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Referendum in KatalonienMillionen Stimmzettel eingesackt

Vor der geplanten Abstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens hat die Polizei 2,5 Millionen Stimmzettel beschlagnahmt. Auch Wahlurnen wurden konfisziert.

Bleiben hartnäckig: Demo am Donnerstag in Barcelona Foto: dpa

Barcelona dpa/afp | Die spanische Polizei hat am Donnerstag 2,5 Millionen Stimmzettel für das geplante Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien beschlagnahmt. Nach Polizeiangaben wurden außerdem vier Millionen Briefumschläge konfisziert. In einer Lagerhalle in der katalanischen Stadt Igualada wurden erstmals auch 100 Wahlurnen beschlagnahmt. Die Firma, bei der die Urnen beschlagnahmt wurden, erklärte laut Polizei, diese seien für eine Wahl beim Fußballverein FC Barcelona gedacht.

Die katalanische Regionalregierung in Barcelona will den Volksentscheid über die Unabhängigkeit von Spanien am kommenden Sonntag gegen den Willen der Zentralregierung und ungeachtet eines Verbots des spanischen Verfassungsgerichts abhalten. Dafür will sie wie bei den vorherigen Regionalwahlen 2.700 Wahllokale einrichten.

Am Donnerstag hatten Tausende Studenten und auch der Fußballstar Gerard Piqué die Abstimmung unterstützt. Die Studenten versammelten sich im Zentrum der Regionalhauptstadt Barcelona. Medien schätzten die Zahl der Teilnehmer auf mehr als 15.000. „Votarem, votarem!“ (Wir werden abstimmen), skandierten die Demonstranten.

„Votarem“, postete auch Piqué am Donnerstag auf Twitter. Der Nationalspieler vom FC Barcelona rief die Separatisten dazu auf, sich in den nächsten Tagen und bei der Abstimmung am Sonntag „friedlich auszudrücken“.

Dutzende Razzien

Zur Verhinderung der Abstimmung hat Madrid rund 4.000 Sicherheitskräfte nach Katalonien geschickt. „Geben wir ihnen keine Entschuldigung. Das ist nämlich das, was sie wollen“, twitterte Piqué. „Und lasst uns alle sehr laut und sehr kräftig singen“, forderte der 30 Jahre alte Spanier auf Katalanisch.

Niemand kann sagen, was am Sonntag in Katalonien passieren wird. Ministerpräsident Mariano Rajoy versicherte mehrfach, das Referendum werde nicht stattfinden. Mit vielen Aktionen versuchen Madrid und die Justiz, die Befragung zu verhindern. Bei Dutzenden Razzien beschlagnahmte die staatliche Polizeieinheit Guardia Civil rund zehn Millionen Wahlzettel und 1,5 Millionen Wahlplakate.

14 separatistische Politiker und Beamte wurden zudem unter Gewahrsam genommen. Die katalanische Polizei Mossos d'Esquadra wird vorläufig dem Innenministerium in Madrid unterstellt und soll auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft dafür sorgen, dass die Wahllokale nicht geöffnet werden. Aus Protest gegen diese Aktionen gehen seit Tagen Tausende Menschen in Katalonien auf die Straßen. Der katalanische Innenminister Joaquim Forn bekräftigte am Donnerstag, die Abstimmung werde trotz allem durchgeführt werden.

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27 Kommentare

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  • Die spanische Bevormundung dauert eh nur noch 48 Stunden.

    Hoffentlich geht's bald auch im Baskenland los.

    Francos Nachfolgeparteichef Rajoy sollte langsam wissen, dass er ausgespielt hat.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Für eine Debatte über Verfassungsrecht ist es leider zu spät, Rajoy und auch Sanchez haben den Karren zu sehr in den Dreck gefahren. Ich persönlich bin fûr ein einheitliches demokratisches und...republikanisches Spanien, wofür rund die Hälfte der Spanier stehen, denn die Monarchie wurde ihnen von Franco posthum aufgezwungen und bei der Abstimmung 1978 hatten die Spanier eben nur die Wahl der konstitutionellen Monarchie...die kastellianisch ist und den sogenannten Randvölkern, d.h. den nicht kastellanischen Völkern eine Regierungsform aufzwingt, die sie mehrheitlich gar nicht wollen. Spanien hat es nie geschafft eine einheitliche spanische Nation zu werden und der Hauptgrund ist für viele die Monarchie.. Die Katalonier werden sich nach dieser Schmierenkomödie von Rajoy und Konsorten wohl mit oder ohne Referendum am Sonntag endgültig von Spanien verabschieden. Das müssen auch die zur Kenntnis nehmen, die in billiger Anspielung auf Musils Kakanien, den Namen Kataloniens mit rassistischer Fekaliensprache verballhornen. Katalonien ist trotz oder gerade wegen seiner Unabhängigkeitsbestrebungen die weltoffenste Region der iberischen Halbinsel.

