Rechtsextremismus in der Polizei: Zu fünft gegen Extremismus
Polizeipräsidentin präzisiert den Auftrag der Ermittlungsgruppe „Zentral“. Die vom Innensenator angekündigte Studie zum Racial Profling kommt nicht.
Gegenüber der taz hat die Polizeipräsidentin jetzt die Beweggründe für die Einrichtung der Ermittlungsgruppe präzisiert. Wenn der Polizei vorgeworfen werde, in den eigenen Reihen auf dem rechten Auge blind zu sein, sei das „auch eine Gefahr für unsere Integrität und das Vertrauen in uns“. Den Vorwürfen müsse deshalb „handfest“ nachgegangen werden, teilte Slowik schriftlich mit. Die taz hatte die Fragen bei der Pressestelle eingereicht, weil die Polizeipräsidentin für ein persönliches Gespräch nicht zur Verfügung stand. Am 1. April soll die beim polizeilichen Staatsschutz angesiedelte Ermittlungsgruppe namens „Zentral“ die Tätigkeit aufnehmen.
Fünf Beamtinnen und Beamten werden der „Zentral“ laut Slowik angehören. „Zentral“ deshalb, weil die Ermittlungsgruppe alle Fälle von politischer Kriminalität, bei denen Beschäftigte der Berliner Polizei tatverdächtige sind, bündeln soll. Unbeantwortet ließ die Polizeipräsidentin die Frage, ob sie sich von der „Zentral“ auch Erkenntnisse hinsichtlich eventueller Verbindungen von Polizisten zu der Neuköllner Anschlagsserie verspreche. Die Betroffenen äußern seit Jahren starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Integrität der ermittelnden Polizisten.
Die Idee für „die Zentral“ habe der Leiter des Landeskriminalamts aufgebracht, so Slowik. Einen aktuellen Anlass habe es nicht gegeben, „wir machen bereits sehr viel“. Aufgabe der Ermittlungsgruppe sei es, wiederkehrenden Fragen nach einem blinden Fleck, rechten Netzwerken und einem etwaigen Dunkelfeld genau nachzugehen. „Kurzum: Gibt es Verflechtungen, dienstrechtliche Beziehungen, die wir bisher nicht erkannt haben?“
24 Strafverfahren gegen Polizisten
Nach Angaben von Slowik sind zurzeit24 Strafverfahren gegen Polizeiangehörige anhängig, bei denen der Verdacht einer rechtsextremen Motivation im Raum stehe. Schwerpunkt sei der Tatbestand der Beleidigung (zehn Verfahren), gefolgt von Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (5), Volksverhetzung (5) und Körperverletzung im Amt (2). In zwei Fällen gebe es noch Klärungsbedarf. Des Weiteren würden 54 Disziplinarverfahren gegen Polizeiangehörige geführt, bei denen eine politische Motivation zugrunde liege. 21 Verfahren seien dabei auf die Entlassung aus dem Dienst gerichtet.
Seit 2018 sei ein Anstieg der Disziplinar- und Verwaltungsverfahren wegen politisch motivierter Verstöße zu verzeichnen. 2018 seien 11 Verfahren eingeleitet worden, 2020 bereits 28. Den Anstieg erklärte sich Slowik mit einer größeren Anzeigebereitschaft der Bevölkerung. Vielleicht, so Slowiks Hoffnung, liege das an einem „gesteigerten Vertrauen, dass dagegen deutlich vorgegangen wird“. Eine Vielzahl der Anzeigen erfolge aber durch Kolleginnen und Kollegen. Sie verstehe das als Indikator für eine Sensibilisierung und Stärkung „der wehrhaften Haltung gegen extremistische Tendenzen in der Behörde“. Fälle von zu Unrecht erhobenen Denunziationen könne man bisher nicht erkennen.
Die Polizeipräsidentin betont allerdings noch einmal, dass es „bis dato“ keine Hinweise gebe, dass innerhalb der Polizei Berlin rechtsextremistische Netzwerke existierten. „Auch Berichte über angebliche Verbindungen in andere Bundesländer mussten revidiert werden.“ Die Ermittlungsgruppe „Zentral“ werde alles intensiv untersuchen. Ob entsprechende Strukturen oder Netzwerke innerhalb der Polizei bestünden, soll auch fortlaufend geprüft werden. Selbiges gelte auch für ideologische Tendenzen unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit, ohne sich dabei einer „Gesinnungschnüffelei“ aussetzen zu wollen.
Berlin beteiligt sich an Seehofer-Studie
Im August hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) ein 11-Punkte-Maßnahmenpaket gegen Extremismus bei der Polizei vorgestellt. Angekündigt worden war auch eine repräsentative Umfrage über Werte und Einstellungen bei der Polizei. Nach Angaben von Slowik wird sich Berlin nun aber an der Studie des Bundes beteiligen und darüber hinaus eine eigene qualitative Studie in Auftrag geben. Die Vergabe werde gerade von der Innenverwaltung geprüft.
Bei der Bundesstudie handelt es sich um die umstrittene Seehofer-Studie. „Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“ lautet der Titel der Untersuchung, mit der der CSU-Bundesinnenminister die Deutsche Hochschule der Polizei beauftragt hat. Im Zusammengehen mit anderen Innenministern hatte Innensenator Geisel letzten Sommer eine Studie über Rassimus und Racial Profling angekündigt, weil Seehofer „das ja nicht macht“.
Nun beteiligt sich Berlin doch an der Seehofer-Studie. Gegenüber der taz begründete der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Pallgen, dies so: Der Untersuchungsauftrag sei bei der letzten Innenministerkonferenz so modifiziert worden, dass man die Bundesstudie nun ausdrücklich begrüße.
Berlin werde zudem eine eigene Studie über den Alltag und die Belastung der Polizei durchführen. Als „ein Teilaspekt“ so der Sprecher, sei auch „eine diskriminierungskritische Organisationsuntersuchung geplant“. Es gehe darum, wie von Rassismus und Diskriminierung betroffene Personen die Polizei wahrnehmen. Die Studie zum Thema Racial Profling der Polizei kommt demzufolge nicht.
Eine andere im Maßnahmenpaket angekündigte Neuerung ist inzwischen umgesetzt worden: Seit Oktober hat die Berliner Polizei mit Svea Knöpnadel erstmals eine Extremismusbeauftragte. Und auch das angekündigte anonyme Whistleblowersystem für alle Delitkbereiche befindet sich im Aufbau.
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