Rechte Medien und die bürgerliche Mitte: Unscharfe Grenzen
Zeitschriften wie „Cato“, „Tichys Einblick“ und „Tumult“ sehen sich als konservativ. Doch die Grenze zwischen bürgerlich und rechts ist durchlässig.
Die deutschen Christdemokraten lebten immer mit dem frommen Selbstbetrug, die bürgerliche Mitte und nur diese zu repräsentieren. Sie glaubten sich mit Lippenbekenntnissen gegen Rechte und Reaktionäre abschirmen und eine klare Grenze ziehen zu können zwischen Konservativen und Rechten beziehungsweise Rechtsradikalen. Dieses Gespinst aus Selbstbetrug und Lügen reißt zwar immer wieder, aber im Großen und Ganzen erlag die Partei der Fiktion, immun zu sein gegen rechts.
Zuletzt zerfiel dieses Trugbild in Erfurt, als CDU, FDP und AfD einen ehrgeizigen „Liberalen“ in Thüringen zum Ministerpräsidenten machten. Um die politische Mitte zu besetzen, beanspruchte die CDU immer die gleich große Distanz nach rechts und nach links. Das war in der ganzen Zeit der alten Bundesrepublik eine Kampfparole, die zur Ideologie des Kalten Kriegs besser passte als zur Realität.
Noch vierzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschwor Alfred Dregger, er habe in Hitlers Armee bis in den Mai 1945 nur gegen den „Bolschewismus“ gekämpft. Sein Ziehsohn Roland Koch (CDU) führte im Landtagswahlkampf 1999 eine fremdenfeindliche, der heutigen Pegida-AfD-Politik ebenbürtige demagogische Unterschriftenkampagne gegen die Reform des antiquierten deutschen Staatsbürgerschaftsrechts und hetzte die hessischen Wählerinnen und Wähler gegen Ausländer auf.
Wie durchlässig die vermeintlich stabile Mauer zwischen Bürgerlich-Konservativen und Rechten ist, zeigt sich besonders an drei Zeitschriften, die sich als konservativ verstehen, aber tatsächlich weit nach rechts gerückt sind: Cato, Tichys Einblick und Tumult. Sie widmen sich programmatisch der Annäherung von Konservativen und Rechten. Das gilt nicht nur für Themen und Autoren, sondern auch finanziell.
Viele Autoren entstammen der mittleren Intelligenzija
Der der AfD nahestehende Unternehmer Thomas Hoof (Manufactum) etwa sponsert die Zeitschrift Cato mit zehn Seiten umfassenden Anzeigen für seinen Verlag, in dem Bücher konservativ-rechter Grenzgänger wie Volker Zastrow, Frank Böckelmann oder Konrad Adam erscheinen, aber auch die Pamphlete harter Rechter wie Björn Höcke, Alexander Gauland und Jürgen Elsässer.
Viele Autoren entstammen der mittleren Intelligenzija (Gymnasiallehrer, Lehrbeauftragte, durchs Land reisende Lehrstuhlvertreter und ältere Privatdozenten). Die unscharfe Grenze zwischen Konservativen und Rechten zeigt sich besonders klar bei den Themen Migration, Nationalstaat, Gendergerechtigkeit und Geschichtspolitik, aber auch bei den Gewährsleuten, die die Autoren, die sich für Konservative halten, für ihre Argumente zitieren.
Ein emeritierter Literaturwissenschaftler, der sich bei Tumult. Vierteljahresschrift für Konsensstörung um die Wiederbelebung der alten Raum- und Geopolitik bemüht, beklagt, „in Deutschland“ werde der „politische Diskurs im Wortsinne ortlos“, weil die AfD oft „vor verschlossenen Türen“ stehe, wenn sie an der „politischen Willensbildung“ teilnehmen wolle.
Ein 62-jähriger Privatdozent polemisiert gegen die Pflicht von Parteien, ihre Finanzquellen zu veröffentlichen, und die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil von 223 Genderprofessuren nur 10 von Männern besetzt seien. Ein anderer Autor kritisiert den „moralischen Universalismus“ mit Berufung auf „die Sorgen des Normalbürgers“, der durch „das unablässige massenmediale Warnen vor der drohenden Klimakatastrophe nur in Angst und Schrecken versetzt werde.
Im Dunstkreis der NPD
Tumult ist sich auch nicht zu schade, das Bekenntnis eines 32-jährigen Geschichtsstudenten abzudrucken: „Meine Metamorphose zum Judenfeind verdanke ich also absurderweise den schärfsten Kritikern des Antisemitismus: meinen Lehrern, meinem Vater und den Nachrichtensprechern“, die ihn mit historischer Aufklärung zum Nationalsozialismus be- und überlastet hätten.
Der Student hält Vorträge im Dunstkreis der NPD und brachte ein Buch heraus mit dem Titel „Der weiße Ethnostaat“. Ein weiterer Privatdozent, der den Verlust „unserer Sprache“ beklagt, begründet dies mit dem Hinweis auf den rechten Historiker Rolf Peter Sieferle und dessen These, „dass in den Industrieländern selbst“ durch den „negativen Input“ der Einwanderer „neue Intelligenzhemmnissse entstanden sind“.
In allen drei Zeitschriften gehören die deutsche Geschichte und deren Begradigung zum Dauerthema. Zwei Autoren enttarnen den US-Präsidenten Roosevelt als „Hintermann des Zweiten Weltkriegs“ und berufen sich dabei auf Pamphlete des rechtsradikalen Generalmajors a. D. und Hobby-Historikers Gerd Schultze-Rhonhof. Cato. Magazin für eine neue Sachlichkeit hält sich sogar einen Geschichtslehrer als einzigen ständigen Mitarbeiter.
Andreas Lombard (alias Andreas Krause) – Gründer und Chefredakteur von Cato, ehemaliger Mitarbeiter des AfD-Mäzens Thomas Hoof und Preisträger des von der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit verliehenen Gerhard-Löwenthal-Preises – stellt sich nicht wörtlich, aber faktisch hinter Ralf Höcker von der CDU-Werteunion, der die Linkspartei als „Mauermörderpartei“ bezeichnet und „den unerträglichen Zustand mit Linksextremisten in der Regierung“ Thüringens beenden möchte.
Kampfansage an die „gesellschaftliche Mitte“
Lombard sieht im „Kampf gegen rechts“, den SPD, Linke und Teile der CDU nach den jüngsten Terroranschlägen von Rechten endlich auf die politische Tagesordnung gesetzt haben, eine Kampfansage an die „gesellschaftliche Mitte“. Für Roland Tichy, den Herausgeber von Tichys Einblick. Standpunkte zu Politik, Wirtschaft und Kultur, dagegen ist die Welt ziemlich in Ordnung. Angesichts der 24 Morde von Rechtsradikalen zwischen 1980 und 2020 allein in Bayern schreibt er: „Rechtsextremistische Gewalttaten werden in Deutschland ohne Wenn und Aber verfolgt.“
Ein Gymnasiallehrer ruft in der Zeitschrift Cato zur Revision der Debatte um Schuld und Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf. Nicht die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Eliten des wilhelminischen Kaiserreichs sollen demnach die wesentliche Verantwortung tragen, sondern Raymond Poincaré, der französische Präsident.
So weit gingen nicht einmal die konservativen Gegner des Historikers Fritz Fischer (1908–1999), der die These vom deutschen „Griff nach der Weltmacht“ 1967 begründet hat. Der Gymnasiallehrer hat zwar für seine Revision der Geschichte keine wissenschaftlichen Argumente, aber zwei patente linke Verschwörer:
„Habermas und Wehler haben die Auseinandersetzung“ über die deutsche Kriegsschuld im Historikerstreit von 1986 ff. „vom Zaun gebrochen“ und die „irgendwie grün-rot-feministische Regenbogenideologie“ dank ihrer „Einflusspositionen im Kulturbetrieb“ durchgesetzt. Seither, so der Autor, herrsche „Uniformität der Auffassungen. […] Was einmal bürgerliche Öffentlichkeit oder akademischer Freiraum war, existiert nicht mehr.“
Der rosarote Kommunismus geht um
Für Alexander Gaulands persönlichen Referenten Michael Klonovsky sind es die „Identity Politics“, die als Wiedergänger des „Gespensts des Kommunismus“ durch die Gegend laufen, und für einen Schuldirektor a. D. bilden die „Umtriebe der Gender-Ideologie“ das Gespenst des „rosa Kommunismus“.
Viele Autoren der drei Zeitschriften kommen von den Konservativen her, stehen aber heute der AfD nahe und verstehen sich als Transmissionsriemen für eine Bewegung, mit der die AfD gleichsam salon- und koalitionsfähig gemacht werden soll. Die Gefahr für die Demokratie geht nicht vom „Flügel“ der AfD aus, sondern von der Annäherung und Kooperationsbereitschaft der Konservativen in der CDU/CSU mit den moderaten Rechten, deren selbsternannte Vor- und Kanalarbeiter in den rechten Zeitschriften werken und wirken.
Im Gegensatz zur eher rechtspopulistisch orientierten Zeitung Junge Freiheit, die in „Klima-Hysterie“ und „Mythos Klimakatastrophe“ einen Vorwand sehen, „um die Folgen der Migrationspolitik zu verschleiern“, kostümieren sich die drei rechten Zeitschriften seriös und vermeiden offen rassistische Begriffe und Argumente weitgehend. Dies auch aus dem durchsichtigen Grund, im medialen Betrieb satisfaktionsfähig zu bleiben wie Götz Kubitschek in seiner Zeitschrift Sezession und die Autoren in den Büchern seines Verlags „Antaios“.
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