piwik no script img

Rechter Verlag bedroht taz-JournalistAlles nur ein Spaß

Der Jungeuropa Verlag schwelgt in Gewaltfantasien, wenn er an einen taz-Journalisten denkt. Vermeintliche Ironie gehört zur Strategie dieses Milieus.

Feine Herren mit Gewaltfantasien auf der Frankfurter Buchmesse: der Stand des Jungeuropa Verlags Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Glatze scheren, Gesichtstattoo stechen: Keine übliche Offerte auf der Frankfurter Buchmesse. Die Verlage bemühen sich sehr bei der Präsentation ihres Programms. An den Verlagsständen liegen auch mal kleine Präsente oder nette Gimmicks aus. Der Jungeuropa Verlag bietet diese Vor-Ort-Behandlung allerdings an. Nicht für alle, die an ihren Stand kommen, nur für mich. Das offene Angebot des rechtsextremen Verlags ist nichts anders als eine eindeutige Gewaltandrohung.

Seit Tagen läuft eine Debatte um den Verlag. Einzelne Au­to­r:in­nen haben wegen einer möglichen Bedrohung ihr Kommen abgesagt. In dem Podcast „von rechts lesen – Sendung 27“ sprechen der Verleger Philip Stein und der Autor des Verlages Volker Zierke über die Buchmesse, was so geplant sei, was vorstellbar wäre. Recht launisch, recht langweilig geplaudert. Ein Kollege von der rechte rand – das antifaschistische Magazin hielt das Gerede von Biertrinken und stabilen Kerlen durch – und wies auf die Minute 45 plus hin.

Mein Name fällt und kurz der von Andrea Röpke, wir beide haben mehre Bücher über dieses weite Milieu in der Mitte der Gesellschaft verfasst und herausgeben. Aus diesem Zirkel der vermeintlich neu-rechten Publizierenden werden vor allem Frauen mit journalistischem Engagement oder publizistischer Resonanz verbal-radikal, sexistisch-körperlich aufgeladen angegangen. Die feinen Herren – vom Selbstverständnis her – sind dann nicht mehr so fein.

In der Sendung lassen Stein und Zierke aber nun gegen mich ihre Gewalt- und Erniedrigungsfantasien schweifen. Die Zöglinge Götz Kubitscheks aus dem Institut für Staatspolitik (IfS), das der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt jüngst als gesichert rechtsextrem einstufte, erwarten mein Erscheinen an ihrem Stand. Zierke wirft ein, dass ich einen Friseur bräuchte. „Friseur“, sagt Stein und sagt weiter, dass sie das „auch am Stand“ gleich mit „so einer Schermaschine“ machen könnten, so im Look der 80er-Jahre-Oldschool-Skinheads.

Gewalthoffnungen und Vernichtungsvorstellungen

Zierke meint, am Stand könnten sie mich auch sofort gesichtstätowieren, und Stein schlägt vor, „dann könnten wir dem Andreas Speit theoretisch so ein richtig cooles Fraktur-Tattoo machen – Deutschland ganz groß“. Ganz bei sich kichern, grienen und lachen sie bei ihren Worten – ihren Bildern im Kopf.

Schon länger versucht dieses Milieu mit vermeintlichem Witz und Ironie seine Gewalthoffnungen und Vernichtungsvorstellungen zu relativieren

Ist ja doch auch alles nicht ernst gemeint, alles nur Scherz und Spaß. Schenkelklopfer und Lacher. Und wer nicht mitlacht, ist halt selber schuld. Schon länger versucht dieses Milieu mit vermeintlichem Witz und Ironie seine Gewalthoffnungen und Vernichtungsvorstellungen zu relativieren. Die Idee der Zwangsscherung und -tätowierung ist Teil des Erniedrigungsprozesses der markierten Feinde mit historischer Tradition, das Lachen Teil des Selbsterhöhungsprozess.

„The Killer smiles“, hebt Klaus Theweleit in das „Das Lachen der Täter: Breivik u. a.“ hervor. Die Tötungslust führt zum Lachen wegen der Allmacht über seine Opfer. In dem spaßigen Kubitschek-Jünger lauert der grinsende Killer. Zierke, aus der rechtsextremen Identitären Bewegung kommend, war – welch Zufall – bei einer Gewalttat involviert. Stein, auch Vereinsvorsitzender von „Ein Prozent“, wird vorgeworfen, an einem Angriff beteiligt gewesen sein. In beiden Fällen: gegen Andersdenkende.

So what, hier bleiben Worte doch selbstredend bloß Worte. Im vorpolitischen Raum möchte der Jungeuropa Verlag ja nur eine weitere Meinung in die laufenden Debatten einbringen. Könnte der Verlag jedoch mit der Gewaltandrohung auf der Buchmesse die Grenzen des meinungspolitischen Diskurses überschritten haben?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen