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Regionen streben nach UnabhängigkeitEuropa, deine Separatisten

Nicht nur die Katalanen wollen unabhängig sein. In vielen europäischen Staaten gibt es Bestrebungen nach Autonomie. Ein Überblick.

Zusammen oder unabhängig? Spanien bröckelt in der Frage Foto: imago/Ralph Peters

Der Katalonien-Konflikt befeuert, dass auch in anderen Teilen Europas wieder über Unabhängigkeit oder Autonomie diskutiert wird. Ein Blick auf Regionen, die gerne ihr eigenes Ding machen würden.

Schottland

Viele Schotten wollen Autonomie. Aber noch mehr Schotten wollen sie nicht – ein Problem für die regierende Scottish National Party (SNP). Bei den Wahlen im Juni büßte sie 21 ihrer 56 Unterhaussitze ein. Schuld daran war laut Umfragen das Thema Unabhängigkeit, das Premierministerin Nicola Sturgeon in den Fokus gerückt hatte, während Themen wie Arbeitslosigkeit und erschwingliche Mieten in den Hintergrund gerieten. Seit die SNP 1934 gegründet wurde, tritt sie für schottische Autonomie ein. Der Durchbruch gelang der SNP bei den Wahlen 1974. In der Nordsee hatte man Öl entdeckt, und die SNP bestritt den Wahlkampf mit dem Slogan: „Es ist Schottlands Öl.“ Die SNP gewann 30 Prozent der Stimmen.

2007 wurde sie stärkste Kraft im Parlament, vier Jahre später reichte es sogar zur absoluten Mehrheit. Mit Genehmigung des britischen Premiers David Cameron wurde ein Unabhängigkeitsreferendum anberaumt. Bis kurz vor dem Volksentscheid im September 2014 lagen beide Seiten gleichauf, aber schließlich stimmten 55 Prozent gegen die Unabhängigkeit. Erst durch den Brexit scheint nun ein neues Referendum möglich. Die meisten Schotten sind proeuropäisch, aber ob sie nach dem EU-Austritt der Briten für die Unabhängigkeit stimmen? Ungewiss.

Ralf Sotscheck

Flandern

Mit den Zahlen ist das so eine Sache: Nur 6 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage sprachen sich 2015 für ein unabhängiges Flandern aus. „Nicht repräsentativ“, protestierte die Vlaamse Volksbeweging (VVB), einer der wichtigsten Akteure für eine Abspaltung der nördlichen Landeshälfte Belgiens. Begründung: Rund 38 Prozent der flämischen Wähler stimmten 2014 für Parteien, deren erster Programmpunkt ein unabhängiges Flandern sei.

Verschoben haben sich in den vergangenen zehn Jahren jedoch die Kräfteverhältnisse. Der rechtsextreme Vlaams Belang ist nur noch eine Kleinpartei, die konservative Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) mit ihrer Galionsfigur Bart De Wever dagegen die stärkste Kraft in Flandern. Viele enttäuschte Vlaams-Belang-Wähler wandten sich der gemäßigteren N-VA zu, in der Hoffnung, diese könnte mehr erreichen als die Radikalen.

Die Methode der N-VA beschrieb Bart De Wever einmal mit „Evolution statt Revolution“. Was nichts anderes bedeutet, als das föderale Belgien mit einer stufenweisen Regionalisierung so weit auszuhöhlen, dass es von selbst „verdampft“. Als aktuelle Regierungspartei hat die N-VA ihre flämische Agenda vorläufig zurückgestellt, was ihr Kritik aus Teilen der Bewegung einbringt.

Motor ihres Aufstiegs war der flämisch-frankophone Konflikt über die letzte Runde der Regionalisierung seit 2007. Im frankophonen Belgien wurde damals eine Abspaltung Flanderns befürchtet.

