piwik no script img

Reform des SexualstrafrechtsIst das nun der Durchbruch?

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Jetzt sind auch die Koalitionsspitzen für das Prinzip „Nein heißt Nein“. Versprochen wurde es schon oft – und war doch nicht ernstgemeint.

Findet „Nein heißt Nein“ jetzt auch gut: Unionsfraktionschef Volker Kauder Foto: dpa

E ndlich haben sich am Wochenende auch die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD für einen umfassenden Schutz der sexuellen Selbstbestimmung ausgesprochen. Volker Kauder und Thomas Oppermann haben sich nach den Debatten der letzten Wochen zum Prinzip „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht bekannt.

Das ist ein großer Erfolg der Frauenbewegung, mit dem noch vor einem halben Jahr nicht zu rechnen war. Damals blockierte das Kanzleramt sogar den halbherzigen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas. Doch noch steht der Erfolg nur in der Zeitung, nicht aber im Gesetzblatt. Erst wenn die Koalition den Entwurf von Minister Maas wirklich konsequent nachbessert, hatten die Proteste der Frauen Erfolg.

Nach dem bisherigen Verlauf der Debatte ist auch eine Finte zur Beruhigung der Öffentlichkeit nicht auszuschließen. Schon nach den Kölner Vorfällen hat sich die CDU-Spitze in ihrer „Mainzer Erklärung“ zum Prinzip „nein heißt nein“ bekannt. Doch am Tag danach sagte der zuständige Fraktions-Vize Thomas Strobl, das sei nicht wörtlich zu verstehen, man habe nur eine „griffige Formulierung“ gesucht.

Auch der SPD kann man nur bedingt über den Weg trauen. Um ihren Justizminister vor Kritik zu schützen, wird immer wieder behauptet, sein Gesetzentwurf setze das Prinzip „Nein heißt Nein“ bereits um. Erst am letzte Donnerstag stellte der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, im Bundestag unverfroren diese eindeutig falsche Behauptung auf.

Die dritte Gefahr ist, dass „Nein heißt Nein“ nur als Grundregel verankert wird, von der es dann Ausnahmen gibt, um Beweisprobleme zu vermeiden. So hat etwa der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann jüngst argumentiert. Wer aber nur das bestrafen will, was sich stets gut beweisen lässt, kann das Sexualstrafrecht gleich abschaffen. Gegen falsche Beschuldigungen schützt nach wie vor der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“. Und mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen kann das Opfer leichter leben als mit der Auskunft, dass ein strafwürdiger Übergriff gar nicht strafbar war.

Letztlich geht es hier um eine Wertentscheidung des Strafrechts, dass die sexuelle Selbstbestimmung generell und nicht nur in bestimmten Konstellationen geschützt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Nein heißt Nein"

     

    Das ist das eine fremdenfeindliche, rassistische Gesetzesvorlage, die nur zu unzähligen Prozessen führt und deshalb am Ende doch wieder abgeschafft werden muss.

     

    Schon das Verbot der Vergewaltigung der eigenen Ehefrau geht deutlich zu weit.

     

    Vielleicht sollte man stattdessen das Einführen von Fingern in Mund, Po und Vagina nicht länger als Vergewaltigung werten, wenn die Frau körperbetonte Kleidung trägt. Dann sinkt endlich die Zahl der Vergewaltigungen in Deutschland.

     

    Dieser Beitrag könnte Spuren von Ironie beinhalten.

  • Sexuelle Gewalt ist im Wesentlichen auch eine Sache des Blickwinkels, denn präzise analysiert kann aufgrund der unendlichen Möglichkeiten der Varianten und Bereichsübertragungen so ziemlich alles sexuell motiviert sein, muß es aber nicht. Mit bedacht werden sollten dabei auch diverse Formen und Unterformen des Fetischismus, der - wenn man es so betrachten will - sogar öffentlich ausgelebte und von Gerichten ausdrücklich gebilligte sexuelle Gewalt sein kann. Beispiel: Ein Arbeitgeber zwingt sein Personal, z. T. lächerliche „Firmenkleidung“ zu tragen, oder aus finanzieller Notlage heraus in einen „spezielle“ Job gezwungen Personen werden für Werbezwecke in lächerlichen Kostümen zur Schau gestellt. Auch verwirklichte Machtgelüste können (ausreichend vielschichtig modifiziert) völlig frei von sichtbarer sexueller Motivation dennoch aus den Abgründen des Unbewußten heraus einen sexuellen Ursprung haben.

    Weil eine brauchbare Abgrenzung gar nicht möglich ist, bedeutet das Reduzieren allein auf sichtbare sexuelle Aspekte in der Rückkoppelung lediglich ein weiteres Legitimieren einer Unmenge anderer Erscheinungsformen der Ersatzbefriedigung.

  • Typische Szenarien werden hier https://www.re-empowerment.de/haeusliche-gewalt/gewaltformen/sexuelle-gewalt/ und hier http://www.independent.co.uk/voices/commentators/michele-elliott-women-can-be-child-abusers-too-1796374.html beschrieben.

     

    Wo und wann fängt die strafbare Handlung an?

     

    Es wäre gut, wenn die Reform dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung Vorrang gibt. Das gäbe auch ein wichtiges gesellschaftliches Signal. Bedenklich stimmt mich, dass in der Debatte immer nur Männer als Täter, aber Frauen, Kinder und Behinderte als Opfer auftauchen. Wenn bei den wenigen Fällen, die überhaupt offenbart werden, die Täter in der Mehrzahl männlich sind, sagt das lediglich etwas über das Anzeige- und Meldeverhalten aus. Wenig über Realitäten. Was es für Männer bedeutet, sich als Opfer von Missbrauch bzw. sexueller Gewalt zu erkennen zu geben, haben wir ab 2010, beim Beginn des "Missbrauchtsunami" erlebt. Da ging es in der Mehrzahl aber um männliche Täter. Sich als Opfer einer Frau zu erkennen zu geben, ist für männliche Betroffene oft unvorstellbar. Zu groß wäre die Angst vor Häme und Verachtung durch die Umgebung. Wir folgen leider immer noch Opfer- und Tätermythen. Die sind kulturell fest verankert und nur sehr langsam aufzulösen.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden