Reformempfehlungen der EU-Kommission: Die Deutschen sind zu sparsam
Brüssel möchte, dass Deutschland mehr investiert und mehr Wettbewerb zulässt. Außerdem sollen die Bürger länger arbeiten.
BERLIN taz | Die EU-Kommission rät der deutschen Bundesregierung zu mehr Investionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung. Gleichzeitig soll die Regierung mehr Anreize für einen späteren Renteneintritt und mehr Wettbewerb bei Dienstleistungen schaffen.
Diese drei freundlichen Ratschläge aus Brüssel sind Teil der Empfehlungen, die die Kommission für 26 Länder vorgelegt hat, damit diese ihre wirtschaftspolitischen Maßnahmen besser aufeinander abstimmen. „Wir wollen Deutschland nicht kritisieren“, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici am Montag in Berlin. Die Vorschläge seien als Anregungen gedacht. Die spätere Rente soll zu einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge führen. Im Dienstleistungssektor wünscht sich die Kommission mehr Wettbewerb auf der Schiene, vor allem im Personenfernverkehr.
Für gewöhnlich fordert die Kommission Länder auf, Ausgaben zu senken. Doch damit übertreibt es Deutschland selbst aus Sicht der Kommission. Sie fordert, dass die Bundesrepublik wenigstens die Spielräume nutzt, die der Bundeshaushalt zulässt. Damit soll auch ein Gegengewicht zum gewaltigen deutschen Exportüberschuss gebildet werden.
Der Koalitionsvertrag von SPD und Union sieht 23 Milliarden Euro an Investitionen vor. Außerdem sind zwei weitere Programme mit einem Volumen von rund 14 Milliarden unter anderem für klamme Kommunen unterwegs. „Wir begrüßen die Pläne für mehr Investitionen“, sagte Moscovici. Aber die Kommission glaubt nicht, dass damit der Investitionsstau aufgelöst wird. Die Ausgaben für Forschung und Bildung liegen in Deutschland unter dem EU-Schnitt.
Mit Blick auf die Verhandlungen mit Griechenland mahnte Moscovici eine rasche Einigung an. „Die Zeit für eine Lösung ist begrenzt“, sagte er in Anspielung auf das im Juni auslaufende Programm für Griechenland. Eine Einigung sei möglich, betonte er. In den Gesprächen zwischen Griechenland und der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds seien in den letzten zwei Wochen substanzielle Fortschritte erzielt worden, etwa in Bezug auf eine Verwaltungsreform und zur Mehrwertsteuer. Wichtige Punkte wie die Reform des Arbeitsmarktes und des Rentensystems seien aber noch offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch