Rechtsruck in Videospiel-Communities: „Kulturkampf wird auch im Gaming ausgetragen“
Beim Gaming zeigt sich, dass es gesellschaftlich einen Rechtsruck gibt. Sozialwissenschaftlerin Stürenberg über Rechtsradikale als Zielgruppe.
taz: Mareike Stürenburg, gibt speziell auf die Zielgruppe Rechtsradikale zugeschnittene Videospiele?
Mareike Stürenburg: Im Indie-Sektor gibt es tatsächlich Menschen, die rechtsextreme Spiele herstellen. So etwa in einem Entwicklungsstudio in Österreich. Das ist eng verbunden mit der Identitären Bewegung und für die ist das eher ein Aushängeschild, weil sie so sagen können „Schaut mal, das können wir auch“. Aber das ist ein relativ kleiner Markt, weil das Entwickeln von Spielen relativ teuer und aufwendig ist. Und da wäre nicht hilfreich, wenn ein Studio ein Spiel entwickeln würde, das dann nur von einer kleinen Gruppe von Menschen gespielt wird.
taz: Konnte man nicht eine Weile zum Beispiel das Terrorattentat von Halle nachspielen?
Stürenburg: Ja, aber nicht in professionell entwickelten Spielen, sondern in von Usern hergestellten Modifikationen, die etwa auf der Spielplattform Roblox nachgebaut und dann mit anderen Usern geteilt wurden. Das Spannende daran ist, dass man schon bei dem Attentat selber von einer Gamifizierung gesprochen hat, weil es selber Spielelemente hatte und der Attentäter seine Tat auch live gestreamt hat.
taz: Ist es nicht auch ein Warnzeichen, dass es über 65.000 User gibt, die sich Adolf Hitler nennen?
Stürenburg: Ja, es gibt einige Plattformen, bei denen sich User solche Namen ausgesucht haben und das wird auch nicht beschränkt. Dies hat viel damit zu tun, dass dieses Problem international anders gehandhabt wird als in Deutschland. Aber im deutschsprachigen Raum findet man auch NS-Verherrlichungen, wenn sich zum Beispiel Gaming-Gruppen nach Panzerbataillonen aus dem Zweiten Weltkrieg benennen.
taz: Für die wäre es doch attraktiv, wenn sie im Spiel für Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewinnen könnten. Gibt es solche Angebote?
Stürenburg: Ja, es gibt viele Strategiespiele und Simulationen, bei denen man auf der deutschen Seite Krieg spielen kann. Bei den meisten werden dann eindeutige Symbole ersetzt, sodass etwa die Soldaten keine Hakenkreuze tragen.
taz: Aber gibt es da nicht grundsätzliche Probleme?
Stürenburg: Ja, kürzlich kam etwa ein Simulationsspiel auf den Markt, bei dem man Schlachten und ganze Nationen steuern kann und Deutschland ist da eine spielbare Fraktion, bei der aber der Holocaust konsequent ausgeklammert ist. Der Spielehersteller wollte dieses sensible Thema nicht spielbar machen, was ja für sich auch sinnvoll ist. Aber so wurde ein Bild vom Nazi-Deutschland erweckt, das so wirkt, als hätte Deutschland den Krieg auch ohne die vielen Enteignungen der Juden und diese enorme Vernichtung so führen können.
taz: Ist es nicht auf einer anderen Ebene sehr problematisch, dass Leute, die einfach nur spielen wollen, zu Zielen von Hass im Netz werden?
Stürenburg: Ja, man kann ein Spiel auch als einen sozialen Raum betrachten, in dem Menschen aufeinandertreffen und da gibt es sehr viel Hassrede, aber auch gezielte politische Einflussnahmen unter den Spielenden. Da wird der Kulturkampf auch im Gaming ausgetragen. Die neue politische Rechte hat das als einen Raum für sich entdeckt, um die eigene Ideologie zu verbreiten.
taz: Und wer wird da besonders oft beschimpft?
Stürenburg: Das trifft oft marginalisierte Menschen. Zum Beispiel Frauen, weil die sich nicht gut tarnen können. In vielen Caming-Communities ist Sexismus noch sehr verbreitet. Und dann geht es auch um Namen oder Akzente. Im Amerikanischen wird da von linguistic profiling gesprochen.
„Rechtsextremismus im Gaming“ mit Sozialwissenschaftlerin Mareike Stürenburg, 12. 11., 18 Uhr, in der Kieler Pumpe
taz: Ist nach Ihrer Meinung also der Rechtsextremismus im Gaming auf dem Vormarsch?
Stürenburg: Ich denke nicht, dass das Gaming selber gefährlich ist oder die User eine gefährliche Gruppe sind. Da kann man ganz schnell Stereotypen aufsitzen. Aber auch beim Gaming merkt man, dass es gesellschaftlich gerade einen Rechtsruck gibt und dass rechte Ideologen versuchen, ihn bei Videospielen, in Videospiel-Communities und auf Videospielplattformen voranzutreiben. Man versteht sie als unpolitische Räume, aber das sind sie eben nicht.
taz: Spielen Sie denn selber auch?
Stürenburg: Tatsächlich ja, schon seit ich klein bin. Obwohl ich mich selber jetzt beruflich damit auseinandersetze, bin ich es immer noch nicht leid. Bei mir kam erst das Hobby und dann das wissenschaftliche Interesse.
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