Reichsbürger-Prozess in Frankfurt: Malsack-Winkemanns Endlosschleife

Die AfD-Politikerin ist die erste Angeklagte, die sich in Frankfurt zu den Putschvorwürfen äußert. Nach vier Prozesstagen bleiben viele Fragen offen.

Prozesstermin im Mai: Birgit Malsack-Winkemann wird von zwei Beamten aus dem Gericht eskortiert Foto: Boris Roessler/dpa

FRANKFURT taz | Birgit Malsack-Winkemann fühlt sich schlecht behandelt. Und zwar von der Bundesanwaltschaft, die die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete wegen Terrorismus und Hochverrats angeklagt hat – obwohl sie doch schon im Ermittlungsverfahren ausführlich ihre Unschuld erklärt habe. Aber auch von ihren Mitangeklagten, mit denen die 60-Jährige den bewaffneten Umsturz in Deutschland vorbereitet haben soll, und die nun schlecht über sie geredet hätten.

Nur einen nimmt Malsack-Winkemann aus: den als Rädelsführer des mutmaßlichen Reichsbürger-Putschplans angeklagten Heinrich XIII. Prinz Reuß. „Der Prinz und ich waren uns einig, dass…“: So oder so ähnlich fangen viele Sätze der AfD-Politikerin vor dem Frankfurter Oberlandesgericht an.

Im Prozess gegen die mutmaßliche Führungsriege der „Patriotischen Union“ um den Frankfurter Immobilienunternehmer lässt sich Malsack-Winkemann als erste der neun Angeklagten zu den Anklagevorwürfen ein. Seit nunmehr vier Verhandlungstagen hält sie einen Monolog, ungeordnet, voller Wiederholungen, eine große Endlosschleife. Bevor sie damit beginnt, beklagt sie sich bitter, dass das Verfahren so langsam vorangehe. Es sollte nicht die einzige Widersprüchlichkeit bleiben.

Reuß sei gar kein Reichsbürger, behauptet Malsack-Winkemann. „Es ging dem Prinzen wie mir um die Souveränität.“ Genau das ist jedoch ein zentrales Narrativ der Reichsbürger-Ideologie: dass Deutschland nicht souverän, sondern fremdbeherrscht sei. Nie, beteuert die Angeklagte, sei in ihrer Gegenwart über einen Umsturz, einen Angriff auf den Bundestag oder den Aufbau von bewaffneten „Heimatschutzkompanien“ geredet worden. Für Reuß wie für sie habe alles nach Gesetz und Recht ablaufen sollen.

QAnon-Verschwörungsglaube

„Revolutionen sind so ziemlich das Letzte, wozu man jemanden aus dem Hochadel bringen könnte“, sagt sie. Zugleich jedoch spricht Malsack-Winkemann mit größter Selbstverständlichkeit von einem „Systemwechsel“ und von den dafür „erforderlichen Gewalthandlungen“. Von „Militärgerichten“ und einem großen „Aufräumen“, bis hinunter in die Rathäuser. Nur habe das nicht die Aufgabe ihrer Gruppe sein sollen, sondern allein: der Allianz.

Malsack-Winkemann meint damit eine mächtige Geheimarmee, erfunden vom antisemitischen QAnon-Verschwörungsglauben, an deren baldiges weltweites Losschlagen sie und ihre Mit­strei­te­r*in­nen offenbar fest geglaubt haben. Dieser Allianz, sagt die Angeklagte, hätten sie sich andienen wollen, für den Neuaufbau Deutschlands nach einer zweijährigen Militärherrschaft.

„Letztentscheider war immer die Allianz“, betont sie. Ohne von diesem mysteriösen Militärbündnis mit seinen vorgeblich Millionen von Soldaten offiziell akzeptiert zu sein, hätten jedenfalls sie und Reuß nicht aktiv werden wollen. „Dafür bin ich zu lange im öffentlichen Dienst“, erklärt Malsack-Winkemann. „Da macht man nichts, wenn man nicht zuständig ist.“

Die promovierte Juristin, die jahrelang als Richterin am Berliner Landgericht gearbeitet hat, gefällt sich in der Selbstdarstellung als „Oberbedenkenträger“, als kritischer Geist. Stolz brüstet sie sich damit, einen vermeintlichen Verbindungsoffizier zur Allianz als Hochstapler durchschaut zu haben. Ernsthafte Zweifel an der Existenz der herbeifantasierten Armee aber scheint sie bis zuletzt nicht gehabt zu haben. Schließlich sei davon in den mehr als 50 Telegram-Kanälen, die sie aus Unzufriedenheit mit der „Einseitigkeit“ der etablierten Medien verfolgt habe, überall die Rede gewesen: „Inhaltlich sagten sie alle dasselbe.“

Bedenken nur wegen Rechtschreibfehlern

Malsack-Winkemann spricht mit großem Selbstbewusstsein. Mal schnippisch, mal belehrend und immer wieder in beleidigtem Ton. Zu denen, die sie ganz besonders schlecht behandelt haben sollen, gehört auch die frühere Berliner Justizsenatorin Lena Kreck. Die Linkenpolitikerin hatte im Juni 2022 öffentlich verkündet, dass die Ex-AfD-Abgeordnete nicht länger als Richterin arbeiten sollte.

„Das hat mich wirklich in meinen Grundfesten erschüttert“, sagt die Angeklagte. „Ich war völlig neben der Spur.“ Und nur deshalb habe sie kurz darauf ein Papier unterzeichnet, angeblich verlangt von der Allianz, in dem sie sich zur Verschwiegenheit verpflichtete – bei Androhung der Todesstrafe. „In meiner normalen Verfassung hätte ich das nicht unterschrieben.“ Allerdings nicht aufgrund inhaltlicher Bedenken. Sondern wegen der vielen Rechtschreibfehler.

Vieles, was Malsack-Winkemann sagt, provoziert mehr Fragen, als es Antworten gibt. Manchmal aber hat sie durchaus einen Punkt. Inwiefern sich von einer „terroristischen Vereinigung“ sprechen lässt, wenn sich ihre Mitglieder zu guten Teilen gar nicht kannten oder nicht unbedingt am selben Strang zogen: Damit wird sich das Gericht in der Tat beschäftigen müssen. Und wahrscheinlich hat die Bundesanwaltschaft wirklich den einen oder anderen Fehler gemacht, als sie das Ermittlungsergebnis auf mehr als 500 Seiten und fast 3.500 Fußnoten zusammenfasste.

Man muss dahinter nicht „Arglist“ und „Manipulation“ vermuten, wie die AfDlerin das tut. Aber eine gewisse Schludrigkeit der Anklagebehörde könnte schon daraus sprechen. In der kommenden Woche redet Birgit Malsack-Winkemann weiter. Und weiter.

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