Tobias Müller

Galicien

Galicien gehört mit dem Baskenland und Katalonien zu den drei historischen Gemeinschaften mit eigener Sprache, die in Spanien eine weit größere Autonomie genießen als die restlichen Regionen. Anders als bei den Basken und den Katalanen wurde die Region nie industrialisiert. Millionen Galicier wanderten nach Lateinamerika aus. Seit Ende der Diktatur 1975 wird Galicien fast ununterbrochen von der konservativen Partido Popular (PP) regiert. Der heutige spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy ist übrigens auch Galicier.

Seit der Franco-Diktatur sind es vor allem linke Kräfte, die nach Unabhängigkeit streben. In Galicien sind diese in den Milieus der Fischer und den Städten besonders stark. Besonders ein Ereignis hat politische Nachwirkungen gehabt: das Unglück des Öltankers „Prestige“ 2002. Die in Galicien und Madrid regierenden Konservativen versagten völlig. Die Menschen organisierten sich selbst, um die Strände zu säubern.

Das Gros der Linksnationalisten ist heute Teil der Liste „En Marea“. Sie regiert seit 2015 in den galicischen Provinzhauptstädten A Coruña und Santiago de Compostela und wurde bei den Regionalwahlen zuletzt zweitstärkste Partei vor der sozialistischen PSOE und hinter der PP Rajoys.

In der aktuellen politischen Debatte spielt das Thema Unabhängigkeit kaum eine Rolle, auch wenn alle nach Katalonien schauen. Ein spanisches Sprichwort lautet: „Triffst du einen Galicier auf der Treppe, weißt du nie, ob er hoch- oder runtergeht.“ Mit dem Nationalismus in der Region ist es ähnlich.

Reiner Wandler

Bretagne

Zu den Regionen, die sich aufgrund ihrer geschichtlichen, kulturellen und sprachlichen Besonderheiten gegen den französischen Zentralismus auflehnen, gehört die Bretagne. Aber schon ihre territoriale Definition ist umstritten: Reicht die Bretagne von der wilden Atlantikküste bis zur Loire-Mündung? Darüber wird im Zusammenhang mit einer Neuaufteilung der Regionen lebhaft diskutiert. Es gibt ein starkes Zugehörigkeitsgefühl der bretonischen Bevölkerung. Kaum noch bestritten ist heute ihr Recht, ihre Sprache als Teil ihres keltischen Erbes zu pflegen. Dieses ist nicht zuletzt dank Asterix und Obelix populär.

Mit etwas mehr als 4.000 Schulkindern (vom Kindergarten bis zur Abiturstufe) sind die in Keltisch unterrichtenden Schulen aber eher ein Randphänomen. Bretonisch ist nicht ein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache, die während Jahrhunderten verdrängt und unterdrückt wurde. Das hat seit jeher in der Bretagne Widerstand provoziert. Wie für andere Regionalsprachen (Korsisch, Baskisch, Katalanisch, Okzitanisch, Elsässerdeutsch oder Flämisch) im europäischen Teil der Republik gilt der Verfassungsartikel, dass Französisch die einzige offizielle Sprache ist.

Kulturelle und politische Autonomiebestrebungen gab es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese wurden während des Zweiten Weltkriegs durch die Kollaboration der bretonischen Identitären mit den deutschen Besetzern diskreditiert. Die 1964 gegründete, politisch linke Bretonische Demokratische Union UDB fordert weiterhin eine Autonomie, nicht aber Unabhängigkeit. Sie ist in vielen Gemeinderäten vertreten, hat einen Abgeordneten in der Nationalversammlung. Er wurde 2012 mit Unterstützung der Sozialisten gewählt, jetzt zählt er sich zu Macrons „En marche“. Die „Rotmützen-Bewegung“ gegen die Pariser Steuerpolitik 2013 gab den regionalistischen Forderungen erneut Auftrieb.

Rudolf Balmer

Baskenland

Wenn es um Unabhängigkeitsbestrebungen in Spanien ging, dann war bis vor wenigen Monaten immer vom Baskenland die Rede. Anders als Katalonien sorgte die Region im Nordwesten des Landes mit ihrer wohl ältesten europäischen Sprache jahrzehntelang für Schlagzeilen. Der Grund: Die Separatistenorganisation ETA versuchte ihr Ziel mit der Waffe in der Hand zu erreichen.

