Regisseur Gareth Edwards über KI: „Anti-amerikanisch ist er nicht“

In „The Creator“ kämpfen Menschen gegen Roboter. „Rogue One“- Regisseur Gareth Edwards übt in seinem neuen Film nebenbei Kritik an dem Konzept der Supermacht.

Ein kleines Kind mit geschorenen Haaren streckt die Hand nach einem Roboterwesen aus

Eigentlich kämpfen Mensch und Maschine in „The Creator“ gegeneinander Foto: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

taz: Gareth Edwards, in Hollywood wird derzeit immer wieder kritisiert, dass nur noch für Großproduktionen Geld ausgegeben werde, die Fortsetzungen oder Remakes von bewährten Erfolgen sind oder – wie „Barbie“ – auf etablierten Marken basieren. Wie schwierig ist es, heutzutage noch einen komplett neuen, unerprobten Science-Fiction-Film wie „The Creator“ umzusetzen?

Gareth Edwards: Sehr schwer! Was Sie schon daran sehen können, dass mein letzter Film sieben Jahre her ist. Klar, dazwischen lag auch eine Pandemie, aber viel schneller wäre es auch ohne nicht gegangen. Ein großes Studio von einem so ambitionierten Projekt zu überzeugen, das nicht auf einer Vorlage basiert, war sehr schwierig. Mit finanzieller Unterstützung einer Produktionsfirma konnten wir glücklicherweise nach geeigneten Drehorten in Südostasien suchen. Dort filmten wir Landschaften und unter anderem eine Gruppe Mönche auf dem Weg zu ihrem Tempel, die wir später digital in Roboter verwandelten. Mit diesem kleinen Science-Fiction-Reisevideo überzeugten wir letztendlich auch das Studio.

Ihr Film spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die USA nach einem Katastrophenfall Krieg führen gegen die letzten verbliebenen Roboter und künstlichen Intelligenzen. Wie entstand die Idee dazu?

Als ich damals mit „Rogue One: A Star Wars Story“ fertig war, brauchte ich eine Pause und begab mich mit meiner Freundin auf einen Roadtrip von L.A. zu ihrer Familie in Iowa. Ich hatte nicht vor, schon an einen neuen Film zu denken, doch dann fuhren wir im plattesten Farmland an einer Fabrik mit japanischem Logo vorbei. Ich fragte mich, was dort hergestellt wird und weil ich ein SciFi-Nerd bin, war mein erster Gedanke: Roboter! Ich stellte mir vor, wie einer dieser Roboter erstmals die Fabrik verlässt, inmitten der umliegenden Felder steht und in die Weiten des blauen Himmels blickt. Was würde dem wohl durch den Kopf gehen?

Und schon ging in Ihrem Kopf ein Film los?

Zunächst dachte ich, dass das bloß eine nette kleine Szene sein könnte. Aber schon wenig später hatte ich das Bild wieder vor Augen und spann es weiter. Was, wenn die Menschen alle Roboter vernichten wollen und dieser eine entkommt? Plötzlich wuchs sich das zu einer ganzen Geschichte aus, und als wir ein paar Tage später in Iowa ankamen, hatte ich schon die Struktur des kompletten Films im Kopf fertig. Normalerweise brauche ich dafür Monate!

Der Regisseur Gareth Edwards wurde 1975 in Nuneaton, Warwickshire, geboren. Er studierte Film und Video in Surrey. Sein erster Spielfilm war „Monsters“ (2010). Bekannt wurde er mit „Godzilla“ (2014) und „Rogue One: A Star Wars Story“ (2016).

Wenn im Science-Fiction-Genre sonst von künstlicher Intelligenz erzählt wird, geht es meist um abschreckende Beispiele und düstere Aussichten. Davon kann nun bei „The Creator“ nicht wirklich die Rede sein. Wollten Sie bewusst mit einem positiven Bild dieser technologischen Entwicklungen gegensteuern?

Kann schon sein, dass mein Optimismus den Film geprägt hat. Aber als wir mit der konkreten Entwicklung des Films 2018 begannen, war unsere Welt auch noch eine andere. Künstliche Intelligenz war damals ein Ding für die ferne Zukunft. Man dachte bei dem Thema eher an fliegende Autos und Leben auf dem Mond als an unseren Alltag. Roboter waren deswegen für mich eher ein Mittel des Märchenhaften, um von denen zu erzählen, die anders sind als wir. Und natürlich entwickelt man in einer Geschichte, die von der Unterdrückung der anderen handelt, Empathie für diese, selbst wenn es sich dabei um Maschinen handelt. Dass fünf Jahre später das Thema künstliche Intelligenz allgegenwärtig ist und jeder sich ganz unmittelbar davon bedroht oder zumindest verunsichert fühlt, hatte ich damals nicht unbedingt erwartet. Aber das könnte mir natürlich noch zum Vorteil gereichen.

