auftrag, dass Frauen Kinder bekommen können, sei es das Wesen der Frau, dienend, aufopfernd, sorgend und nährend zu sein. Insbesondere in der katholischen Logik liegt darin keine Diskriminierung – schließlich ist dies Gottes besonderer Heils- und Schöpfungswille, universal gültig für „die“ Frau, deren „spezifisch weibliche“ Eigenschaften determinieren, was ihr guttut, was sie braucht, was sie sich wünscht und wie sie ihr Leben zu gestalten hat.
Warum beschäftigen wir uns in einem Dossier mit Antifeminismus? Schon in vielen Liedern wird besungen: „Know your enemy“. Oft ist Antifeminismus subtil. Wie wir ihn entlarven können, wird klar, wenn wir uns mit ihm auseinandersetzen: Welche Formen nimmt er an? Wer sind die Akteur*innen? Und wie können wir ihm begegnen? Alle Dossiertexte gibt es im Online-Schwerpunkt zum feministischen Kampftag.
Und damit sind wir endgültig beim Antifeminismus angekommen: Der Ausschluss von Ämtern und Öffentlichkeiten, geringere Bezahlung und eine prekäre Rente müssten nun mal in Kauf genommen werden, denn weil „die“ Frau als Mutter bei den Kindern und sorgend im Haus sein will, stellt sie die Familie an die erste Stelle. Auch wenn sie deswegen weniger verdient, keine Karriere macht und weniger Möglichkeiten hat, verwirkliche sie ihr Wesen als Frau.
Der erbitterte Kampf christlich-konservativer Kreise gegen die bloße Möglichkeit vielfältiger Geschlechteridentitäten offenbart, worum es geht: die Angst vor einer Welt, in der „spezifisch männliche“ und „spezifisch weibliche“ Eigenschaften eben nicht von Gott gewollt im Menschen angelegt sind. Denn damit wäre der biologistischen Begründung männlicher Vorherrschaft in der Gesellschaft der Nährboden entzogen.
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