Regierungschefs Ungarns und Österreichs: Gemeinsames Feindbild Migration
In Wien verteidigt Ungarns Regierungschef umstrittene Äußerungen: Es sei nicht rassistisch, weil er nicht biologisch, sondern kulturell argumentiere.

„Wir sind an der Südgrenze Ihre Burghauptmänner“, zog Orbán Parallelen zum mittelalterlichen Mongolensturm: „Wenn wir die Grenzen nicht schützten, würden illegale Migranten zu Hunderttausenden bei Ihnen eintreffen.“
Die Polizeikooperation zwischen den beiden Ländern funktioniere gut, sei aber nicht genug. Vereinbart haben die beiden Regierungschefs daher eine Konferenz mit Serbien, deren Zweck es sei, die Migration noch weiter südlich zu stoppen. „Es ist wichtig, dass Serbien seine Grenzen verteidigen kann – je weiter südlich, desto besser“, so Orbán.
Dutzende Presseleute, die den Saal im Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz füllten, wollten aber nicht über neue Abwehrpläne gegen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten informiert werden, sondern hören wie Nehammer auf die jüngsten Ausfälle seines ungarischen Amtskollegen reagierte.
Orbán sieht seine jüngsten Äußerungen nicht als rassistisch
Vergangenen Samstag hatte Orbán im rumänischen Kurort Băile Tușnad rassenhygienische Parolen ausgegeben: „Es gibt Orte, wo sich Völker aus Europa und Völker von außerhalb Europas mischen, und Orte, wo sich europäische Völker untereinander mischen, wie in den Karpaten.“
Im Westen Europas habe man da Grenzen überschritten, die Ungarn nicht überschreiten wolle, so Orbán: „Wir sind keine gemischte Rasse, und das wollen wir auch gar nicht sein.“
Das war selbst einer seiner engsten Mitarbeiterinnen zu viel. Zsuzsanna Hegdüs, Beraterin für Verbesserungen des Lebens bedürftiger Ungarn, erklärte in einem offenen Brief an ihren Chef ihren Rücktritt. Solchen „Nazi-Sprech“ könne sie nicht akzeptieren.
Orbán war natürlich darauf vorbereitet, in Wien mit seiner Rede konfrontiert zu werden. Nehammer ging zwar nicht direkt auf diese Rede und einen geschmacklosen Witz seines Gastes über deutsche Gaskammern ein, verwies aber auf die besondere Verantwortung Österreichs angesichts der eigenen Geschichte.
Verharmlosung von Rassismus oder Antisemitismus seien auf das Schärfste zurückzuweisen, so der Kanzler. Diese sensiblen Fragen seien „in aller Freundschaft, Offenheit und Klarheit“ besprochen und aufgelöst worden.
Orban: Ungarn führt bei Bekämpfung von Rassismus
Orbán selbst klärte auf, dass seine Warnung keineswegs „rassistisch“ gewesen sei, weil er nicht biologisch argumentiere, sondern kulturell. Ungarn und vor allem seine Regierung seien „Spitzenreiter“ in der Bekämpfung von Rassismus.
Auch sein Ausscheren aus der europäischen Energiesolidarität durch Sonderabkommen mit Russland verteidigte er. Die Sanktionsstrategie der EU gegen Russland führe zu Kriegswirtschaft und Rezession. Die von der EU für den Ernstfall angestrebte vorgeschriebene Rationierung von Erdgas „ist das erste Zeichen einer Kriegswirtschaft“, sagte Orbán.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!