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Regierungsverhandlungen in IsraelGetrübte Freude

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Oppositionsführer Lapid lockt rechte und linke Parteien in seine Koalition. Am Mittwoch läuft seine Frist aus. Es wäre das Ende Netanjahus.

Yair Lapid hat die besten Chancen, Netanjahus Nachfolge als Regierungschef zu übernehmen Foto: Ronen Zvulun/reuters

S ollte Siedlerführer Naftali Bennett die Abgeordneten seiner Yamina-Partei überzeugen können und tatsächlich einer Regierung mit Yair Lapid von der Zukunftspartei beitreten, dann steht Israel eine der schwierigsten Regierungskadenzen überhaupt bevor, die dennoch Grund zur Freude böte. Es wäre das Aus für Benjamin Netanjahu, der über 12 Jahre in Folge in Jerusalem herrschte. Und es wäre keine erneute, fünfte Wahl nötig.

In die Katerstimmung nach dem jüngsten Krieg und nach den Gewaltausbrüchen auf den Straßen, bei denen jüdische wie arabische Israelis getötet wurden, mischt sich nun die Hoffnung, dass ein politischer Wandel möglich ist. Freilich: Der national-religiöse Politiker Bennett wäre für die ersten zwei Jahre Regierungschef.

Wichtige weitere Ministerposten würden an die Partei, die sich auf deutsch „Nach rechts“ nennt, gehen, wie auch an den früheren Likudpolitiker Gideon Sa'ar, der den noch amtierenden Regierungschef Netanjahu politisch von rechts überholte. Die gute Nachricht ist aber, dass auch linke und sozialdemokratische Parteien in der künftigen Koalition vertreten sein werden, sollte sie denn zustande kommen.

Anders als bisher dürften damit Diskussionen um Annexionen palästinensischer Gebiete der Vergangenheit angehören. Mit einem Mann der Arbeitspartei, der für den Posten des Ministers für Innere Sicherheit vorgesehen ist, lässt sich zudem auf ein baldiges Ende der Gewalt zwischen radikalen jüdischen und arabischen Staatsbürgern hoffen. Wirklich bahnbrechend an der sich herauskristallisierenden Regierungskoalition ist aber die Beteiligung einer arabischen Partei.

Das hat es in der Geschichte Israels bislang nicht gegeben, und es birgt erneut die Hoffnung, dass hier ein konkreter Schritt in Richtung Gleichberechtigung für die palästinensischen Bürger im Staat getan wird. Der Wermutstropfen ist hier wiederum, dass es sich bei dem potenziellen arabischen Regierungspartner um eine konservativ-islamische Partei handelt. Heftige Zerrereien sind schon jetzt absehbar.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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3 Kommentare

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  • Den Bibi mit dem Bennett austreiben - und Meretz macht beteiligt sich an einer Regierung, in der auch Lieberman sitzen wird. Wenn mir das vor ein paar Jahren noch irgendwer erzählt hätte, der nicht professioneller Satiriker ist...

    • @Wurstprofessor:

      Heißt es nicht, dass neue schwere Herausforderungen ganz neuer Antworten bedürfen?



      Das gilt wohl auch für Israel.

  • Ungeachtet der tiefen politischen Gräben, die die israelische Gesellschaft spalten, wünsche ich Lapid und Bennett sowie auch allen anderen Beteiligten viel Erfolg, eine regierungsfähige Mehrheit in der Knesset zustande zu bekommen … freilich darf man nicht zu viel erwarten hinsichtlich eines echten Politikwechsel in Israel, insbesondere was den Kurs gegenüber den Palästinensern betrifft.



    Aber schlimmer als unter Netanyahu kann es auch nicht mehr kommen.



    Und es war in den 70ern ein Premier des nationalkonservativen Likud namens Begin, der zusammen mit dem ägyptischen Präsidenten Sadat und dem damaligen US-Präsident Carter den Annäherungsprozess zwischen Israelis und Arabern begonnen hat.