Rechter TV-Verschwörungssender: „Der Kampf beginnt“
Der österreichische Internetsender AUF1 behauptet, bald über einen Fernseh-Sendeplatz „im gesamten deutschen Sprachraum“ zu verfügen.
Das Ende naht. Die vermeintlichen Nachrichten von Internetsender AUF1 warnen nicht alleine von dem Untergang des christlichen Abendlandes. Der Sender aus Linz mit Dependance in Berlin befürchte, dass die ausgemachten „globalen Eliten“ in Wirtschaft und Politik einen „Great Reset“ und somit eine „globale Diktatur“ anstreben.
Dass nur eine „rechte Wende“ die Rettung ist, verkündet ebenso das Compact-Magazin des Chefredakteurs Jürgen Elsässer. Ohne eine neue Front drohe ein „Wandern ins Nichts“, mahnt Elsässer in der Juni-Ausgabe des Monatsmagazins. Kein rechtes Erlösungsversprechen ohne apokalyptische Verschwörungsnarrative.
Diese Narrative möchte das „Alternative Unabhängige Fernsehen, Kanal 1“ – kurz AUF1 – mittlerweile nicht nur über seine eigene Webseite und Telegramkanal verbreiten. In einer eigenen Sendung auf ihrem Internetkanal erklärt am 14. Juni Gründer Stefan Magnet, dass AUF1 „ins echte Fernsehen“ komme: „Wir haben einen Sendeplatz, wir haben die Verträge, wir haben alles logistisch und juristisch auf Schiene gebracht und wir werden AUF1 im gesamten deutschen Sprachraum in die Fernsehgeräte bringen!“
Dies sei „nur ein kleiner Schritt für einen TV-Zuseher, aber ein Riesenschritt für uns – und eine großartige Chance, die Medienlandschaft umzukrempeln“. Das „führende alternative und unabhängige Medium“ habe sich ab Herbst 2023 „einen Sendeplatz im echten Fernsehen gesichert!“. Erstmals werde AUF1 „im gesamten deutschen Sprachraum auch via Fernsehgerät zu empfangen sein“, wie AUF1-Frontfrau Elsa Mittmannsgruber in der Sendung verkündet.
Die „Medienlandschaft umkrempeln“
Eine große Ankündigung, die Michael Bonvalot vorsichtig hinterfragt. „Ob und welchen Sendeplatz AUF1 erhalten könnte, ist derzeit noch unklar“, sagt der österreichische Experte für Rechtsextremismus. Die Entwicklung müsse noch weiter verfolgt werden.
Die symbolische Bedeutung eines solchen Sendeplatzes ist allerdings nicht zu unterschätzen. Bisher sei AUF1 in der breiteren und öffentlich sichtbaren politischen Debatte in Österreich kaum relevant. „Doch innerhalb der extremen Rechten und der Verschwörungsszene ist die Plattform enorm populär.“
Diese Einschätzung teilt Natascha Strobl. „AUF1 wird nicht in anderen Medien zitiert und spielt für die politische Debatte keine Rolle“, betont die österreichische Rechtsextremismusexpertin und sagt, dass „das Medium einen Nischeneinfluss hat und vor allem für die Szene selbst wichtig“ sei.
Die Ausrichtung von AUF1 sei „relativ pragmatisch“. Der Sende nehme, „was thematisch gerade funktioniert“. Das wären in den letzten Jahren die Coronademos, Verschwörungserzählungen und alles, was sonst in der letzten Zeit wichtig für den rechten Kulturkampf, wie etwa die Debatte um Rechte für Transsexuelle, gewesen wäre, so Strobl.
Ihre Ausrichtung ist pragmatisch
Auf der Startseite des Internetsenders warnt so auch in einem Interview Sucharit Bhakdi, ein Facharzt für Mikrobiologie aus dem Querdenkenden-Milieu, dass durch den „Corona-Wahnsinn […] die Welt (…) vor dem Untergang“ stehe.
Eine weitere „tödliche Agenda“ macht AUF1-Gründer Stefan Magnet in den Bemühungen „der Globalisten“ aus, die die Menschen überwinden wollen, um einen „Transhumanismus“ zu etablieren. Die Sendungen gehören zu den „Quotensiegern“ des Senders. Zu den „Klassikern“ im Onlineshop gehört ein Notfallradio. Mit im Angebot sowohl Material zur Krisenversorgung als auch Utensilien aus der Esoterik.
