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Rechtsexpertin über Verbraucherrechte„Ein Akteur haftet immer“

Masterarbeit futsch, smartes Türschloss zu: Wenn Software Schäden verursacht, haben Ver­brau­che­r:in­nen schlechte Karten. Noch. Wird es besser?

Analoge Türschlösser Foto: Steinach/imago
Interview von Svenja Bergt

taz: Frau Noll, die EU-Gremien haben sich auf eine Produkthaftungsrichtlinie geeinigt. Warum ist das wichtig für Verbraucher:innen?

Meret Sophie Noll: Wenn Software Datenschäden verursacht – zum Beispiel die Masterarbeit schreddert oder die Urlaubsfotos –, dann kann man als Ver­brau­che­r:in bislang nicht viel machen. Die aktuelle Produkthaftungsrichtlinie stammt aus dem Jahr 1985. Damals war von Digitalisierung noch nicht viel zu sehen. Daher brauchte es dringend eine Anpassung an das digitale Zeitalter.

Bild: Gert Baumgart vzbv
Im Interview: Meret Sophie Noll

29, ist Expertin für Recht und Handel beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Zuvor studierte sie Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig und arbeitete danach im Bereich Verbraucherbildung.

Wie wird sich das konkret bemerkbar machen?

Die wichtigste Neuerung: Auch Software gilt als Produkt – und der Hersteller ist haftbar, wenn dadurch ein Schaden entsteht. Und Software ist heutzutage fast überall: Apps sind Software, aber auch in Autos, Staubsaugrobotern, Waschmaschinen oder Kaffeemaschinen steckt Software.

Was heißt das am Beispiel Masterarbeit oder Fotos?

Wichtig ist, dass es sich um einen Schaden handelt, der von der Richtlinie abgedeckt ist. Das können zum Beispiel Schäden an Dingen sein, aber auch körperliche Schäden und Datenschäden, das heißt, dass Dateien beschädigt, zerstört oder verschwunden sind. Neu ist, dass auch medizinisch anerkannte Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit als Schaden gelten, das ist ein großer Fortschritt. Jetzt kommt allerdings die Hürde: Ich muss als Ver­brau­che­r:in nicht nur nachweisen, was der Schaden ist, sondern auch den Fehler am Produkt – und dass dieser Fehler den Schaden verursacht hat. Ich muss also beispielsweise beweisen: Ein Softwarefehler hat dazu geführt, dass alle meine Familienbilder weg sind.

Das dürfte ziemlich schwierig bis unmöglich sein.

Es wäre zumindest deutlich einfacher, wenn es eine Beweislastumkehr gäbe, für die wir uns eingesetzt haben – leider ohne Erfolg. Wenn also immer der Hersteller beweisen müsste, dass sein Produkt den Schaden nicht verursacht hat. Aber immerhin gibt es ein paar Beweiserleichterungen für Verbraucher:innen. Die greifen, wenn der Fall technisch oder wissenschaftlich komplex ist – und da gehören unserer Ansicht nach die ganzen vernetzten Produkte wie Smartphones oder Smart-Home-Systeme dazu. Dann kann vermutet werden, dass es einen Fehler gab und der den Schaden verursacht hat. In solchen Fällen muss dann tatsächlich der Hersteller beweisen, dass das nicht der Fall war.

Klingt doch gut. Der Haken?

Der Haken ist, dass diese Beweiserleichterungen erst im Gerichtsverfahren zum Tragen kommen. Ich brauche also als Ver­brau­che­r:in vorher trotzdem eine gewisse Art von technischer Unterstützung. Da muss jemand mit Sachverstand draufschauen und sagen: Ja, der Fehler im Produkt hat zum Schaden geführt, daher lohnt es, vor Gericht zu gehen.

Und wen muss man dann verklagen?

Den Hersteller. Wenn man ein physisches Produkt hat, ist das einfach: Da steht der Hersteller meist drauf und der ist dann der Anspruchsgegner.

Und bei Software?

Da ist es häufig so, dass es verschiedene Komponenten gibt: mehrere Unternehmen, die Teile der Hardware hergestellt haben, von anderen kommt die Software. Manchmal kann es da schwierig sein herauszukriegen, wer genau der Hersteller ist. Das Gute ist: In den neuen Regeln ist festgelegt, dass immer ein Akteur haftet und die Hersteller sich gegebenenfalls untereinander in Regress nehmen müssen. Als Ver­brau­che­r:in ist man also nicht dem Risiko ausgesetzt, dass sich alle aus der Haftung ziehen.

Am Ende kommen die Familienbilder nicht wieder, sondern es geht um einen Schadenersatz in Form von Geld. Wie viel sind verlorene Fotos wert?

Das werden dann Gerichte entscheiden müssen, dazu gibt es noch keine Rechtsprechung. Aber auch hier zeigt sich eine Verbesserung: In der alten Richtlinie durfte man überhaupt erst dann klagen, wenn es um einen Schaden von mindestens 500 Euro ging. Das war also schon mal eine Art Stoppschild. Das fällt nun weg, es werden damit mehr Menschen die Chance haben, Schäden geltend zu machen. Im besten Fall führt das dazu, dass die Hersteller mehr Sorgfalt walten lassen bei der Entwicklung.

Wann werden die neuen Regeln gelten?

In den kommenden Wochen steht die formale Verabschiedung an, dann gibt es eine zweijährige Frist für die Mitgliedsstaaten, das umzusetzen. Ich gehe aber davon aus, dass die Bundesregierung das noch in dieser Legislatur tun wird. Dass Ver­brau­che­r:in­nen sich besser gegen fehlerhafte Produkte wehren können, ist also greifbar.

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2 Kommentare

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  • Für Otto Normalverbraucher ist es fast unmöglich, einen Softwarefehler konkret nachzuweisen, indem er ihn unter kontrollierten Bedingungen mit Testfällen nach der Spec des Herstellers reproduziert, und zwar gerichtsfest, also mit Zeugen, und schriftlichem Protokoll.

    Neben dem Equipment und den Dokumenten fehlt dem Verbraucher dazu idR auch Sachkenntnis und Erfahrung.

    (Ich habe über zehn Jahre Software getestet und dann immer noch Monate gebraucht, um mir aus ISO-Normen und Gesetzen zusammenzureimen, wie man die Ergebnisse justiziabel macht. Wenn man das jahrelang beruflich tut, hat man eine Chance, sonst eher nicht.)

    @Axel Berger Und mit den 99% Benutzerfehlern gebe ich Ihnen Recht. Deswegen mache ich auch keinen 1st-Level-Support für Softwarehersteller, um mir all diese vor ihren Monitoren sitzenden Probleme nicht mehr anhören zu müssen.

    Will man sich erfahrene Leute hinzuziehen, gibt es aber idR das Problem, dass der Anwender nicht mehr weiß, was er da eigentlich gemacht hat. Man steht dann ohne brauchbare Fehler-Repro da, kann nur ganz hart nach Hersteller-Spec validieren ... und dabei kommt idR raus, dass das Teil einwandfrei funktioniert.

  • Ja, es gibt Softwarefehler und es gibt davon verursachte Schäden. Die sind aber eher selten. In mindestens 99 % aller Fälle beruht Datenverlust auf einem Bedienungsfehler des Anwenders. Ganz konkret und ganz einfach: Wer im längeren Entstehungsprozeß einer Master- oder anderen Arbeit nicht regelmäßig Backups der Zwischenstände anlegt, der beweist damit unwiderleglich, daß er selbst seine Arbeit für wertlos und des Aufwandes nicht wert hält. Der Schaden ist, falls er eintritt, damit null oder doch sehr nahe null. Für Urlaubsbilder gilt dasselbe mit der kleinen Einschränkung, daß während des Urlaubs und bis zur Rückkehr oft die Möglichkeit und Gelegenheit fehlt. Ein ambitionierter Photograph mit wertvollen Bildern wird aber auch dort in jedem Fall ein zweites Speichermedium für Kopien mitführen.



    Mir scheint das ganze vor allem eine staatliche Subvention für die größte im Bundestag vertretene Berufsgruppe und eine neue Möglichkeit für Juristen, sich mit dem Leid anderer Menschen die Tasche zu füllen. Daß sie es dabei verschlimmern statt zu lindern, ist ihnen, wie in allen Bereichen ihrer Tätigkeit, völlig egal.