Queere Comics und Graphic Novels: Konservative platzen vor Wut

Immer wieder werden queere Graphic Novels und Comics aus Schulen und öffentlichen Bibliotheken in den USA entfernt. Einfluss haben sie dennoch.

Eine Person hält ein Buch in der Hand

Oben auf der Hassliste der konservativen Bücherpolizei: die Graphic Novel „Gender Queer: A Memoir“ Foto: Rick Bowmer/ap/picture alliance

Aggressivität ist nicht das Gleiche wie Stärke. Ich muss mich manchmal daran erinnern, denn eine Woche Nachrichten zu queerrelevanten Themen, und man könnte sich glatt überrollt fühlen. Allein von dem Gewicht der ganzen epistemischen Gewalt, die hier als Warnlabel auf einem Märchenbuch in Litauen und da als Versuch, Bücher aus Schulen und öffentlichen Bibliotheken in Großbritannien oder den USA zu verdrängen, aus den Nachrichtenportalen quillt.

Das Gemenge staut sich dann auf wie dieser Schwall aus verwässertem Blut im Film „Shining“, der im eingeschneiten Hotel des Schreckens aus zwei Aufzugstüren platzt. Aber, und dass ist das Entscheidende, so machtvoll, wie sich die Fluten hinter den beiden Türen gebaren, so schnell laufen sie eigentlich auf den teppichüberzogenen Fluren ins Leere, sobald sie sich einmal so dramatisch aufgetürmt haben. Bis sie schließlich nur noch irgendwo erbärmliche Tröpfchen bilden. Darüber zu laufen macht bestimmt komische Schmatzgeräusche, Fortbewegen kann man sich aber trotzdem ziemlich gut. Da braucht es schon weitaus mehr, um uns wegzuschwemmen.

Der Republikaner Mike Lefor in North Dakota jedenfalls hat gerade einen Gesetzesentwurf eingereicht, der Bi­blio­the­ka­r:inn­nen ins Gefängnis stecken will, sollten sie sich weigern, indizierte Bücher aus den Beständen zu entfernen. Bemerkenswert an solchen Kampagnen ist, dass sie meist auf Bücher abzielen, die das Wissen von Kindern und Jugendlichen of Color ins Zentrum einer Erzählung setzen, sowie auf Bücher, die queeres Leben und sexuelle Selbstbestimmung vermitteln.

Die Hassliste der Bücherpolizei

Bemerkenswert ist auch, dass es meist Comics und Graphic Novels sind, die als Paradebeispiel der Gefährdung in die Kameras gewedelt werden. Ganz ehrlich, ich habe schon bessere Fächer gesehen, mit denen man sich heiße Luft zuwedeln kann.

Die NPR-Serie „Banned and Challenged: Restricting access to books in the U. S.“ fängt die Entwicklungen der letzten Jahre ein, mit Interviews und Texten der Autor:innen, deren Bücher so stark sind, dass sie Kinder und Jugendliche zum Selbstdenken verhelfen. Womit das klägliche Rinnsal des nationalfamiliären Backlash natürlich endgültig vom Austrocknen bedroht ist.

Wie man dort erfährt, führte die Graphic Novel „Gender Queer: A Memoir“ von Maia Kobabe laut der American Library Association 2021 die Hassliste der Bücherpolizei an und wurde vielfach aus öffentlichen Bibliotheken entfernt. Ich hatte das Buch im Comicladen bisher immer liegen lassen, weil mich der liebliche Zeichenstil nicht so direkt anspricht und mir Erzählungen nach dem Geständnisprinzip oft Unbehagen bereiten. Jetzt habe ich es mir aus Solidarität gekauft. Und mir gleich noch Jerry Crafts „New Kid“ über Rassismus an Privatschulen dazubestellt. Was an Zeichnungen so unfassbar machtvoll ist? Sie ehren die Realität mit Abbildung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.