Rechte Burschenschaftler im Staatsdienst: Die Regierung schaut lieber weg
Im Bundesverteidigungsministerium waren oder sind zwei Mitglieder einer rechten Burschenschaft beschäftigt. Einzelfälle? Das weiß die Regierung nicht.
S chon früh haben sich Jan G. und Marko B. für das Vaterland eingesetzt. Bei der rechtsextremen Hamburger Burschenschaft Germania (HBG) traten sie gegen „Umerziehung“ und den „Zeitgeist“ an. Die Herren haben aber noch mehr Gemeinsamkeiten: Sie machten Karriere. Beide sind oder waren im Bundesverteidigungsministerium tätig – G. als Regierungsdirektor und B. als höherer Beamter. Sind oder waren? Das Verteidigungsministerium möchte sich zu den Alten Herren der schlagenden Verbindung nicht direkt äußern.
„Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu Einzelpersonen sowie etwaigen eingestuften Verdachtsfallbearbeitungen des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst aus Gründen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte keine Auskünfte erteilen dürfen“, antwortet ein Sprecher des Ministeriums der taz. Auch zu etwaigen Disziplinarverfahren könne nach der Wehrdisziplinarordnung keine Auskunft erteilt werden, sagt der Sprecher und betont: „Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass diese Antwort weder eine Bestätigung noch eine Zurückweisung des infrage stehenden Sachverhalts darstellt.“
Schon 2020 und 2021 waren die engen Verbindungen von G. und B. zur Burschenschaft mit dem Slogan „Ehre, Freiheit, Vaterland“ aufgefallen. Im Jahr 2020 wirkte B. als Sprecher der HBG. Sein Name tauchte wie der Name seines Bundesbruders 2015 auf einer „Bierliste“ der Germanen auf. Bis heute rühmt sich die HBG ihrer Trinkgelage. Zu einem norddeutschen Heimatabend schreiben sie auf Instagram: „Wer sich erinnert war nicht dabei …“
Seit Jahren weist das Hamburger „Bündnis gegen Rechts“ auf die engen Kontakte der HBG zur rechten Szene hin. Bei den Germanen traten einschlägige Referenten auf, etwa der geschichtsrevisionistische Autor Gerd Schulze-Rhonhof oder der islamfeindliche Schriftsteller Akif Pirinçci. Auch Verbindungen zur NPD und zur Identitären Bewegung pflegte die Burschenschaft, die sich selbst „patriotisch“ nennt.
Verfassungsschutz-Erkenntnisse interessieren nicht
Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet die HBG schon lange. Dessen Erkenntnisse scheinen aber keine Relevanz für das Bundesinnenministerium zu haben. Eine Antwort an die Linke legt nahe, dass sie gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner wollte wissen, wie viele „Mitarbeiter von Bundesministerien inkl. deren nachgeordneten Bundesbehörden“ 2021 und 2022 Mitglied „einer Burschenschaft der Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG) waren. Die BG wird als rechtsextrem eingestuft. Antwort: Das „erfragte Kriterium ‚Mitgliedschaft in einer Burschenschaft‘“ werde von Bundesministerien und nachgeordneten Behörden „nicht erhoben“.
„Die Bundesregierung muss sich mal entscheiden. Entweder nimmt sie die Existenz von Rechtsextremisten und ihren Netzwerken wirklich ernst“, sagt Renner, „dann muss sie sich mit Burschenschaften beschäftigen.“ Die pauschale Rücksichtnahme auf Burschenschaften innerhalb der Sicherheitsbehörden oder Ministerien sei jedoch „ein Zeichen dafür, dass man dort manche Dinge gar nicht erst wissen möchte“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt