Regierungsbildung in Berlin: Der einsame Kai kriegt Gesellschaft
Auch die CDU von Kai Wegner stimmt für Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Dafür macht Wegner große inhaltliche Zugeständnisse.
Der 50-jährige Wegner ist damit auf dem Weg, erster CDU-Regierungschef seit Eberhard Diepgen zu werden, der 2001 in der Berliner Bankaffäre aus dem Amt schied. Seither regierte die CDU nur einmal mit: als Juniorpartner in der rot-schwarzen Koalition von 2011 bis 2016. Im Wahlkampf war Wegner aufgrund mutmaßlich fehlender Regierungspartner noch als “einsamer Kai“ bezeichnet worden, vor allem von der SPD.
Die Rückkehr zur Macht und ins Rote Rathaus lassen sich die Christdemokraten Einiges kosten. Laut einer von der SPD geschriebenen Zusammenfassung der drei voran gegangenen Sondierungsgespräche gibt die CDU ihren vorigen Widerstand unter anderem in drei zentralen Punkten auf: beim Thema Enteignung großer Wohnungseigentümer, beim Landesantidiskriminierungsgesetz und bei der Absenkung des Wahlalters zum Abgeordnetenhaus auf 16. Alle drei Punkte hatten die Christdemokraten zuvor teils über viele Jahre entschieden abgelehnt.
Damit bei seiner Pressekonferenz am Donnerstagabend durch eine Journalistenfrage konfrontiert, sagte Wegner: „In einer Koalition wird man nie 100 Prozent durchsetzen.“ Er wolle auch nicht Bürgermeister einer Partei, sondern der Berliner sein. Gleichzeitig kündigte er an, „auch mit den demokratischen Oppositionsparteien zusammen zu arbeiten“ – sie braucht er für nötige Verfassungsänderungen bei einer angestrebten Verwaltungsreform. Die sind nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament möglich, über die Schwarz-Rot nicht verfügt.
Zum Thema Enteignung sagte er zwar: „Ich halte weiter Enteignung für den falschen Weg.“ Er brachte aber zum Ausdruck, dem Volksentscheid vom 26. September 2021 gerecht werden zu wollen. Vor der Abgeordnetenhauswahl am 12. Februar hatte Wegner noch angekündigt, das Thema Enteignung nach der Wahl sofort abzuräumen.
Auf eine nachhakende Frage, wie sich bei derart vielen Zugeständnissen an den mutmaßlichen Koalitionspartner SPD abbildet, dass die CDU bei der Wahl deutlich stärker abgeschnitten hat, sagte Wegner: „Hier geht es nicht darum, tagtäglich zu zeigen, wer der Bessere ist.“ Bei der Wahl hatte die CDU auf 28,2 Prozent zugelegt, die SPD war auf 18,4 Prozent abgesackt, ihr schlechtestes Berliner Ergebnis seit dem 2. Weltkrieg.
Überraschend schnell zur SPD geschwenkt
Vor der Wahl hatte Wegner kaum verhüllt eine Koalition mit den Grünen angestrebt, auf die er schon seit Jahren hingearbeitet hatte. Noch Anfang Februar hatte er Schwarz-Grün gegenüber der taz als „meine Traumkoalition“ bezeichnet. Dass er diese Option nun aufgab und sich so schnell auf die noch während der letzten Sondierung mit den Grünen durchgesickerte SPD-Offerte einließ, überraschte.
Wegner rechtfertigte das am Donnerstagabend mit „deutlich mehr Schnittmengen mit den Sozialdemokraten“. Der CDU-Vorsitzende und designierte Regierungschef sprach zwar vom vielen neuen Vertrauen zwischen seiner Partei und den Grünen und bedankte sich ausdrücklich bei der künftigen Oppositionspartei dafür. Er betonte aber die Notwendigkeit von „verlässlicher Regierungsarbeit und das es nun darum gehe, „dass wir schnell zu Ergebnissen kommen“.
Wegner war sichtlich an einer raschen Regierungsbildung unter seiner Führung interessiert. Die Grünen-Verhandler hatten ihm bei den Sondierungen offenbar nicht zusichern können, dass ihr links dominierter Landesverband – ob bei einem Parteitag oder einer Mitgliederbefragung – einer schwarz-grünen Koalition zustimmen würde.
Bei der SPD hatte es am Mittwochabend im Landesvorstand zwar teils heftige Kritik, aber letztlich eine deutliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU gegeben. Die Grünen hatten erst am nächsten Dienstag bei einem kleinen Parteitag eine Entscheidung treffen wollen. Wie als Ziel von Schwarz-Rot gab Wegner aus: „Wir wollen nicht, dass Berlin sich tagtäglich neu erfindet, sondern dass die Basics funktionieren.“
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