Regierungskrise in Italien: Draghi soll es richten

Mit dem früheren EZB-Chef an der Regierungsspitze sollen Neuwahlen in Italien verhindert werden. Offen ist jedoch, wie er eine Mehrheit bekommt.

Mario Draghi steht am Rednerpult, hinter ihm Fahnen und gold-verzierte Spiegel

Jetzt soll Mario Draghi ran und damit Neuwahlen verhindern Foto: Alessandra Tarantino/dpa

ROM taz | In Italien ist die Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte am Ende, und jetzt soll Mario Draghi seinen Job übernehmen. Staatspräsident Sergio Mattarella beauftragte den früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch mit der Regierungsbildung. Mattarella will damit der Regierungskrise ein Ende setzen, die am 13. Januar offensichtlich wurde, als die kleine Mittepartei Italia Viva (IV) unter Matteo Renzi ihre zwei Ministerinnen aus dem Kabinett abzog. Draghi steht nun vor der schweren Aufgabe, in dem zerklüfteten Parlament eine Mehrheit zu gewinnen.

Der parteilose Jurist Conte hatte vergangene Woche seinen Rücktritt eingereicht, auch wenn ihm die drei verbliebenen Koalitionspartner – die Anti-Establishment-Bewegung Fünf Sterne (M5S), die gemäßigte linke Partito Democratico (PD) und die kleine radikal linke Liste Liberi e Uguali (LeU – Freie und Gleiche) Treue geschworen hatten. Doch der in den letzten Tagen unternommene Versuch, den Riss mit Renzis Italia Viva zu kitten, scheiterte am Dienstagabend.

Staatspräsident Mattarella hätte in dieser Situation auch umgehend das Parlament auflösen und schnelle Neuwahlen ansetzen können. In einer kurzen Ansprache legte er aber dar, das Land befinde sich in einer äußerst kritischen Situation und die Regierung müsse in den nächsten Monaten den Wiederaufbauplan im Umfang von 209 Milliarden Euro ausarbeiten, der dann von Brüssel genehmigt werden muss. Neuwahlen jedoch hießen, so Mattarella, dass das Land für vier oder gar fünf Monate ohne voll handlungsfähige Regierung dastehe.

Jetzt soll es deshalb Draghi richten, an der Spitze einer Regierung mit „hohem Profil, die jedoch mit keiner politischen Formel zu identifizieren ist“, so der Staatspräsident; also mit einem Technokratenkabinett.

Draghi ist ein Kenner

Und wer wäre besser für einen solchen Auftrag geeignet als Draghi? Der 73-jährige Ökonom, Schüler des überzeugten Keynesianers Federico Caffè, kennt die italienischen und die europäischen Machtapparate. Nach einigen Jahren Lehrtätigkeit an der Uni wurde er 1991 Generaldirektor im italienischen Finanzministerium, das entspricht in etwa dem beamteten Staatssekretär in Deutschland. Es folgte ein vierjähriges Intermezzo bei der Investmentbank Goldman und Sachs, 2005 wird er Chef der Banca d’Italia, der italienischen Notenbank, und dann 2011 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), der er bis 2019 vorstand.

„Super-Mario“ gilt angesichts seines Werdegangs als personifiziertes Stabilitätsversprechen

„Whatever it takes“, was immer es braucht: Dieser Draghi-Satz mitten in der Eurokrise, mit dem er die bedingungslose Verteidigung der Gemeinschaftswährung versprach, wurde berühmt, und vielen gilt Draghi mit seiner Politik des Quantitative Easing, der Aufkäufe von Staatstiteln durch die EZB, als der eigentliche Retter des Euro.

Auf der italienischen wie der europäischen Bühne gilt „Super-Mario“ angesichts dieses Werdegangs als personifiziertes Stabilitätsversprechen: Der Zinsabstand der zehnjährigen italienischen gegenüber den deutschen Staatsanleihen fiel am Mittwoch mit nur noch 1 Prozent auf den tiefsten Stand seit Jahren.

„Apostel der Eliten“

Unter den Koalitionären der bisherigen Regierung ist für Draghi nur die Zustimmung von Italia Viva sicher, die Unterstützung der PD gilt als wahrscheinlich. Sperrfeuer gibt es dagegen schon aus den Reihen der Fünf Sterne. Alessandro Di Battista, Anführer des Fundi-Flügels, erklärte noch am Dienstagabend, Draghi sei „der Apostel der Eliten“, und am Mittwoch verlautete in Rom, der Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo wolle die Bewegung auf ein Nein zu Draghi einschwören.

Risse gehen aber nicht nur durchs bisherige Regierungslager, sondern auch durch die Rechtsopposition. Silvio Berlusconis Forza Italia wird sich wohl für Draghi aussprechen. Bei einem Nein der Fünf Sterne würde Draghi jedoch auch Stimmen von den beiden Parteien der Rechten benötigen, von Matteo Salvinis Lega und von den Rechtsextremen der Fratelli d’Italia (FdI) unter Giorgia Meloni. Meloni ist in den Meinungsumfragen konstant im Aufwind, und gegenwärtig käme FdI auf etwa 15 Prozent, würde am liebsten bei baldigen Neuwahlen die Ernte einfahren. Aber auch die Rolle als rechte Oppositionspartei gegen eine Regierung Draghi wäre für sie mit der Aussicht auf weitere Stimmenzuwächse verbunden.

Salvinis Lega wird sich deshalb sehr genau überlegen, ob sie eine Regierung Draghi stützen kann, ohne Stimmenverluste an die Konkurrenten von FdI zu riskieren. Sollte aber die Lega dennoch ins Regierungsbündnis eintreten, wäre das wiederum kaum für die gemäßigt linke PD zu verdauen, die noch vor wenigen Tagen verkündet hatte, mit „Anti-Europäern“ werde sie nie an die Regierung gehen.

Draghi gab sich am Mittwoch zuversichtlich und erklärte, er setze auf die „Einheit“ unter Italiens Parteien. Die wird er nicht bekommen; er muss schon zufrieden sein, wenn es für eine Mehrheit reicht. Ansonsten drohen dann doch die schnellen Neuwahlen, die mit seiner Ernennung eigentlich verhindert werden sollen.

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