Rechte und Teilhabe von trans Menschen: Bio schwänzen ist erlaubt

Wie wichtig ist biologisches Wissen in der aktuellen Genderdebatte? Gar nicht so, denn es geht mehr um die soziale Frage, findet unser Autor.

buntes Gemälde von zwei Menschen

Mit ihren Körpern und Identitäten ins Reine zu kommen sollte allen Menschen zustehen Foto: Roy Scott/imago

Letztes Mal in dieser Kolumne habe ich geschrieben: „Es ist möglich, in mehr als zwei [biologische] Geschlechter zu kategorisieren.“ Daraufhin hat mich ein Leser gefragt, ob das nicht alles unnötig kompliziert macht. Muss man sich mit Wissenschaftstheorie auskennen, um Genderpolitik verfolgen zu können? Gute Frage. Ich würde sagen, es schadet nicht. Ich finde auch, dass solche wissenschaftsphilosophischen Erkenntnisse spannend sind. Und ich finde, wer sich genderpolitisch auf Biologie bezieht, sollte sich unbedingt damit befassen.

Ich gebe aber zu, dass Biologie gar nicht so brennend wichtig ist, wenn es darum geht, gleiche Rechte und Teilhabe von trans Menschen zu verwirklichen. Wichtiger ist, dass eine kritische Mehrheit die aktuelle Situation als ungerecht begreift und Verbesserungen einfordert. Dafür braucht es keinen Biounterricht. Das ist eine soziale Frage.

„Warum reden wir also überhaupt über Biologie?“; hat mich der Leser gefragt. Ich glaube, dass es um das Verhältnis zu unserem Körper geht. Wenn wir „biologisch“ sagen, meinen wir eigentlich so etwas wie die materielle Realität unserer Körper. Denkendes, fühlendes Wesen zu sein ist aufreibend genug, wenigstens sind unsere Körper eine greifbare Materie, mit der wir fest in dieser Welt verankert sind. Die meisten Menschen beziehen eine gewisse Sicherheit aus der Idee, dass unser Mann- oder Frausein echt da ist, biologisch nachweisbar. Für cis Menschen, sprich: Menschen die nicht trans sind, ist es wichtig, dass das so bleibt. Dass die Identität im Körper verankert bleibt. Dass niemand kommt und sagt: Dein Frausein oder Mannsein hat es nie gegeben! Hast du dir nur vorgestellt! Ätsch!

Ich höre immer wieder, wer biologisches Geschlecht hinterfragt, wolle „Frau“ und „Mann“ einfach abschaffen. Und zwar für alle. Auch für die, die sich mit einem dieser Wörter ihr ganzes Leben lang schon sehr gut und wohlgefühlt haben. Das will zwar niemand, aber diese Verunsicherung hält sich wacker. Dass Geschlecht viel mehr ist als Körper, haben wir längst begriffen, aber wir wollen das letzte Fetzchen objektiv nachweisbares Geschlecht nicht einfach hergeben. Weil dann könnte ja jemand kommen und … Und was? Ängste sind oft unfertige Sätze.

Trans Leute wollen ebenfalls ihre Körper- und Selbstbilder miteinander in Einklang bringen. Manchmal hilft ihnen dabei eine medizinische Transition. Was ihnen nicht hilft ist, dass der Rest von uns bei Geschlecht unbedingt der Biologie das letzte Wort geben will. Das ist für viele trans Menschen eine Zumutung.

Und jetzt? Ein unauflösbarer Widerspruch? Vielleicht, für den Moment. Vielleicht hilft es nicht, das krampfhaft klären zu wollen. Sondern sich darauf zu konzentrieren, dass alle Menschen die gleichen Chancen kriegen, mit ihren Körpern und Identitäten ins Reine zu kommen. Das ist dann keine Frage für die Bioprüfung, sondern eine des politischen Willens.

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