Regierung plant Identitätsnummer: Eine Ziffer fürs Leben
Die Bundesregierung plant eine einheitliche Identitätsnummer für jeden Bürger. Datenschützer sind skeptisch.
![Reisende in der Haupthalle eines Bahnhofes Reisende in der Haupthalle eines Bahnhofes](https://taz.de/picture/4598361/14/26563868-1.jpeg)
Künftig soll jeder Mensch mit einer einheitlichen dauerhaften elfstelligen Ziffer identifiziert werden. Das sieht der Entwurf der Bundesregierung für ein Registermodernisierungsgesetz vor. Als Identifikationsnummer soll die bereits 2003 von Rot-Grün beschlossenen Steuer-ID genutzt werden.
Die Bundesregierung präsentiert die Katalogisierung der Bürger als notwendigen Schritt für eine bürgerfreundliche Verwaltung. Sie verweist auf das bereits 2017 beschlossene Onlinezugangsgesetz. Es sieht vor, dass bis Ende 2022 fast 600 staatliche Dienstleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden im Internet abgewickelt werden können. So sollen Wohngeld, Bafög, Führerschein und Baugenehmigungen online beantragt werden können. Wichtig sei aber, die Bürger eindeutig zu identifizieren.
Dabei sollen die Bürger beim digitalen Kontakt mit der Verwaltung nicht immer wieder die gleichen Daten angeben müssen – obwohl sie bei einer anderen Stelle in der Verwaltung bereits bekannt sind. Grundlegende Dokumente wie eine Geburtsurkunde sollen nicht immer wieder neu vorgelegt werden müssen. Stattdessen sollen 66 staatliche Register – vom Melderegister über das Passregister bis zum Insolvenzregister – mit der einheitlichen Identitätsnummer verknüpft werden.
„Datencockpit“ geplant
Die Steuer-ID sei als allgemeine Personenkennziffer gut geeignet, so das Innenministerium, weil sie schon vorhanden ist. Sie sei auch datenschutzfreundlich, weil die elf Ziffern an sich keine Informationen enthalten. Die Zusammenführung aller Behördendaten zu einem Persönlichkeitsprofil sei weiterhin verboten.
Historisch hat die Vergabe von Ziffern an Personen in Deutschland einen schlechten Ruf. Manche erinnert sie an die Häftlingsnummern in den Nazi-KZs, andere an die „Personenkennzahl“ der DDR. 1976 musste der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher seinen Versuch, eine Personenkennziffer in Westdeutschland einzuführen, wegen verfassungsrechtlicher Bedenken aufgeben. 1983 erklärte das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil nebenbei auch die Einführung von einheitlichen Personenkennziffern für „unzulässig“.
Die Bundesregierung verweist dagegen auf die anderen EU-Staaten, die fast alle eine einheitliche Kennziffer für ihre BürgerInnen nutzen. Das Bundesverfassungsgericht sei auch missverstanden worden, es habe nicht die Kennziffer verbieten wollen, sondern die Bildung von Persönlichkeitsprofilen.
Ulrich Kelber, der Bundesdatenschutzbeauftragte, lehnte die Pläne der Bundesregierung Mitte Dezember bei einer Anhörung im Bundestag dennoch ab. Die Modernisierung der Verwaltung sei auch ohne einheitliche Personenziffer möglich.
Um Datenschützer zu besänftigen, soll im Registermodernisierungsgesetz immerhin ein „Datencockpit“ eingeführt werden. Dort sollen alle BürgerInnen künftig digital nachvollziehen können, welche Behörde zu welchem Zeitpunkt aus welchem Grund auf welche ihrer Daten zugegriffen hat.
Die Beschlussfassung des Gesetzes soll im Bundestag in den kommenden Wochen erfolgen.
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