Von den 1960er Jahren bis zum endgültigen Waffenstillstand 2011 fielen der ETA über 800 Menschen zum Opfer. Was unter der Franco-Diktatur viele Menschen, auch Nicht-Basken, als heldenhaften Kampf für die Freiheit sahen, wurde danach immer häufiger kritisiert. Der baskische Nationalismus hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert, als im Zuge der Industrialisierung immer mehr Spanier ins Baskenland kamen. Es entstanden nationalistische Parteien, konservative wie auch fortschrittliche.

Seit Francos Tod 1975 wird das Baskenland fast ununterbrochen von der konservativen baskisch-nationalistischen PNV regiert. Sie ist ein Sammelsurium aus jenen, die die Unabhängigkeit aller sieben Baskenprovinzen, auch derer in Frankreich, wollen, und anderen, die sich mit der Autonomie in Spanien zufrieden geben. Auf Seite der Linken haben sich das politische Umfeld der ETA und andere Parteien zum Bündnis EH Bildu („Baskenland versammelt“) zusammengeschlossen. Sie sind nach der PNV heute die zweitstärkste Kraft der Region. Ihr wohl bekanntester Vertreter ist das Ex-ETA-Mitglied Arnaldo Otegi. Otegi sorgte dafür, dass die Linksnationalisten der Gewalt abschworen.

Reiner Wandler

Korsika

Am 3. und 10. Dezember werden auf der zu Frankreich gehörenden Mittelmeerinsel Korsika regionale Wahlen abgehalten. Als Favoriten gelten die Autonomisten der Femu a Corsica und die Separatisten der Corsica Libera. Wie schon 2015 treten sie gemeinsam an. Damals erreichten sie 35 Prozent der Stimmen. Aber nicht immer zogen die Nationalisten an einem Strang.

Im Gegenteil: Die Gruppen, die in den Siebzigern die FLNC (Nationale Befreiungsfront Korsikas) gründeten und für bewaffnete Aktionen in den Untergrund gingen, waren meist gespalten. Gemeinsamer Bezugspunkt war Pasquale Paoli, unter dessen Führung das zuvor von Genua annektierte Korsika von 1755 bis 1769 unabhängig war. Geblieben sind die Fahne mit dem Kopf im Profil und der Wunsch, sich von der französischen Bevormundung zu befreien.

Die Rivalitäten der verschiedenen Fraktio­nen führten Ende des 20. Jahrhunderts zu blutigen Abrechnungen, bei denen es mit der Zeit weniger um Politik als um persönliche Rache und Interessen ging. Offiziell hat das letzte Überbleibsel, die FLNC-UC, 2014 den be­waffneten Kampf beendet. Rund 30 Jahre hatten korsische Nationalisten Sprengstoffanschläge gegen französische und ausländische Immobilien verübt. Positiv daran: Die Küsten Korsikas sind weniger zubetoniert als anderswo.

Der französische Zentralstaat hat der Insel einen mehrfach modifizierten Sonderstatus gewährt, der es zum Beispiel ermöglicht, in korsischer Sprache zu unterrichten. Eine wirkliche Autonomie oder gar eine Unabhängigkeit der Insel kommt dagegen für die Regierung in Paris nicht infrage. So manche Franzosen meinen allerdings hämisch, eine Loslösung wäre doch lohnend, da man auf diese Weise Korsika nicht mehr finan­ziell unterstützen müsste.

Rudolf Balmer

Lombardei/Venetien

Ausgerechnet einem gescheiterten Medizinstudenten, der in seinem Leben nie einer geregelten Arbeit nachgegangen ist, sind die Autonomiebestrebungen der als arbeitsam bekannten Regionen Lombardei und Venetien zu verdanken. Denn zur politischen Bewegung wurden die Sezessionisten erst, als ein gewisser Umberto Bossi, so hieß der Mann, in den achtziger Jahren zunächst die Lega Lombarda und dann die Lega Nord gründete. In Rom saß die Regierung, doch Mailand war ökonomisches Zentrum, empfand sich als „moralische Hauptstadt“ Italiens. Bossi sprach vom „diebischen Rom“, das mit dem Geld der Norditaliener vor allem den parasitären Süden alimentiere.

In den frühen neunziger Jahren, als der italienische Staat seinen Haushalt konsolidieren und den Steuerdruck deutlich erhöhen musste, schlug die Stunde des rechtspopulistischen Wohlstandschauvinismus der Lega Nord. Bei den Parlamentswahlen 1992 erhielt sie im Veneto knapp unter, in der Lombardei über 20 Prozent. Am Anfang ging es ihr noch um mehr Autonomie, dann forderte sie radikal die Abspaltung von Italien und die Gründung des Staats „Padanien“. Von diesem Ziel verabschiedete sich die Partei dann wieder, als sie als Koalitionspartner Silvio Berlusconis mitregierte (2001 bis 2006, 2008 bis 2011).

Heute kämpft die Lega vor allem gegen Zuwanderung, Islam und EU. Auf nationaler Ebene liegt sie in Umfragen bei 15 Prozent, im Norden bei 30. Doch die Bürger Venetiens und der Lombardei haben ihre Unabhängigkeitsbestrebungen nicht vergessen, wie das Referendum vom vergangenen Wochenende zeigte. Bei der Volksbefragung stimmten zwischen 95 und 98 Prozent für mehr Autonomierechte gegenüber Rom.

Michael Braun

Bayern

Es gibt regelmäßig Loslösungsfantasien im Freistaat. Als im Sommer das Brexit-Votum Europa schockiert hat, machte das Wort Bayxit kurz Karriere. Nach einer Umfrage von YouGov haben sich im Juli knapp ein Drittel der Bayern für die Unabhängigkeit ausgesprochen. So richtig aktiv verfolgen sie diese Selbstständigkeitsgelüste allerdings nicht. Andernfalls wäre die Bayernpartei, die seit je ein unabhängiges Bayern fordert, keine Kleinstpartei und hätte auch weit mehr als 7.050 Unterschriften für ein Volksbegehren zur Unabhängigkeit Bayerns zusammenbekommen.

Ende 2016 hat das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines solchen Volksbegehrens gar nicht erst zugelassen – seither ist es ruhig um das Thema geworden. Ein Bundesland könne nicht aus der Bundesrepublik austreten, hieß es in der Begründung. Ob Regierungsbezirke aus dem Freistaat austreten können, ist noch nicht geklärt. Es gibt nämlich Franken, die gern ein eigenes Bundesland hätten.

Andreas Rüttenauer

Südtirol

Bis 1918 war Südtirol Teil des Habsburger-Reichs, erst danach kam die Region südlich des Brenners zu Italien. Im Faschismus wurden systematisch Italiener in Bozen und Umgebung angesiedelt, die deutsche Sprache unterdrückt und die Ortsnamen italianisiert. Die 70 Prozent der Bevölkerung, die zur deutschen Sprachgruppe gehörten, fühlten sich so als unterdrückte Minderheit in der Region. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Südtiroler Volkspartei (SVP) zu ihrer politischen Vertretung. Sie setzte sich zäh für ein Autonomiestatut ein. Radikalere Kräfte dagegen legten in den 60er Jahren Bomben gegen Strommasten, Italien schickte das Heer.

Doch 1972 wurde ein weitreichendes Autonomiestatut verabschiedet, das dem heute reichen Südtirol fast alle Steuereinnahmen überlässt, das im Staatsdienst strikten Proporz zwischen den Sprachgruppen vorschreibt und das der Region um Bozen fast alle Politikfelder von der Wirtschaft über Schulen und Soziales bis zur Infrastruktur überlässt.

