Regulierung von Internetplattformen: Zwischen Druck und Zerschlagung
Was tun gegen die Macht von Facebook, Google und Co? Forscher:innen fordern vor allem Transparenz – bis hin zu den Mechanismen der Algorithmen.
BERLIN taz | In der Debatte um eine stärkere Regulierung von IT-Konzernen wie Facebook und Google haben sich Forscher:innen kritisch gegenüber Ideen zu einer Zerschlagung oder Entflechtung der Unternehmen positioniert. „Das Ergebnis wären mehrere kleine Unternehmen, die unter noch größerem Druck stünden, erfolgreich zu sein“, sagte Matthias Kettemann, Professor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Universität Innsbruck auf einer Pressekonferenz des Science Media Centers.
Auch Nicole Krämer, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Duisburg-Essen, sieht eine Zerschlagung kritisch: „Diese Art der Kommunikation wird nicht mehr aus der Welt kommen, selbst wenn Facebook zerschlagen oder Instagram verboten würde.“
Die IT-Konzerne stehen gerade von mehreren Seiten unter Druck: In den USA hatte vor wenigen Wochen eine Whistleblowerin Einblick in interne Prozesse bei Facebook gegeben, die unter anderem nahelegen, dass Facebook sich der Wirkung problematischer Inhalte wie Hassrede bewusst ist – und dennoch zu wenig unternimmt. Gleichzeitig arbeitet die EU an zwei Gesetzesrahmen, die vor allem große Plattformen stärker regulieren sollen: den Digital Services Act und den Digital Markets Act.
In diesem Zusammenhang forderte Kettemann in Richtung EU, dem Lobbyismusdruck der Konzerne nicht nachzugeben. Eine starke europäische Plattformaufsicht einzurichten sei ebenso sinnvoll wie eine Verpflichtung zu Audits von externen Wissenschaftler:innen. „Außerdem darf das europäische Recht nicht durch nationale Alleingänge unterwandert werden“, warnte der Wissenschaftler. Vor allem sei es nötig, die Plattformen zu einer deutlich stärkeren Transparenz zu verpflichten: sowohl bei den Regeln, denen die Nutzer:innen sich unterwerfen, als auch in Bezug auf die Algorithmen.
„Facebook etwa setzt mehr und mehr auf Verhaltensmuster, die die Plattform sticky machen“, erklärte Axel Bruns, Professor für Medien- und Kommunikationsforschung an der Queensland University of Technology. Sticky, also „klebrig“, heißt, eine möglichst lange Verweildauer zu erzielen. Das schafften bevorzugt kontroverse und aggressive Inhalte. Transparenz könnte hier helfen, gegenzusteuern.
Kettemann brachte außerdem die Idee von Plattformbeiräten ins Spiel. Sie sollten dazu beitragen, die Plattformen stärker gesellschaftlich einzubinden und auch Druck aus der Gesellschaft in die Unternehmen zu tragen. „Es ist nicht so, dass Facebook nicht wüsste, was sie besser machen können“, sagte er.
Sozialpsychologin Krämer mahnte, die Umsetzung von geltenden Gesetzen nicht aus dem Fokus zu verlieren: „Es ist vor allem wichtig, dass Inhalte, die sowieso verboten sind, schneller aus dem Netz verschwinden.“
Leser*innenkommentare
Adam Weishaupt
Die wesentliche Maßnahme wäre, die Konzerne zu zwingen, offene Schnittstellen zu ihren Systemen anzubieten, sodass Wettbewerb entstehen kann.
Bolzkopf
Ein Spiel ist nur dann fair, wenn die Regeln für alle gelten, allen bekannt sind und kein Spieler die Regeln zum eigenen Vorteil umdeuten kann.
Jetzt urteilen sie selbst ...
Niemand ist verpflichtet bei dem Spiel mitzumachen - aber es ist ja so schön bequem und einfach.
Aber der entscheidende Punkt ist, dass diese Konzerne die vorhandene Technik kaputtmachen und die Weiterentwicklung nachhaltig behindern.
vøid
"Vor allem sei es nötig, die Plattformen zu einer deutlich stärkeren Transparenz zu verpflichten: sowohl bei den Regeln, denen die Nutzer:innen sich unterwerfen, als auch in Bezug auf die Algorithmen." --> da bin ich echt gespannt, wie und ob das gelingt. Genau das ist doch eigentlich die Betriebsgeheimnisse dieser großen Firmen, oder? Als Freund von Open Source sehe ich in dieses politische Vorhaben allerdings positiv 😄
tomás zerolo
Wissen. Wir brauchen auf Gesetzgeberseite Wissen, das von der schönen neuen Plattform-Welt unabhängig ist. Und das ist schwierig, denn unsere Gesetzgeber baden gerade in den Plattformen.
Ohne Wissen bekommen wir nur Müllgesetze [1] [2].
[1] taz.de/IT-Experte-...ngezeigt/!5808171/
[2] taz.de/Moeglicher-...enschutz/!5802205/