Reform des EU-Stabilitätspakts: Doch keine „Atombombe“
Die EU-Kommission schlägt minimale Änderungen am Euro-Stabilitätspakt vor. Mit monatelanger Verzögerung hat Brüssel die Reform am Mittwoch vorgelegt.
Von der erhofften großen Reform bleibt im Kommissionsvorschlag nicht viel übrig. An den im Maastricht-Vertrag von 1992 verankerten Grundregeln – die Neuverschuldung wird auf 3 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt, der Schuldenstand auf 60 Prozent – wird weiter nicht gerüttelt.
Neu ist, dass eine Regel zum Schuldenabbau wegfällt. Sie sah vor, dass klamme Länder wie Italien oder Griechenland den Schuldenstand binnen zwanzig Jahren auf 60 Prozent senken müssen. Diese Regel wurde allerdings nie eingehalten, denn dies wäre nur mit harten Kürzungen und utopischen Budgetüberschüssen möglich.
An ihre Stelle sollen nun individuelle „Pfade“ zum Abbau der Schulden rücken, die Brüssel mit den Problemländern vereinbart. Diese sollen künftig vier Jahre Zeit erhalten, um einen nachhaltigen Schuldenabbau einzuleiten. Diese Frist kann auf sieben Jahre verlängert werden, wenn die Regierung sich den Brüsseler Vorgaben fügt.
Deutschland muss nichts befürchten
Die Kommission schlägt zudem vor, Verstöße konsequenter zu ahnden. Schon kleine Abweichungen vom Entschuldungspfad sollen bestraft werden. Allerdings soll es keine „Atombombe“ mehr geben – also sehr hohe Geldstrafen – sondern „smarte Sanktionen“, so ein EU-Beamter. Man werde sich an den Millionenstrafen bei Vertragsverletzungen zum Beispiel gegen Umweltrecht orientieren, hieß es.
Kaum Änderungen gibt es bei wirtschaftlichen Ungleichgewichten, wie sie Deutschland wegen seines Leistungsbilanzüberschusses seit Jahren aufweist. Man plane „keine Revolution“, sagte der EU-Beamte. Allerdings wolle man künftig mehr die Gesamtlage betrachten und weniger einzelne Länder. Deutschland muss also nichts befürchten.
Der EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis schlägt eine „Blaupause für eine einfachere und effizientere ökonomische Governance“ vor. Die Kommission wolle sowohl „das Wachstum fördern als auch die Schuldentragfähigkeit sichern“, erklärte sein Kollege Paolo Gentiloni, „Ziele, die sich miteinander ergänzen“.
Im Europaparlament stießen die Vorschläge auf ein geteiltes Echo. Die Kommission erkenne zwar an, dass ein „massiver Investitionsbedarf“ bestehe, so der wirtschaftspolitische Sprecher der Europa-SPD, Joachim Schuster. „Sie gibt allerdings keine Antwort auf die Frage, wie diese dringend notwendigen Investitionen finanziert werden sollen.“
Der CSU-Politiker Markus Ferber warf der Kommission „Scheitern“ vor: Brüssel habe die Regeln nie konsequent durchgesetzt. Zudem schaffe Berlin mit dem neuen Schattenhaushalt von 200 Milliarden Euro für den „Doppelwumms“ einen „problematischen Präzedenzfall“. Die Vorschläge müssen vom Parlament und den 27 EU-Staaten angenommen werden. Bis zum Frühjahr 2023 wird eine Einigung angestrebt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links