Seit Ende der achtziger Jahre herrschte so Ruhe in Südtirol. Doch mit der Wirtschaftskrise ab 2008 erhielten Bestrebungen zur Loslösung von Italien neuen Auftrieb. Die Partei der Freiheitlichen propagierte die Sezession, wollte aber nicht die Rückkehr zu Österreich, sondern einen eigenen Freistaat, dessen Bewohner ihren Wohlstand nicht mit dem schwächelnden Restitalien teilen müssen. Bei den Landtagswahlen 2013 erreichten die Freiheitlichen fast 18 Prozent. Sie wurden zweitstärkste Partei hinter der SVP.

Michael Braun

Republika Srpska

Am 9. Januar 1992 erklärten die serbisch-bosnisch bevölkerten Gebiete ihre Unabhängigkeit von Bosnien-Herzegowina und nannten sich Republika Srpska (RS). Es war eine Reaktion auf den von bosnischen Muslimen initiierten Austritt Bosnien und Herzegowinas aus der Republik Jugoslawien – die Folge war der Bosnienkrieg, der von 1992 bis 1995 andauerte.

Mit dem Dayton-Abkommen im Jahre 1995 wurde die RS ein Bestandteil des Staates Bosnien und Herzegowina. Srpska verfügt über verstreute Gebiete im Norden und Süden des Landes. Die Region hat ein eigenes Parlament und wird weitgehend selbst verwaltet. Trotzdem gibt es immer noch Unabhängigkeitsbestrebungen.

Dafür kämpfen heute vor allem zwei Parteien, die Demokratische Partei Serbiens, gegründet 1990. Und die Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten, gegründet 1996. Im vergangenen Jahr hat sich die Situation zugespitzt. Im September 2016 ließ der Präsident der RS, Milorad Dodik, ein Referendum darüber abhalten, ob der 9. Januar, der Tag der Republikausrufung 1992, ein Feiertag bleiben solle. Das Verfassungsgericht hatte die Abstimmung zuvor für nicht verfassungskonform erklärt, weil sie andere Bevölkerungsgruppen des Landes benachteilige.

Auch die USA und die EU waren Gegner des Referendums. Nach Einschätzung von Beobachtern ging es aber nicht nur um einen Feiertag, sondern um einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer unabhängigen Republik, die sich dann möglicherweise Serbien anschließen könnte. Mehr als 99 Prozent der Befragten sagten Ja zu dem Feiertag.

Femida Selimova

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6 Kommentare

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  • Es geht immer um das Austarieren von Macht und Befugnissen zwischen verschiedenen Ebenen - kommunal, Landkreis, Region/Bundesland, Staat, Europa u.s.w. In demokratischen Gesellschaften sollte dies soweit möglich sein, dass keiner gezwungen ist, "sich scheiden zu lassen" weil es anders nicht mehr geht, weil die jeweils andere Seite nicht einmal (mehr) zuhört. Das Austarieren mag anstrengend sein und etwas langwieriger. Meiner Meinung nach lohnt es sich aber. Den ewigen Schwenk nach dem Motto: Wenn das Land xy es nicht hinbekommt, muss es Europa schaffen, also eine supranationale Organisation (die nicht einmal besonders demokratisch ist), ist ein Ausweichmanöver, das nichts bringen wird. Zentralismen sind grundsätzlich eher gefährdet, weiten Teilen der Bevölkerung nicht gerecht zu werden.

  • Nur die Berliner tun sich immer noch schwer, eine eigene Identität zu entwickeln - mal abgesehen von großer Klappe und ständigem Rumgenöle.

  • Also wenn ich das mal zusammenfassen darf:

    Kategorie 1: Nationalistische Motive, denn wir wollen einfach mehr so sein wie wir sein wollen (gleichwohl niemand sagt dass die das nicht dürfen.)

    Kategorie 2: Wirtschaftliche Motive; denn wir wollen gern von dem mehr behalten was wir glauben, dass uns zusteht und keinesfalls was abgeben. (besonders entlarvend, da kein Separatistengedanken dieser Kategorie dort zu sehen ist wo es unterdurchschnittlich läuft im Vergleich zum Landesdurchschnitt); da sortiert man sich dann in Kategorie 1 ein, s.o.

