Rechte Hetze gegen Journalistin: Linker Vortrag trotz rechter Drohungen
Wegen Gewaltdrohungen gegen die Journalistin Veronika Kracher musste eine Veranstaltung mit ihr verlegt werden. Rechter Protest blieb aus.
Veronika Kracher ist jene Frau, über die sich in dieser Woche im Internet ein riesiger Shitstorm ergossen hat, hervorgerufen von rechten Gruppen wie der AfD, den Identitären und Rechtsradikalen. Hundertfach erhielt sie übelste Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen.
Kracher hatte am Montag auf Facebook über den Gewaltangriff auf den Bremer AfD-Politiker und Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz geschrieben: „Dass #Magnitz zusammengelatzt wurde ist übrigens die konsequente Durchführung von #NazisRaus. Abhauen werden die nicht. Die werden sich bei der größten möglichen Bedrohungssituation aber zweimal überlegen ob sie offen faschistische Politik machen. Deshalb: mit ALLEN Mitteln.“
Unter anderem der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen und der österreichische Identitären-Aktivist Martin Sellner griffen diese Äußerung per Facebook auf. Sellner hat auf Twitter 30.000 Follower. Nachdem er getwittert hatte, sei Krachers Profil innerhalb weniger Minuten, so schreibt sie, „mit Kommentaren von Faschisten, Identitären, AfD-Fans und Wutbürgern überflutet gewesen“.
Konzentriert auf den Vortrag
Außerdem verwies Meuthen auf die Kracher-Veranstaltung in München, die ursprünglich im DGB-Haus hätte stattfinden sollen. Er schrieb: „Vielleicht finden sich ja einige von Ihnen, liebe Leser, die an dieser Veranstaltung teilnehmen wollen und jene Dame mal darauf ansprechen wollen“, welches „Männnlichkeitsverständnis“ Linksextremisten hätten, „die einen Bundestagsabgeordneten heimtückisch überfallen und zusammenprügeln“.
Auf dem Podium im Kafe Marat sagt Veronika Kracher: „Ich werde hier nicht zur Gewalt aufrufen.“ Sie hält ihren Vortrag, spricht über den Ursprung deutscher Burschenschaften im Jahr 1815, über den „deutschen Mann“ und „eine auf Blut und Boden begründete Idee von Deutschland“. Sie ist, natürlich, schockiert über die Vorfälle der vergangenen Tage, doch sie konzentriert sich auf ihr Thema. Kracher ist eine Journalistin, die für Konkret und Jungle World schreibt und auch einige Beiträge in der taz veröffentlicht hat.
Bis zuletzt war offen, ob diese Veranstaltung in München stattfindet. Laut zwei LGBA-Organisatoren, die ihre Namen nicht nennen wollen, habe der DGB das Bündnis ausgeladen. Die Gewerkschaft hätte dies einerseits damit begründet, dass aufgrund der rechten Drohungen die Sicherheit in ihrem Haus nicht gewährleistet werden könne, und andererseits mit den Gewalt-Äußerungen der Referentin.
Auf eine taz-Anfrage antwortet der DGB-Bayern: “Ausschlaggebend waren ausschließlich sicherheitsrechtliche Bedenken aufgrund des gesteigerten Interesses an der Veranstaltung und der Drohungen gegen Frau Kracher. In der Kürze der Zeit war es nicht möglich, genügend Sicherheitspersonal zu engagieren, das die Sicherheit im Gewerkschaftshaus München mit seiner Vielzahl an offenen Eingängen zu gewährleisten vermag.“
Keine Lichterketten gegen Rechte
Kurzfristig stellte das Kafe Marat, ein linkes Zentrum, seinen großen Raum zur Verfügung. Der neue Ort wurde nicht veröffentlicht, die Veranstaltung als privat deklariert. Die Münchner AfD-Jugend bekam dennoch Wind davon und postete den Ort am Freitag auf ihren Social-Media-Kanälen. Die reale Welt zeigt sich in diesem Fall aber gänzlich anders als die virtuelle. Der rechte Protest ist komplett ausgefallen. Beim DGB-Haus war am Abend niemand. Am Kafe Marat wurden kurz zwei Burschenschaftler gesichtet. Ein weiterer habe am Einlass gefragt, so ein LBGA-Mitarbeiter, ob er den Vortrag anhören dürfe. Er wurde aber abgewiesen.
Die Frage der Gewalt bleibt an dem Abend im Marat virulent. In der anschließenden Diskussion wird Veronika Kracher gefragt, wie groß die rechte Gefahr sei – „schließlich müssen wir uns hier im Geheimen treffen“? Sehr groß sei sie, meint Kracher, und schlussfolgert dann: „Antifaschistische Gewalt ist notwendig. Rechte werden nicht mit Lichterketten zurückgedrängt.“
Neben der Tatsache, dass der Vortrag überhaupt stattgefunden hat, verbucht das LBGA noch einen Erfolg für sich: Geschätzte 150 Besucher und Besucherinnen waren da, einige weitere mussten aus Platzgründen abgewiesen werden. Die digitalen Geschehnisse haben die Menschen angezogen. Der ursprünglich gebuchte Jugendraum im DGB-Haus wäre viel zu klein gewesen. „Normalerweise kommen 25 bis 50 Leute zu unseren Veranstaltungen“, sagt die Sprecherin.
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