piwik no script img

Regisseurin über Komödie „Showing Up“„Kunst ist trotzdem wichtig“

Regisseurin Kelly Reichardt zeigt in ihrer Komödie „Showing Up“ den Alltag einer Künstlerin. Sie spricht über Beharrlichkeit und Filmen als Sammeln.

Und was sagt die Katze dazu? Lizzy (Michelle Williams) bereitet im Film „Showing Up“ eine Ausstellung vor Foto: Peripherfilm
Thomas Abeltshauser
Interview von Thomas Abeltshauser

Kelly Reichardt gilt als eine der wichtigsten unabhängigen Filmemacherinnen der USA. Trotzdem schaffen es ihre Filme seit dem Debüt „River of Grass“ 1994 selten in deutsche Kinos, vielleicht weil sie in ihrer minimalistischen Inszenierung und ihren suchenden Bewegungen zu wenig spektakulär erscheinen. Das Berliner fsk Kino hat nun die Initiative ergriffen und bringt Reichardts Film „Showing Up“ von 2022 direkt auf die Leinwand. In der melancholischen Komödie spielt Michelle Williams eine Keramikkünstlerin, die eine Ausstellung vorbereitet und sich immer wieder mit Familie, Selbstzweifeln und anderen Nebensächlichkeiten vom Arbeiten abhält. Rar sind auch Interviews mit der 60-Jährigen. In Locarno, wo sie den Ehren­leoparden für ihr Lebenswerk erhielt, sprach sie über Beharrlichkeit, warum sie sich als Sammlerin sieht und ihre Filme nicht als politisch versteht.

Der Film

„Showing Up“. Regie: Kelly Reichardt. Mit Michelle Williams, Hong Chau u. a. USA 2022, 108 Min. Ab 9. 5. im fsk Kino, Berlin; 17. 5., Lichtspiele Kalk, Köln

wochentaz: Frau Reichardt, der Titel Ihres neuen Films „Showing Up“ bezieht sich auf das, was im kreativen Schaffen und Dasein als Künstler mindestens so wichtig ist wie Talent: dranzubleiben. Wie wichtig ist eine gewisse Sturheit beim Filmemachen?

Kelly Reichardt: Oh, sehr. Meine Art Filme entstehen nur, weil ich trotz aller Widrigkeiten immer weitermache. Kino ist eine teure Kunst, auch wenn es durch die Digitalisierung demokratischer wurde. Und wenn man einen Film fertig hat, gibt es in der Regel Festivals, die ihn zeigen wollen. Eine bildende Künstlerin hat ein solch eingebautes Publikum nicht automatisch, sie kreiert erst mal für sich in einem Studio. Auch darum ging es mir in „Showing Up“. Wenn man den Impuls hat, etwas zu erschaffen, und jeden Tag aufwacht und daran arbeitet, ob man nun einen anderen Job hat oder nicht, und wenn dieses Kunstmachen wie Essen oder Atmen ist, aber es gibt dafür kein Publikum – was ist das für eine Erfahrung, wie geht man damit um?

Auch Sie haben einen Brotjob, Sie unterrichten Film am Bard College im Bundesstaat New York. Wie beeinflussen sich die akademische Arbeit und das Filmemachen?

Nun, bei „Show Up“ kam alles zusammen, weil er an einer Kunsthochschule spielt. Wir drehten an der Oregon School of Arts and Crafts, sie war eine sehr angesehene Schule im pazifischen Nordwesten für Keramik, bevor sie geschlossen wurde, wie so viele Kunsthochschulen in den USA. Die Schule stand leer und wir konnten sie nutzen. Es ist das erste Mal, dass die Welt des Films und die Welt des Unterrichtens wirklich aufeinandertreffen. Am Bard College habe ich experimentelle Filmemacher kennengelernt, die mich sehr beeinflusst haben, der Landschaftsfilmer Peter Hutton zum Beispiel, dem „First Cow“ gewidmet ist, oder Peggy Awish, die feministische Experimentalfilmerin. Von ihnen habe ich viel gelernt, als Dozentin und als Regisseurin. Und die Lehraufträge dort nehmen etwas Druck weg, weil ich in einem Semester unterrichten und im nächsten an meinen eigenen Projekten arbeiten kann.