Inwiefern?

Wenn in ein paar Jahren die Roboterapokalypse kommt, werden sie mich verschonen, weil sie gesehen habe, dass ich Verständnis für sie habe.

Stimmt, das wäre natürlich von Vorteil. Beunruhigt es Sie als künstlerischen Menschen denn aber gar nicht zu sehen, wohin diese Entwicklung geht? Haben Sie keine Sorge, dass Filme bald nur noch von der KI hergestellt werden?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in 100 Jahren auf all diese Diskussionen, ob man KI irgendwie verbieten kann, etwas beschämt zurückblicken werden. Jedes Mal, wenn in der Menschheitsgeschichte eine neue Erfindung für einen großen Fortschritt gesorgt hat, gab es diese Ängste – und am Ende waren eigentlich immer alle froh, dass es so weit gekommen ist. War nicht sogar Sokrates damals gegen die Einführung von Büchern? Er dachte, wir würden alle verdummen, weil niemand mehr etwas lernt, sondern einfach nur in Büchern nachschlägt. Da schüttelt man heute den Kopf! Es ist nicht so, dass ich die Angst vor dem Unbekannten nicht nachvollziehen kann. Und natürlich bringen solche Entwicklungen Veränderungen mit sich: Viele Jobs und ganze Branchen wie die Filmindustrie stehen ohne Frage vor Umbrüchen. Ich glaube aber nicht wirklich daran, dass es in unserem besten Interesse ist, uns nicht weiterzuentwickeln. Sonst würden wir doch heute noch in Höhlen ums Lagerfeuer sitzen.

Tatsächlich wirft „The Creator“ nicht nur einen Blick in die Zukunft, sondern irgendwie auch in die Vergangenheit. Dadurch, dass Sie einen Krieg in Südostasien ansiedeln, muss man mehr als einmal an den Vietnamkrieg und dessen filmische Darstellungen denken. Warum waren Ihnen diese Assoziationen wichtig?

Anfangs hatte ich die noch gar nicht im Sinn. Da überlegte ich nur, wohin ich mich für das von mir sehr verhasste ­Schreiben des Drehbuchs zurückziehen könnte. Ich wollte irgendwo hin, wo es schön ist und ich gerne mehrere Wochen am Stück verbringen will. So kam ich auf Thailand, und weil ein Freund von mir damals gerade in Vietnam war, bin ich auch dorthin gereist. Je mehr ich an meinem Roboterfilm schrieb und dabei diese Landstriche vor Augen hatte, die ich mit Filmen wie „Apocalypse Now“, „Platoon“ oder „Full Metal Jacket“ in Verbindung brachte, desto mehr realisierte ich, dass ich diese Verschmelzung von Science-Fiction und Kriegsfilm eigentlich noch nie auf der Leinwand gesehen hatte. Man könnte sagen, James Cameron hat für „Avatar“ den Vietnamkrieg ins Weltall verlegt. Aber das war’s dann auch. Ich sah vor meinem inneren Auge diese Reisfelder in Vietnam und Roboter mit Kriegsgewehren und dachte mir, dass ich mich sehr ärgern würde, wenn das eines Tages jemand anderes inszeniert. Also habe ich es lieber selbst gemacht.

Es ist auf jeden Fall auch deswegen passend, weil Ihr Film einen erstaunlich kritischen Blick auf die USA wirft und in seiner Botschaft eine klare Antikriegshaltung vertritt, oder sehe ich das falsch?

„The Creator“. Regie: Gareth Edwards. Mit: John David Washington, Gemma Chan u. a. USA 2023, 133 Min.

Wenn „The Creator“ als Antikriegsfilm gesehen wird, macht mich das sehr froh. Aber anti-amerikanisch ist er nicht gedacht. Ich liebe die USA, ich lebe dort und meine Freundin kommt von dort. Nicht umsonst ist der Held meines Films ein Amerikaner. Aber die Geschichte ist auf jeden Fall eine Kritik am Konzept der Supermacht, die sich zum Führer der Welt aufschwingt – und für die nahe Zukunft, in der sie spielt, erschienen mir da die USA einfach die naheliegendste Wahl.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.