Ganz alternativ freiheitsliebend kämpferisch gibt sich der Sender in der Selbstdarstellung: „Von der Maskenpflicht über den Impfzwang, Transhumanismus, Genderterror, Klimahysterie bis hin zum Great Reset“, solche Themen ließen sie „zur Hochform auflaufen“ – mit „Idealismus und Herzblut“. Dass sie wegen ihres Engagements „gerne als Schwurbler, Rechtsextreme und Fakesender verunglimpft“ würden, sei „Ansporn und Bestätigung“.
Diese „Verunglimpfungen“ haben aber bei Stefan Magnet eine Faktenbasis. Der Chefredakteur war als Autor und Mitgestalter der rechtsextremen Zeitschrift Info-Direkt. Er gehörte dem nicht minder rechten Bund freier Jugend an und trat zudem mit dem rechtsextremen Kameradschaftsführer Gottfried Küssel auf. Auch zur FPÖ bestehen Verbindungen, so Strobl.
Vom Verfassungsgericht als extremistisch eingestuft
Rechtsextreme Beziehungen gibt es auch in Deutschland. Seit dem Herbst 2022 unterhält AUF1 ein Büro in Berlin. Im November 2022 startete die Redaktion mit „Berlin Mitte AUF1“ eine eigene Sendung, die aus Deutschland berichtet. Der Korrespondent kennt sich in den rechten Netzwerken aus: Martin Müller-Mertens war vorher für Compact tätig und leitete dessen TV-Präsenz im Internet.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat das Magazin 2021 als Sprachrohr der „Neuen Rechten“ bezeichnet und als „gesichert extremistisch“ eingestuft. Der AfD-Europaabgeordnete Markus Buchheit sprach jüngst in einem Interview über den patriotischen Widerstand aus ganz Europa gegen die grün-globalistische Kräfte der Zersetzung und Zerstörung.
Diese Allianz konnte unlängst auf bundesdeutschen Straßen bei Protesten gegen die deutsche Unterstützung der Ukraine und gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen beobachtet werden. Neben dem Logo von Compact auf Plakaten und Banner war auch das Emblem von AUF1 zu sehen. Mit einem eigenen blauen Infomobil war der Sender an Protesten in Österreich und Deutschland präsent.
Nach dem Verbot der Ausstrahlung von RT in Deutschland Anfang Februar 2022 versucht AUF1 diese Zuschauer*innen an sich zu binden. Die Relevanz der alternativen Medien sollte für das eigene Milieu nicht relativiert werden.
Der radikalisierte Markt ist vorhanden
Bereits vor der Bundestagswahl 2021 hatte AUF1 laut einer Analyse des CeMAS-Instituts auf Platz neun der meistgeteilten „Alternativmedien“ auf Telegram gelegen. CeMAS wies darauf hin, dass die alternativen Medien die Informationsquelle für die Coronaleugner- und Querdenken-Bewegung sei. Alleine der Telegram-Kanal AUF1 hat über 240.700 Abonnent*innen.
Ein „Unterstützerverein“ hilft dem Internetprojekt, das sich nach eigenen Angaben durch Spenden trägt. Bonvalot wirft jedoch ein, dass „die Finanzierung von AUF1 eine Blackbox ist“. Völlig unklar sei, woher die Anschubfinanzierung gekommen ist, um die ganze Infrastruktur aufzubauen. Auch die hohen laufenden Kosten müssten irgendwie gedeckt werden.
Die Intention der „Präsenz in Deutschland“, so Strobl, sei offensichtlich: „AUF1 will seine Reichweite ausbauen.“ Der Markt sei vorhanden, da sich viele in der Pandemie radikalisiert hätten. „Ein Medium wie AUF1 hat das Potenzial, in Deutschland bei vielen auf antidemokratischen Vorstellungen basierende Weltanschauung zu verfestigen“, warnt sie.
Stefan Magnet rührt derweil die Kriegstrommel. Ganz in ihren Narrativen verankert, beklagt der Chefredakteur, dass der „Deep State“ eine „Meinungsdiktatur“ verteidige. Denn ARD und ÖRF wollen angeblich den Sendestart verhindern: „Der Kampf beginnt“, sagt Magnet und bitte um die „aktive Hilfe“ durch Spenden.
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