Wie finden Sie die Themen Ihrer Filme?

Es gibt Jäger und Sammler. Manche haben ihre Beute vor Augen und erlegen sie mit der Waffe. Ich bin eher eine Sammlerin, meine Filme sind ein Sack voll kleiner Samen. Die Frage ist eher, ob es dafür einen Platz in der amerikanischen Landschaft des Geschichtenerzählens gibt. Im Grunde fühlt es sich jedes Mal an wie der letzte Film, den ich machen kann.

Wie funktioniert dieses Sammeln von Samen mit den Schauspielenden? Etwa mit Michelle Williams, die Sie seit „Wendy und Lucy“ 2008 nun zum vierten Mal besetzen.

Mit Michelle habe ich schon so oft zusammengearbeitet, mit jedem neuen Film nehmen wir unmittelbar den Faden unseres Gesprächs wieder auf. Und sie ist eine Handwerkerin, bereitet sich akribisch vor. Ich kann mit ihr aus dem Vollen schöpfen.

Das klingt ein bisschen wie Michelles Figur im Film. Schrei­ben Sie die Rollen bereits mit ihr im Hinterkopf?

Oh nein. Das habe ich einmal getan und dann hat es mit dieser Person nicht geklappt, damit war das Projekt erledigt, es hätte anders nicht funktioniert. Das war sehr traurig und schwer für mich. Seitdem versuche ich mich beim Schreiben davon zu befreien und eine Figur ganz so zu entwickeln, wie ich sie mir vorstelle, wie sie aussieht, wie sie sich gibt, was sie denkt und fühlt. Und erst danach überlege ich, wer sie spielen könnte.

Peripherfilm
Im Interview: Kelly Reichardt

Kelly ­Reichardt wurde in Miami geboren und studierte am Massachusetts College of Art and Design in Boston. 1988 zog sie nach New York, wo sie bei Independent-Filmproduktionen mitarbeitete. Sie debütierte 1994 mit „River of Grass“, zuletzt drehte sie „Night Moves“ (2013), „Certain Women“ (2016) und „First Cow“, der 2020 im Wettbewerb der Berlinale lief.

Ihre Filme sind stets mit ganz spezifischen Orten verbunden, meist im Bundesstaat Oregon. Entstehen die Geschichten erst, wenn Sie wissen, wo sie angesiedelt sind?

Das ist jedes Mal unterschiedlich. Die Landschaft von „Auf dem Weg nach Oregon“ entdeckten wir etwa, als wir auf Locationsuche für „Wendy und Lucy“ waren und dabei auf diese Wüstengegend stießen. Bei anderen Filmen suchen wir parallel zur Entwicklung des Drehbuchs. Und durch das Scouting und was ich draußen gesehen habe, verändert sich die Geschichte. Bei „Showing Up“ wiederum hatte ich von Anfang an eine bestimmte Schule im Kopf, die dann auch einen großen Einfluss auf das Drehbuch hatte.

Vor ein paar Jahren sagten Sie in einem Interview, damals war Trump an der Regierung, Sie wüssten nicht, wie Kunst auf eine Politik im dauernden Ausnahmezustand reagieren soll. Haben Sie darauf inzwischen eine Antwort?

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Trailer „Showing Up“

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Eine Weile haben wir alle derart viele Filme gemacht, weil wir dachten, wir befänden uns in einem besonders schlimmen Moment. Seitdem wird es nur noch schlimmer. Die Stimmung in den Vereinigten Staaten ist extrem aufgeheizt, es fühlt sich manchmal wie kurz vor einem Bürgerkrieg an. Aber ich glaube nicht, dass dies Probleme sind, die Kino oder andere Künste lösen können. Ich bin ein politisch denkender Mensch, aber ich möchte keine politischen Filme machen.

Aber Ihre Filme sind ja in einer sozialen und geografischen Realität verankert.

Was nicht heißt, dass Kunst etwas an den Verhältnissen ändert. An diesen Anspruch glaube ich nicht. Trotzdem ist sie wichtig. Wer sich auf ein Kunstwerk einlässt, den kann es erfüllen und helfen, Dinge zu überwinden und das Leben anders zu betrachten. Und das ist ja nicht wenig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!