Reform der Öffentlich-Rechtlichen: Beschlossen, nichts zu beschließen
Die Länderchef*innen einigen sich auf eine Zukunft der gebührenfinanzierten Sendeanstalten. Aber nur, weil wichtige Entscheidungen vertagt wurden.
Am Abend zuvor wollte niemand bei den Münchner Medientagen wetten, ob am nächsten Morgen in Leipzig die Länderchef*innen sich noch zu einem Reformpaket für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusammenraufen würden. Doch mit rund einstündiger Verspätung präsentierte dann ein etwas müde wirkender Alexander Schweitzer den Kompromiss.
Der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder. Und der Kompromiss hatte auch viel damit zu tun, dass die Damen und Herrn Länderchef einfach den ganz großen Zankapfel vertagt haben: Über den Beitrag, ob er steigt und wie er künftig festgelegt wird, soll erst die Ministerpräsident*innenkonferenz im Dezember entscheiden.
Beschlossen ist nun erst einmal dies: Mehrere Spartenkanäle von ARD und ZDF sollen wegfallen, „wir haben aber nicht die Fusion von 3sat und Arte beschlossen“, sagte Schweitzer. Arte soll sich aber perspektivisch von einem deutsch-französischen Kulturkanal zu einer europäischen Kulturplattform mausern. Und in der könnten „perspektivisch auch 3sat-Inhalte stattfinden“, sagte Schweitzer.
Bei den Angeboten für Menschen unter 50 bleiben der Kinderkanal (KiKA) und funk, wie sie sind. Doch wie schon länger bekannt, sollen sich ZDFneo und der ARD-Kanal One „Gedanken über eine Zusammenarbeit“ machen. Was dabei herauskommen soll, machte Schweitzer auch gleich mit der Anmerkung deutlich, er gehe von einer Lösung aus, mit der er auch aus rheinland-pfälzischer Sicht gut leben könne.
Das ZDF mit ZDFneo sitzt in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz, One beim WDR in Köln. Bei den diversen Kanälen im Bereich Nachrichten, Bildung und Information müssen ARD und ZDF auf zwei Angebote abspecken. Dass das in Politiker*innenkreisen höchst beliebte Phoenix eines der beiden sein dürfte, gilt als ausgemacht.
Für die 17 ARD-Hörfunkprogramme, die wegfallen sollen, galt auch bei der Pressekonferenz am Freitag das übliche Radioschicksal. Sie waren nicht wirklich Thema. Zugelangt haben die Länder aber auch bei den Sportrechten: Die Höhe der Ausgaben für Sport wollen die Länder auf fünf Prozent der Gesamtausgaben von ARD und ZDF begrenzen.
Hier besteht noch Ungewissheit, ob damit wirklich die Gesamtausgaben oder die Aufwendungen fürs Programm gemeint sind. Eine kleine Kehrtwende gab es beim beliebten Streitpunkt, wer was darf im Internet.
Bei der „Presseähnlichkeit“, die für öffentlich-rechtliche Textangebote im Netz grundsätzlich ja tabu sein soll, ist nicht länger genauso unbestimmt und rechtlich schwer zu fassen „Sendungsbezug“ die Rede. Nun gibt es eine zwölf Punkte umfassende Positivliste, die die Anstalten aber auch nicht wirklich glücklich machen dürfte. Zulässig sind demnach unter anderem Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen inklusive laufender Berichterstattung, Faktenchecks, Angebote zur Barrierefreiheit und solche mit Informationen über den Sender und sein Programm.
Trotz ihrer offiziellen Abkopplung hing die Frage nach dem Rundfunkbeitrag dabei natürlich weiter schwer über der Versammlung und rief bei der Pressekonferenz auch die meisten Fragen hervor. „Wir haben beschlossen, dass wir heute nichts beschließen“, hatte Schweitzer angemerkt und dann wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer Zuversicht verströmt. „Wir sind nah an einer Lösung. Ich bin optimistisch, dass wir spätestens im Dezember alle diese Fragen werden beantworten können“, sagte Schweitzer. Und Kretschmer sekundierte, man sei sich im Länderkreise im Prinzip sogar schon einig, wie die Beitragsfestsetzung künftig erfolgen solle, aber es „sei rechtlich kompliziert“.
Denn ein Systemwechsel soll her, bei dem die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) und die Landtage weiter eine Rolle spielen und die Staatsferne gewahrt sei. Gleichzeitig soll dieser Systemwechsel „die politische Temperatur“ bei der Diskussion um den Beitrag „herunterfahren“, wie Schweitzer formulierte.
Wie das konkret gehen soll, darf jetzt die Rundfunkkommission der Länder austüfteln. „Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben sich auch auf einen Systemwechsel zu einem neuen Finanzierungsmodell verständigt, hierzu bitten sie die Rundfunkkommission bis zu ihrer Konferenz im Dezember noch rechtliche Fragen und mögliche Optionen zu prüfen und einen Vorschlag zu unterbreiten“, teilte die Rundfunkkommission am Freitagnachmittag in eigener Sache mit.
In einer früheren Version dieses Textes hieß es, dass ZDFneo beim WDR in Köln sitzen würde. Das ist falsch. ZDFneo sitzt beim ZDF in Mainz, in Köln beim WDR sitzt One.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin