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Rechtsruck in Videospiel-Communities„Kulturkampf wird auch im Gaming ausgetragen“

Beim Gaming zeigt sich, dass es gesellschaftlich einen Rechtsruck gibt. Sozialwissenschaftlerin Stürenberg über Rechtsradikale als Zielgruppe.

Gaming: Ein Spiel kann man auch als einen sozialen Raum betrachten, in dem Menschen aufeinandertreffen Foto: Oliver Berg/dpa

Interview von

Wilfried Hippen

taz: Mareike Stürenburg, gibt speziell auf die Zielgruppe Rechtsradikale zugeschnittene Videospiele?

Mareike Stürenburg: Im Indie-Sektor gibt es tatsächlich Menschen, die rechtsextreme Spiele herstellen. So etwa in einem Entwicklungsstudio in Österreich. Das ist eng verbunden mit der Identitären Bewegung und für die ist das eher ein Aushängeschild, weil sie so sagen können „Schaut mal, das können wir auch“. Aber das ist ein relativ kleiner Markt, weil das Entwickeln von Spielen relativ teuer und aufwendig ist. Und da wäre nicht hilfreich, wenn ein Studio ein Spiel entwickeln würde, das dann nur von einer kleinen Gruppe von Menschen gespielt wird.

taz: Konnte man nicht eine Weile zum Beispiel das Terrorattentat von Halle nachspielen?

Stürenburg: Ja, aber nicht in professionell entwickelten Spielen, sondern in von Usern hergestellten Modifikationen, die etwa auf der Spielplattform Roblox nachgebaut und dann mit anderen Usern geteilt wurden. Das Spannende daran ist, dass man schon bei dem Attentat selber von einer Gamifizierung gesprochen hat, weil es selber Spielelemente hatte und der Attentäter seine Tat auch live gestreamt hat.

taz: Ist es nicht auch ein Warnzeichen, dass es über 65.000 User gibt, die sich Adolf Hitler nennen?

Stürenburg: Ja, es gibt einige Plattformen, bei denen sich User solche Namen ausgesucht haben und das wird auch nicht beschränkt. Dies hat viel damit zu tun, dass dieses Problem international anders gehandhabt wird als in Deutschland. Aber im deutschsprachigen Raum findet man auch NS-Verherrlichungen, wenn sich zum Beispiel Gaming-Gruppen nach Panzerbataillonen aus dem Zweiten Weltkrieg benennen.

taz: Für die wäre es doch attraktiv, wenn sie im Spiel für Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewinnen könnten. Gibt es solche Angebote?

Stürenburg: Ja, es gibt viele Strategiespiele und Simulationen, bei denen man auf der deutschen Seite Krieg spielen kann. Bei den meisten werden dann eindeutige Symbole ersetzt, sodass etwa die Soldaten keine Hakenkreuze tragen.

Bild: privat
Im Interview: Mareike Stürenberg

Gamerin und Sozialwissenschaftlerin, erforscht digitale Strategien der extremen Rechten. Zur Zeit arbeitet sie an ihrer Promotion am Institut für Rechtsextremismusforschung an der Universität Tübingen.

taz: Aber gibt es da nicht grundsätzliche Probleme?

Stürenburg: Ja, kürzlich kam etwa ein Simulationsspiel auf den Markt, bei dem man Schlachten und ganze Nationen steuern kann und Deutschland ist da eine spielbare Fraktion, bei der aber der Holocaust konsequent ausgeklammert ist. Der Spielehersteller wollte dieses sensible Thema nicht spielbar machen, was ja für sich auch sinnvoll ist. Aber so wurde ein Bild vom Nazi-Deutschland erweckt, das so wirkt, als hätte Deutschland den Krieg auch ohne die vielen Enteignungen der Juden und diese enorme Vernichtung so führen können.

taz: Ist es nicht auf einer anderen Ebene sehr problematisch, dass Leute, die einfach nur spielen wollen, zu Zielen von Hass im Netz werden?

Stürenburg: Ja, man kann ein Spiel auch als einen sozialen Raum betrachten, in dem Menschen aufeinandertreffen und da gibt es sehr viel Hassrede, aber auch gezielte politische Einflussnahmen unter den Spielenden. Da wird der Kulturkampf auch im Gaming ausgetragen. Die neue politische Rechte hat das als einen Raum für sich entdeckt, um die eigene Ideologie zu verbreiten.

taz: Und wer wird da besonders oft beschimpft?

