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Rechte Brandanschläge in Berlin-NeuköllnStaatsanwälte werden versetzt

Eine Serie von rechten Brandanschläge wird seit Jahren nicht aufgeklärt. Jetzt wird bekannt: Ermittelnde könnten Verbindungen zu Tätern haben.

Einer der Anschläge: Das angezündete Auto eines Linkspartei-Politikers am 1. Februar 2018 Foto: Ferat Kocaks/dpa

Berlin dpa | Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat die Ermittlungen zur Anschlagsserie von Rechtsextremisten im Stadtteil Neukölln übernommen. Zwei Staatsanwälte, die bisher mit den Fällen befasst gewesen seien, würden in andere Abteilungen umgesetzt. Es sei möglich, dass zumindest einer der beiden Staatsanwälte befangen sein könnte, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Dem betreffenden Juristen wird Nähe zu einem der Verdächtigen vorgeworfen.

Generalstaatsanwältin Margarete Koppers habe entschieden, sämtliche Ermittlungsverfahren zu übernehmen, in denen es um Straftaten gegen Menschen gehe, die sich in Berlin-Neukölln gegen Rechtsextremismus engagierten, hieß es. Jedem Anschein einer nicht sachgerechten Bearbeitung solle entgegen gewirkt werden. Die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in diesen Verfahren würden durch die Generalstaatsanwaltschaft überprüft und dann fortgeführt. Informationen des Tagesspiegels zufolge soll einer der beiden Staatsanwälte um Versetzung gebeten haben.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) erklärte auf Twitter, dies sei ein konsequenter Schritt. „Es darf keinen Zweifel daran geben, dass die Strafverfolgungsbehörden rechtsextreme Straftaten verfolgen.“

Nach früheren Angaben rechnet die Polizei der Serie rechtsextremer Taten in Neukölln 72 Fälle zu, darunter 23 Brandstiftungen. Viele davon wurden zwischen Ende 2016 und Mitte 2017 begangen. Nach Brandanschlägen Anfang 2018 auf die Autos eines Kommunalpolitikers und eines Buchhändlers hatte die Polizei Wohnungen von Rechtsextremisten durchsucht. Überführt werden konnten die Brandstifter nicht. Die Polizei geht von insgesamt drei Tatverdächtigen aus.

Seit Jahren kein Fortschritt bei Ermittlungen

Im Juni war bekannt geworden, dass auch gegen einen Polizeihauptkommissar ermittelt wird, der über eine frühere AfD-Chatgruppe Kontakt zu einem der Verdächtigen gehabt haben soll. Der Kommissar soll Dienstgeheimnisse an diese Chatgruppe verraten haben.

Koppers äußerte in der RBB-Abendschau Verständnis für den Ärger, der angesichts der Ergebnislosigkeit der Ermittlungen vor allem von Betroffenen geäußert wird. „Wir ermitteln schon sehr lange und wir haben einfach keinen Erfolg und das macht natürlich misstrauisch, auch vor dem Hintergrund, dass ja Pannen passiert sind.“

Wegen der langwierigen und wenig erfolgreichen Ermittlungen gibt es seit Jahren auch Vorwürfe gegen die Polizei. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte im Frühjahr 2019 eine 30-köpfige Ermittlergruppe mit dem Titel „Fokus“ eingerichtet. Sie sollte alle Fälle der Anschlagsserie in Neukölln noch einmal intensiv untersuchen.

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15 Kommentare

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  • Gut also die Täter und die Ermittlungsblockierer kennen sich und das sah für die Täter ganz nach Straffreiheit aus.



    Mal sehen ob es in Berlin anders läuft als in Dessau/ Nauenburg.

  • Linksextreme Brandanschläge: unaufgeklärt.



    Rechtsextreme Brandanschläge: unaufgeklärt.



    Is das eine Art von populistischen Bündnis in dem die sich zusammen hampeln?

  • Es gibt nichts Schlimmeres als wenn das Vertrauen in die Justiz und die Strafverfolgungsbehörden schwindet. Im vorliegenden Fall hat man allerdings den Eindruch, genau diese Wirkung sei beabsichtigt worden. Die Betroffenen und Bedrohten wurden geradezu demonstrativ im Stich gelassen und dies über einen längeren Zeitraum. Zu behaupten, es wäre "schon sehr lange ermittelt worden", grenzt an Hohn. Wie wenig passiert ist und wie groß das Mistrauen des Senats gegenüber dem Willen und den Fähigkeiten der eigenen Behörden schon länger war, zeigt sich deutlich daran, dass mal ja die Bundesanwaltschaft zur Übernahme der Ermittlungen aufgefordert hat. Die hat dies im Januar letzten Jahres abgelehnt, eineinhalb Jahre danach werden jetzt zwei Berliner Staatsanwälte ersetzt. Das ist erbärmlich wenig.

