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Rede von Puigdemont im ParlamentKatalonien verschiebt Unabhängigkeit

In seiner Rede hat Kataloniens Regionalchef Puigdemont die Unabhängigkeitsbestrebungen untermauert, eine Abspaltung von Spanien aber nicht explizit ausgerufen.

Carles Puigdemont vor seiner Rede im Parlament Foto: ap

Barcelona/Madrid rtr/ap/afp | Der Regierungschef von Katalonien, Carles Puigdemont, will am Ziel einer Unabhängigkeit von Spanien festhalten. Er setze diesen Prozess aber aus, um in den nächsten Wochen einen Dialog und eine Vermittlung einzuleiten, sagte er am Dienstag vor dem Regionalparlament in Barcelona.

Er wolle keine Drohungen oder Beschimpfungen aussprechen, sagte er. Die Situation dürfe nicht verschärft, sondern müsse deeskaliert werden. Der einzige Weg vorwärts sei derjenige der Demokratie und des Friedens. Dazu müsse man miteinander sprechen.

Die spanische Regierung hat die Erklärung des katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont zurückgewiesen. Die „implizite“ Erklärung der Unabhängigkeit Kataloniens sei „unzulässig“, erklärte ein Regierungssprecher am Dienstagabend in Madrid.

Puigdemont hatte die Ansprache kurz zuvor um eine Stunde verschoben, weil eine Gruppe von Abgeordneten ein Treffen über einen Antrag der Opposition zum Absagen der Parlamentssitzung abhalten musste. Fraglich war bis zuletzt, ob Puigdemont in der Rede tatsächlich die Unabhängigkeit Kataloniens ausrufen würde.

Puigdemonts Regierung hatte nach dem Referendum vom 1. Oktober erklärt, dass sie durch das Votum das Mandat für eine Unabhängigkeitserklärung erhalten habe. 2,3 Millionen Katalanen – oder 43 Prozent der Wahlberechtigten – hatten dabei nach Darstellung der katalanischen Behörden zu 90 Prozent mit „Ja“ gestimmt.

Die Zentralregierung in Madrid hingegen erkennt das Referendum nicht an, weil es trotz eines Verbots der spanischen Justiz abgehalten worden war.

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8 Kommentare

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  • In allen westeuropäischen und bürgerlich-parlamentarischen Staaten bestimmt ausschließlich die verdeckt und offen regierende Wirtschaft, insbesondere die Großanken und Finanzzentren, Wirtschafts- und Monopolverbände, den Kurs der Politik. So auch in Spanien deren Wirtschaftsregierung und nicht die abtrünnige katalanische Bevölkerungsmehrheit. Gleiches gilt so auch für alle anderen Provinzen Spaniens, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens.

     

    Wie ökonomischer, sozialer und psychologischer Druck auf Bevölkerungsmehrheiten aufgebaut wird, das konnten wir am Beispiel Griechenlands sehr anschaulich verfolgen. Hatte doch die griechische Bourgeoisie im Zusammenspiel mit ihren korrupten Regierungen und Staatsführungen, erfolgreich die Mehrheit der Gesellschaft in die ökonomische und soziale Deklassierung und Abhängigkeit geführt. So auch in dauerhafte und für unbestimmte Zeit, in die anhaltenden Alimentierung des griechischen Massenkonsums durch die EU-Kassen geführt. Wurden doch die sozioökonomischen und psychischen Ängste der Bevölkerungsmehrheit erfolgreich durch die westeuropäischen Wirtschaftsmetropolen und deren Medien geschürt.

     

    Heute lässt sich das Massenbewusstsein von ganzen Bevölkerungen von außen steuern und damit erfolgreich im Kapitalinteresse manipulieren und gesellschaftspolitisch einsetzen. Davon konnten die italienischen Faschisten (1922/1925 - 1943/1945), die deutschen Kapitalfaschisten (1933 - 1945) und der spanische Franquismus (1936/39 - 1975/1981) in ihrer jeweiligen historischen Regierungszeit nur träumen.