Stürenburg: Das trifft oft marginalisierte Menschen. Zum Beispiel Frauen, weil die sich nicht gut tarnen können. In vielen Caming-Communities ist Sexismus noch sehr verbreitet. Und dann geht es auch um Namen oder Akzente. Im Amerikanischen wird da von linguistic profiling gesprochen.

Vortrag

„Rechtsextremismus im Gaming“ mit Sozialwissenschaftlerin Mareike Stürenburg, 12. 11., 18 Uhr, in der Kieler Pumpe

taz: Ist nach Ihrer Meinung also der Rechtsextremismus im Gaming auf dem Vormarsch?

Stürenburg: Ich denke nicht, dass das Gaming selber gefährlich ist oder die User eine gefährliche Gruppe sind. Da kann man ganz schnell Stereotypen aufsitzen. Aber auch beim Gaming merkt man, dass es gesellschaftlich gerade einen Rechtsruck gibt und dass rechte Ideologen versuchen, ihn bei Videospielen, in Videospiel-Communities und auf Videospielplattformen voranzutreiben. Man versteht sie als unpolitische Räume, aber das sind sie eben nicht.

taz: Spielen Sie denn selber auch?

Stürenburg: Tatsächlich ja, schon seit ich klein bin. Obwohl ich mich selber jetzt beruflich damit auseinandersetze, bin ich es immer noch nicht leid. Bei mir kam erst das Hobby und dann das wissenschaftliche Interesse.

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12 Kommentare

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  • Rechte ergreifen immer das neueste Medium. Schon in den 80ern gab es den KZ-Manager. Aus den USA stammte Ethnic Cleansing. Natürlich alles ohne Profistudios.



    de.wikipedia.org/wiki/KZ_Manager



    en.wikipedia.org/w...nsing_(video_game)

    Neu ist inzwischen einfach wie gesellschaftlich akzeptiert Videospiele inzwischen sind und dass Medienmacher sich mehr als nur stereotyp damit befassen. Klar gibt es rechte Mods zu Mainstreamspielen und rechte Gruppen, wie auch linke Gruppen oder queere Gruppen. Videospiele sind gerade in den jüngeren Generationen in der Mitte und den Rändern der Gesellschaft angekommen und natürlich wird der Kulturkampf fortgeführt wie auf Twitter und co.



    Eine gewisse Gamification lässt sich sowieso in den Umgangsformen beobachten, wenn beispielsweise NPC als Jugendwort genutzt wird.



    Übrigens macht sich auch der wachsende Einfluss chinesischer Entwickler bemerkbar, wenn in ingame Chats "Free Taiwan" oder Winnie Puuh zensiert werden, da sie sich lokalen Bestimmungen fügen im globalen Produkt. Welchen Einfluss Saudi-Arabien auf EA haben könnte, dürfte auch interessant werden. Freue mich auf Artikel auch zu diesen Themen.

  • Das die taz 65.000 User mit dem Namen Adolf Hitler nennt ist völliger absoluter Blödsinn. Die Zahl stammt wohl aus einem Artikel der "Jüdischen Allgemeinen". Dort wurde ebenfalls nichts belegt. Fakt ist: steam löscht solche Namen umgehen. Es ist schlicht nicht möglich.

    Grandstrategiespiele wie Hearts of Iron 4 die über den 2. Weltkrieg handeln lassen natürlich zu das Spieler Deutschland spielen können. Das ist doch irgendwie Kern einer 2. Weltkriegssimulation...

    Ist mir schleierhaft was damit ausgesagt werden soll.

    • @lord lord:

      Es gibt mehr Videospielportale als nur Steam und manche Spiele verwalten Nutzernamen intern ohne dass Steam Einfluss nimmt

  • Es gibt im Bereich der Militär- und Strategiesimulatoren bzw. sicher einen harten Kern an Nazi- und Wehrmachtfans. Nach meiner Beobachtung ist da aber wenig Dynamik vorhanden.

    Was tatsächlich auffällig ist, ist dass es aktuell eine Art "Backlash" gegen den links-progressiven Trend der letzten 5-10 Jahren in der Branche gibt. Durch den Einstieg der Saudis und Trumps Schwiegersohn bei der Branchengröße Electronic Arts, wird das sicher noch verstärkt.