  • Dass schreit ja förmlich nach erbarmungsloser Aufklärung.



    Siehe Oktoberfest Attentat, Möln, Dessau, NSU, KSK, NSU 2.0 und was sonst so die letzten 65 Jahre im Land an rechten Anschlägen (nicht) aufgeklärt wurde... und bitte nicht vergessen, die Gefahr sitzt links!

    • @Laughin Man:

      Oja, da müssen die Politiker*innen weiter fleißig Blitzableiter aufstellen, damit die Bürger*innen kurzweilig das Gefühl kriegen, die Politiker*innen machen was.



      "Im Juni war bekannt geworden, dass auch gegen einen Polizeihauptkommissar ermittelt wird, der über eine frühere AfD-Chatgruppe Kontakt zu einem der Verdächtigen gehabt haben soll. Der Kommissar soll Dienstgeheimnisse an diese Chatgruppe verraten haben."



      Ist der eigentlich noch im Dienst?

  • 0G
    04970 (Profil gelöscht)

    Koppers: „Wir ermitteln schon sehr lange und wir haben einfach keinen Erfolg und das macht natürlich misstrauisch, auch vor dem Hintergrund, dass ja Pannen passiert sind.“

    Vielleicht könnte mal Jemand Frau Koppers erklären, dass das Verraten von Dienstgeheimnissen an Täter sowie Strafvereitelung im Amt keine Pannen, sondern Verbrechen sind?

  • kl Anmerkung - Umsetzung - ist was anderes als Versetzung. Newahr.

    unterm— zwei Paar Stiefel —



    “ Umsetzung ist in Deutschland die Übertragung eines anderen Dienstpostens an Beamte innerhalb derselben Behörde. Sie ist eine innerdienstliche Weisung und ohne gesetzliche Voraussetzungen und ohne Zustimmung des Beamten zulässig. Die Umsetzung kann mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden sein.…“ wiki



    & Däh! “Erste Hilfe“ - 🥳 -



    “ Versetzung, Abordnung, Umsetzung – Was ist der Unterschied?

    Die drei Begriffe bezeichnen verschiedene Maßnahmen mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf Beamtinnen und Beamte:

    Eine Versetzung ist gem. § 28 BBG die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle bei demselben oder einem anderen Dienstherrn. Dabei kann die Versetzung bloß organisatorischer Natur sein, sie kann sich aber auch auf Amtsbezeichnung, Laufbahn oder Besoldung beziehen.



    Die Abordnung gem. § 27 BBG unterscheidet sich von der Versetzung durch ihre zeitliche Begrenzung. Die übertragene Tätigkeit muss dem Amt entsprechen, zum Teil ist eine Zustimmung der Beamtin oder des Beamten erforderlich.



    Eine Umsetzung bedeutet die Zuweisung eines anderen Aufgabenbereichs innerhalb derselben Behörde.“



    www.jasperprigge.d...ung-und-umsetzung/

    …servíce & Gern&Dannichfür - 👺 -

  • ...wundert das wirklich, wenn der Juristenstand heute immer noch oft burschenschaftlich-nationalistische Riten pflegt?! Die Öffentlichkeit sollte Aufklärung über die Zustände verlangen, man denke an Weimar......

  • Als ob dass die einzigen Brandanschläge in Berlin wären, die nicht aufgeklärt werden...

    • @Trango:

      Sie raunen so bedeutungsschwanger.

      Was meinen Sie denn jetzt genau?

      • @tomás zerolo:

        Wahrscheinlich meint er, dass rechts- und linksextreme Brandanschläge gleichermaßen zugenommen haben und das es Leute geben soll - aus beiden Lagern - für die diese ein duftes Späßchen sind. Quasi nach dem Motto Mein Kakerl ist echt dufte.

        • @Rudolf Fissner:

          Wenn das so ist, dann hier mein Rat an @TRANGO und an Sie: passen Sie mit dem Hufeisen auf. Manche, die damit allzusehr herumgefuchtelt haben sind auf dem rechten Auge blind geworden.

          Ich behaupte: "linksextreme Brandanschläge" haben nicht so zugenommen, wie rechtsextreme. Wenn Sie die Berichte des BfS als Grundlage nehmen, dann sollten Sie mehr ins Detail gehen. Filzstiftattacken gehen dort auch schon mal als Gewalt -- so die von links kommen.

    • @Trango:

      Es geht hier nicht "nur" um Brandanschläge, sondern um Übergriffe, Angriffe auf und Bedrohungen von Menschen die sich dem rechten Terror entgegenstellen.

      • @Sciaridae:

        Und der Innensenator lässt bei den bösen Linken durchaus mit Spezialkräften die Tür eintreten...

        • @Andreas Maschler:

          Und?Wollen Sie das nun mit Türeintreten wegen Rechtsextremismus vergleichen?