Rechtsextreme Gewalt: Hinterhalt am Nibelungenplatz

In Braunschweig meldet der NPD-Nachwuchs einen Infostand an. Der findet dann gar nicht statt, dafür werden gegnerische Demonstranten attackiert.

Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln.

Alte Symbolik: Neonazis tragen längst nicht immer weiße Schnürsenkel. Foto: Bernd Thissen/dpa

HAMBURG taz | Die Stoffbeutel gefüllt mit zerbrochenen Flaschen, das Pfefferspray einsatzbereit, Gesichtsvermummung vorbereitet: So ausgestattet, griffen am Samstag Rechtsextreme in Braunschweig gegnerische Demonstranten an. Und es gibt zumindest Grund für den Verdacht, dass das von langer Hand geplant war.

Auf dem Nibelungenplatz hatte die NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) einen Infostand angemeldet. Statt den dann aber auch durchzuführen, erfolgte dann nach Ende der Protestaktionen der Angriff. Eine Falle für die Antifa? „Ich bin da vorsichtig mit der Einschätzung“, sagt David Janzen, Sprecher des Braunschweiger „Bündnisses gegen rechts“.

Am Freitag der vergangenen Woche hatte das Bündnis vom tags darauf geplanten JN-Infostand unter dem Motto „Asylflut stoppen – Für eine Festung Europa“ erfahren. Rasch mobilisierte man zum Platz. Rund 50 Menschen fanden sich Janzen zufolge am Samstag gegen 11 Uhr auf dem Platz ein, eine halbe Stunde vor dem angekündigten Beginn der JN-Aktion. In der Nähe kam es zwar zu einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und einer PKW-Besatzung Rechtsextremer, aber von den JN-Leuten – keine Spur.

Um 12 Uhr beendeten die Demonstranten ihren Protest. Da erst zeigte sich am Rand des Platzes eine Gruppe teils vermummter junger Männer. Nach zunächst verbalen Drohungen gingen diese rund 15 Männer die eigentlich auf dem Heimweg befindlichen Gegendemonstranten dann auch körperlich an. Und das „äußerst brutal“, sagt ein Betroffene: Leer und volle Glasflaschen seien geworfen worden, auch massiv Pfefferspray hätten die rechten versprüht. Zumindest einzelne Angreifer sollen gezielt mit Stoffbeuteln zugeschlagen haben, in denen sich kaputte Flaschen befanden. Dabei seien vier Demonstranten im Gesicht getroffen, berichtet der Betroffene, der selbst nicht verletzt wurde. Zu Schlimmerem als Haut- und Augenreizungen kam es aber offenbar nicht – „Glück“, sagt Janzen.

Nicht nachvollziehbar findet das Bündnis gegen rechts das Verhalten der Polizei: Die sei zunächst „mit mehreren Einsatzwagen“ vor Ort gewesen, habe sich aber schon wieder zurückgezogen, ehe die kleine Demo gegen die JN zu Ende gegangen sei. Erst als die Gruppe Rechtsextremer nach ihren Attacken floh, waren demnach wieder Beamte da, ohne die Angreifer zu verfolgen oder Spuren zu sichern, so Janzen „Die Kollegen trafen auf Personen mit Hautreizungen und geröteten Augen“, sagt ein Polizeisprecher. Man ermittele nun wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung.

In der Gruppe der Rechten erkannten Demonstranten mehrere JN-Aktivisten sowie ein Mitglied des Hildesheimer Kreisvorstands der Partei „Die Rechte“. Deren Kader sind andernorts wiederholt aufgefallen durch gezielte Angriffe auf Menschen, die sich gegen rechts engagieren. Schon vor der Parteigründung 2012 hatten „Freie Kameradschaften“ und „Autonome Nationalisten“ in manchen Gegenden „die Antifa“ zum Hauptfeind erklärt. Im nordrhein-westfälischen Dortmund etwa fuhren sie so genannte Streife und griffen antifaschistische Jugendliche an – mit Baseballschlägern und vermummt. Auch im Norden hat „Anti-Antifa“-Arbeit Tradition: Der heutige Bundesvorsitzende von „Die Rechte“, der Hamburger Christian Worch, verantwortete 1992 eine erste Liste mit Adressen vermeintlich oder tatsächlich Linken.

War die fingierte Kundgebung nun eine Anti-Antifa-Aktion? Auf Facebook schreiben die JN, ausgefallen sei der Infostand wegen einer „Gewaltankündigung der Antifa“.

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