     

    Unterdrückte, anektierte, ausgeblutete Regionen ohne Wahlrecht sehe ich nirgends.

     

    Beide Kategorienn also nicht so richtig erotisch für mich.

    • @Tom Farmer:

      Kategorie 1: Was ist falsch daran, wenn Leute so sein wollen, wie sie es eben wollen?

      Kategorie 2: Ja, oft geht es darum, mehr behalten zu wollen, was aber nicht böse heißt alles oder unangemessen viel behalten zu wollen. Und "eine ausgeblutete Region ohne Wahlrecht" gibt es in unserem Umfeld hoffentlich nicht. Bei den Katalanen scheint Spanien den Bogen einfach überspannt zu haben: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/spanien-ist-barcelona-zu-geizig-oder-madrid-zu-gierig-1.3728949

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Solange der soziale Ausgleich auf nationalstaatlicher Ebene passiert, werden sich solche Konflikte wohl eher häufen. Bei der Nationenbildung geht es wohl immer um Identität und daraus generieren sich Repressionsmechanismen.

    In Ostsachsen sind Sorben auch zunehmend Repressionen von Seiten der deutschnationalen Bevölkerung ausgesetzt, obwohl schon zu Zeiten des Herrscherwechsels in Meißen, als "Sachsen" 1423 sächsich wurde, die Bevölkerung zum größten Teil aus Thüringern, Franken und Sorben bestand und der etwa Name Leipzig, sorb. Lipsk vom sorbischen Wort Lipa für Linde abstammt. http://www.sz-online.de/sachsen/junge-sorben-in-angst--2976177.html

     

    Eine Veränderung kann ich mir nur aus einer Staatlichkeit, die nicht auf kultureller Identität beruht, erhoffen.

    Ich bin Anhänger einer europäischen Republik, eines Europas der Regionen. Dort sollte auch der soziale Ausgleich vorgenommen werden. Die modernen Nationalstaaten sind zur Lösung der kleinen Probleme zu groß und für die großen Probleme sind sie zu klein.

    Der EU in ihrer jetzigen Form fehlt es an demokratischer Legitimation, die Kommission setzt z.B. ihre eigenen Richter ein und wird nicht von allen Europäern gleich gewählt, z.B. haben Luxemburger einen wesentlich größeren Einfluss auf die Politik als Bürger anderer Staaten. Das gilt auch für das Parlament, denn auch dort gelten Regeln, die Stimmen aus kleineren Ländern wertvoller machen als diejenigen aus größeren Ländern.

    Regionen sollten dann mit entsprechender Mehrheit auch aus der Europäischen Republik austreten können, allerdings ginge damit auch eine wirtschaftliche Isolierung dieser Region einher. Der Frage der Herauslösung von Regionen aus einem Nationalstaat könnte so die ideologische Schärfe genommen werden und es würde auch ein deutlicher Unterschied zwischen den chauvinistischen Autonomiebestrebungen und den durch kulturelle Repression genährten Autonomiebestrebungen sichtbar. Populistische Querfrontbildungen würden auf diese Weise auch erschwert.

  • ...mich überzeugen diese Tendenzen zur regionalen Abspaltung im Kern nicht. Historisch sind das alte Traditionslinien. Die jüngste Bewegung in Europa rührt aus meiner Wahrnehmung her von dem Zerfall der Sowietunion und der Zerschlagung von Jugoslawiens in den 1990ern. Die politische Administration der Europäischen Union machte und macht bei diesen separatistischen Entwicklungen eine schlechte Figur.

     

    "Brüssel" müsste für jede der betroffenen Regionen zusammen mit der jeweils betroffenen Zentralregierung einen "runden Tisch" bilden, um gemeinsam längerfristig tragfähige Lösungen zu finden. Die Entwicklung in Katalonien ist für ganz Europa ein abschreckendes Beispiel und ein Fanal zugleich...