     

    Orwells “1984" und “Wahrheitsministerium“, dessen Aufgabe es ist, die Geschichte umzuschreiben und Fakten im Massenbewusstsein der jeweiligen Bevölkerungen im Sinne der realen ökonomischen und gesellschaftspolitischen Macht und Kapitalherrschaft zu verändern, ist keine einfache “Verschwörungstheorie“ mehr, sondern ein fester Bestandteil der alltäglichen Lebenswirklichkeit ganzer Bevölkerungen in der EU, Asien und Nordamerika [- im 21. Jahrh.]

  • Sie sollten erwähnen, dass es sich um eine verfassungswidrige Wahl gehandelt hat, das Ergebins der Wahl noch nicht mal seintens der katalonischen Regierung offiziell bekannt gegeben wird, keine Wahllisten auslagen, Mehrfachstimmabgaben nicht verhindert werden konnten, eine Überprüfung des angeblichen Ergebnisses nicht stattgefunden hat

     

    und

     

    nach dem (ebenfalls verfassungswidrigen) katalanischen Gesetz die Ausrufung der Unabhängigkeit innerhalb von 48 Stunden nach dem Abschluss der Auszählung zu erfolgen hatte. Diese Frist dürfte wohl verstrichen sein.

     

    Jetzt entarnt sich Puigdemont entgültig als populistischer Zampanossi.

  • In katalanischen und spanischen Medien heißt es, die Sitzung sei zunächst verschoben worden, weil einer der Bündnispartner, die CUP, die vorläufige Außerkraftsetzung der Unabhängigkeitserklärung nicht mittragen will. Die Abgeordneten der CUP verweigerten Puigdemont dann auch den Applaus. Weil Puigdemonts Regierung, ein Bündnis aus seiner CDC und der Republikanischen Linken, ohne die CUP keine Mehrheit hat, könnten Katalonien Neuwahlen ins Haus stehen.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Kunz:

      Aber eher nur, wenn die CUP einen Mißtrauensantrag stellt, wie einst die FDP, oder? https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/40797914_kw40_misstrauensvotum_kalenderblatt/209576

       

      Das sehe ich so noch nicht kommen, das wäre auch irgendwie ein Schuss ins Knie.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Es kann gut sein, dass Madrid Neuwahlen fordert und wenn Puigdemont schlau ist verbindet er Neuwahlen in Katalonien mit Neuwahlen in ganz Spanien, damit auch Madrid sich seinen Kurs bestätigen lässt.

        Und sollte es so kommen und die Podemos die Wahl gewinnen, gäbe es eine echte Chanchse für Katalonien im beidseitigen einverständnis die Unbhängigkeit zu erklären.

        Wer weiß, vielleicht Spekuliert ja Puigdemont drauf :)

        • @Arianus:

          Wie sollte Puigdemont Neuwahlen in ganz Spanien durchsetzen? Seine Partei hat im Parlament keinen Einfluss.

  • Eine demokratische Wahl wurde von der spanischen Zentralregierung, der spanischen Wirtschaft und deren Medien, mit allen Mitteln bekämpft, einschließlich mit Gewaltmaßnahmen! Trotz alledem, trotz der Gewaltmaßnahmen des spanischen Regierungs- und Gewaltapparates, hatten sich mehr als 40 Prozent an den schwer behinderten Wahlen beteiligt und mehr als 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit von Spanien entschieden!

     

    Nach allen demokratischen Maßstäben und Regeln, unter diesen Bedingungen der Zentralgewalt, war das Referendum vom 1. Oktober 2017 gültig für eine Loslösung und für einen eigenständigen unabhängigen Staat, für eine unabhängige Demokratische Republik Katalonien!

     

    Die berechtigte Proklamation der katalonischen Republik steht mit dem heutigen Tag noch aus. Sie wird aber noch folgen. Die demokratische Willensbekundung der Katalanen lässt sich auch nicht durch spanische Regierungsgewalt und Manipulation aufhalten!

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Feigling. Die Unabhängigkeit sollte doch 48 Stunden nach Auszählung der Stimmen erfolgen. Wenn man nicht mal mehr den Chauvinisten vertrauen kann, dann doch lieber dem König ! Es lebe Spanien !