    Übrigens: "Adolf Hitler" nennen sich meiner Erfahrung nach (ich habe mal große Kundendatenbanken betreut) völlig unverblümt Menschen aus Vorder- und Südasien - v.a. Pakistan und Indien fallen da auf, wahrscheinlich aufgrund des dort tradierten Ariermythos.

  • Die Wissenschaftlerin kennt sich möglicherweise mit Spielen aus, die restliche Analyse ist dagegen eher schwach.

    Reguläre Soldaten der Wehrmacht trugen kein Hakenkreuz an den Uniformen, daher wäre eine entsprechende Darstellung in Spielen falsch.

    Die Benennung nach klassischen Panzerverbänden mag militaristisch sein und ist nicht zwingend rechtsgesinnt.

    Und bei welcher Kriegssimulation wird die Frage der Kriegsfinanzierung dargestellt, so dass der Holocaust zu bemängeln wäre?

    Ferner reihen sich zwar diverse Behauptungen aneinander, für die Frage eines Rechtsrucks bräuchte es zumindest ansatzweise eine empirische Darstellung.

    • @DiMa:

      "Reguläre Soldaten der Wehrmacht trugen kein Hakenkreuz an den Uniformen"

      das stimmt so nicht. Der Adler auf der rechten Brust des Waffenrocks bzw. der Feldbluse trägt ein Hakenkreuz, ebenso der Adler auf dem Schiffchen und der Schirmmütze.

      • @John Zoidberg:

        Nur sieht man diese sehr kleinteiligen Abzeichen in einer Simulation und wäre das - zumindest in Deutschland - überhaupt zulässig (§ 86a StGB)? Eine auffällige Kennzeichnung (beispielsweise eine Hakenkreuzarmbinde) wurden von regulären Verbänden nicht getragen.

        Insoweit finde ich den mit dem Interview mitschwingenden Vorwurf, dass diese Zeichen nicht genutzt werden merkwürdig.

        • @DiMa:

          klar sieht man die. Bei den heute möglichen Bildauflösungen und den heute üblichen Monitorgrössen sind auch "kleinteilige" Accessoirs deutlich abbildbar. Ob das zulässig ist, ist meines Wissens in D immer noch umstritten, Computerspiele fallen nicht zwingend unter die Kunstfreiheit und damit unter die Ausnahmen des Darstellungsverbots.

          An der Uniform sicher nicht, eine rot-weisse Armbinde wäre irgendwie keine gute Idee im Sinne der Tarnung. Auf Fahr- und Flugzeugen gab es aber durchaus deutlich sichtbare Hakenkreuze, In manchen Spielen wurden die für den deutschen Markt wegzensiert.

          Einen Vorwurf vermag ich nicht zu erkennen, ich interpretiere das eher als Zustimmung zur Zensur. Man kann jetzt sicher darüber streiten, wie weit ein Spiel historisch korrekt sein muss, aber mal im Ernst: wenn wir 80 Jahre nach Adolf noch Angst davor haben müssen, dass sich irgendein Idiot ein Hakenkreuz auf die Stirn stempelt und deswegen der Nationalsozialismus wieder populär wird, kann es mit der "gefestigten Demokratie" nicht so weit her sein.

          • @John Zoidberg:

            Na nehmen wir mal an, die Hakenkreuze würden originalgetreu dargestellt und die Faschos glorifizieren das dann, was hätte dann die Autorin an dieser Stelle wohl geschrieben?

    • @DiMa:

      1. Was hat der Wehrmachtadler, getragen auf der rechten Brust, der Schirmmütze ubd dem Stahlhelm ab 1934 in seinen Fängen? Hakenkreuz.

      2. Mag nicht zwingend sein. Aber hinreichend. Und geschmacklos.

      3. Empirisch belegt werden Fachartikel. Nicht Interviews. Recherchieren Sie doch mal, was Frau Stürzenburg so publiziert hat. Bzgl der Forderung nach Empirie spazieren Sie außerdem auf dünnem Eis, siehe 1.

      • @LeSti:

        Zur Frage Hakenkreuz siehe Antwort auf John Zoidberg.

        Wenn ich in einem Interview einen "Rechtsruck" behaupte (siehe Unterüberschrift), dann ist das eine zeitliche Entwicklung. Die Tatsache, dass Rechtsradikale Videospiele spielen ergibt noch keinen "Rechtsruck". Insoweit braucht es zur Untermauerung einer solchen Behauptung irgendeine zeitliche Aussage.