    • @82236 (Profil gelöscht):

      1978 haben die Katalonen bei einer hohen Wahlbeteiligung mit ca. 90 Prozent für eben diese Verfassung gestimmt. Aufgezwungen sieht anders aus.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @DiMa:

        1978 hatten die Spanier nur die Wahl der konstitutionellen Monarchie, das hatte Franco so gewollt, um eine 3.Republik zu verhindern. Monarchie heisst aber auch kastillanische Domination und Republik bedeutet alle Völker sind gleichberechtigt und der Präsident kann z.B. ein Baske sein, der König aber wird immer ein kastillanischer Bourbon sein.

        1978 wollten die Spanier in erster Linie weg von der Diktatur und die konstitutionelle Monarchie war der einzige Weg, der ihnen offen stand, deshalb haben sie ihn gewählt. Oder wie erklären Sie Sichuan, dass heute die meisten Spanier eine Verfassungsreform und eine Republik wollen, da das Königshaus durch diverse Affären und Korruption an Glaubwürdigkeit verloren hat.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Nationallstaat ist oldschool.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...wer braucht schon Wahlurnen, oder Wahlzettel.

    Hier macht sich meiner Meinung nach nicht nur die spanische Regierung in Madrid lächerlich, nein, auch die EU zeigt hier mal wieder ihr wahres Gesicht.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Die EU hat damit nix zu tun.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Die EU darf sich nicht in die Innenpolitik ihrer Mitglieder einmischen.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @81331 (Profil gelöscht):

      Genau. Und wer braucht demokratisch korrekte Abläufe oder Gesetze oder Verfassungen oder Gercihte ? Is eh ois wurscht, mia san mia, gell ?

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Die einen wollen vollendete Tatsachen schaffen. Die Anderen den status quo beibehalten. Letzteres bedeutet keine vollendeten Tatsachen.

    Ergo: Kein Referendum.

    Denn das Kind mit dem Bade ausschütten (weil Autonomievorstellungen nicht oder nicht ganz umgesetzt werden, gleich völlige Loslösung) ist die schlechteste Lösung.

    By the way: Wer abends bis nachts ein Referendumsgesetz ohne Aussprache im Parlament durchpeitscht und das auch noch in Abwesenheit von vielen Parlamentariern, denen diese Hauruck-Aktion gegen den Strich ging, muss sich schon fragen lassen was für ein Demokratieverständnis dem innewohnt.

    Antwort: Gar keins.

    Und so ist es leider immer bei Nationalisten und Chauvinisten, die keine Argumente haben für ihr Vorgehen. Außer ihre Gesänge, ihre Fahnen und ihr tiefes Gefühl, besser zu sein als die Nachbarn.

    Was den "stolzen" Fussballmilliuonär Pique angeht.

    Dieser trat 89 mal für Spanien in der Fussballnationalmannschaft an und wurde mit ihr Welt- und Europameister. Hat er die Hymne Spaniens jemals verweigert ?

    Und warum trat er nur vier Mal für die katalanische Auswahl an ?

    Schanuze halten und schämen, ein wahrer Katalane macht so was nicht, das ist Hochverrat !

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Wie kann man die Hymne Spaniens verweigern, die hat keine Text...

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Sie meinen, eine Hymne sei keine ohne Text ?

         

        Als echter Kakaphonier, der zu sein Pique vorgibt, hätte er sich nicht in eine Reihe mit seinen Mitspielern stellen und der Hymne seiner Feinde und Unterdrücker die Ehre erweisen dürfen.

        Ekelerregend ist Oppotunismus eh, aber Umfallen vom Opportunismus ist noch widerwärtiger ...

        Und hat der Pique die Prämien ausgeschlagen vom Erzfeind ?

  • Die Katalanen haben bereits abgestimmt. 1978 haben bei einer Beteiligung von 2/3teln aller Wahlberechtigten 90 Prozent für die Einführung der aktuellen Verfassung votiert.

    • @DiMa:

      Was ist denn das für eine Logik? In Quebec gab es 1980 und 1995 ein Referendum zum Thema Unabhängigkeit.

      • @Sven Günther:

        Möglicherweise lässt das Grundlagensystem von Kanada entsprechende Volksabstimmungen zu.

         

        Wenn die Katalanen ein bindendes Referendum wollen, müssen sie zunächst die Änderung der spanischen Verfassung herbeiführen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Schaut genau hin, Demokraten Europas!

    Was sich in Katalonien abspielt, ist schlicht unwürdig.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Stimmt, sowohl die Regierung in Madrid wie auch in Barcelona ist inzwischen sprachlich fast am Tiefpunkt angelangt. Sowohl in den Reden z.B. von Oriol Junqueras ist jeder zweite Satz gelogen, das tollste Beispiel fand ich ja, wie er Katalonien mit Grönland verglich, nur dass die gar nicht Unabhängig von Dänemark sind, es besteht seit 2009 nur eine sehr weite Autonomie oder seine Behauptung, mehr als die Hälfte der Staaten Europas im zwanzigsten Jahrhundert sei per Referendum entstanden . Und die andere Seite ist nun auch nicht besser, so wie sich neulich Mario Vargas Llosa über den angeblichen Staatsstreich der Seperatisten ereiferte und die Kommunikation mit Barcelona nur noch mit Polizei und Justiz führen will. Das führt beides dazu, das es irgendwann zu Gewalt auf den Straßen kommt.

  • Bei Polen hat sich die Kommission im Eilverfahren an den EuGH gewendet, weil borkenkäferbefallene Bäume gefällt wurden.

     

    Hat sich jemand von den Hampeln zum Treiben der zentralen Regierung in Spanien schon mal geäußert?

    • @agerwiese:

      Die EU ist für innerstaatliche territoriale Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten nicht zuständig. Im Gegensatz dazu ist die EU in bestimmten Bereichen des Umwelt- und Naturschutzes aufgrund entsprecender Regelungen zuständig.

       

      Im Übrigen teilen Mitglieder der Organe der EU nunmehr fast täglich mit, dass ein unabhängiges Katalonien nicht Mitglied der EU wäre. Insoweit kann niemand behaupten, er habe das nicht gewusst.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Kommissionspräsident Juncker hat sich für die EU geäußert, spät, aber immerhin. Danach unterstützt die EU ein Referendum und dessen Ergebnis nur, wenn die Zentralregierung diesen Weg mitgeht und das Referendum juristisch korrekt abläuft. Da beides bekanntlich nicht der Fall ist, gibt es keine Unterstützung für den katalanischen Sonderweg.

      In jedem Fall, so Juncker, wäre ein katalanischer Staat nicht Mitglied der EU.

  • Katalonien hat längst entschieden. Es braucht keine Beschlagname oder Verhaftung mehr. Dieses Verhalten Madrids führt direkt in den Krieg.

     

    Viele Grüße

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @tommason:

      Katalonien hat sich für Eskalation entschieden. Hoffentlich bedeutet die Ignoranz und Dummbrutalität der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter keinen Krieg.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Wie bei den Kurden - wenn Katalonien bereit ist den "Preis" zu zahlen, gibt es halt eine militärische Auseinandersetzung. Was solls...

  • Bevor man behauptet, Madrid mache sich lächerlich, sollte man sich in die Geschichte und Verfassung Spaniens einarbeiten. Wenn ein Staat seine demokratisch erarbeitete (in maßgeblicher Zusammenarbeit mit Katalanen) Verfassung nicht schützt und dem Populismus überlässt, wo soll das enden? Spanien ist eines der dezentralisiertesten Staaten überhaupt!

  • Die spanische Zentralregierung forciert offensichtlich einen kommenden regionalen Bürgerkrieg. Das hätte auch Auswirkungen auf andere Regionen Spaniens. Zudem würde es die wirtschaftliche und soziale Labilität Spaniens noch weiter nach unten treiben.

    • @Reinhold Schramm:

      Die spanische Regierung hält sich lediglich an die spanische Verfassung (für deren Einführung damals auch die Katalanen votierten). Wenn jemand eine Bürgerkrieg forciert ist es wohl die katalanische Regierung.

  • Das taugt doch allenfalls ein Symbolisch Akt. Jede Pappschachtel kann als Wahlurne dienen. Madrid macht sich einfach nur lächerlich!