Rechstextreme und das Justizsystem: „Ein Schlag ins Gesicht“
Trotz Protest der Stadt durften Rechtsextreme ein Event im Schweriner Rathaus abhalten, entschied die Justiz. Sie untergräbt ihre Glaubwürdigkeit.
![Blick auf die Schweriner Altstadt Blick auf die Schweriner Altstadt](https://taz.de/picture/6891398/14/34910036-1.jpeg)
R echtsextreme Personen machen rechtsextreme Sachen. Doch müssen diese Staatsfeinde ihre Veranstaltungen ausgerechnet in staatlichen Räumlichkeiten ausrichten? In Schwerin befand die Dritte Kammer des Verwaltungsgerichts kürzlich, dass die Junge Alternative (JA) im Rathaus der mecklenburg-vorpommerischen Landeshauptstadt den Demmlersaal für eine Veranstaltung nutzen darf.
Auch der Rechtsextremist und Verleger Götz Kubitschek durfte vergangenen Samstag auftreten. Die Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft hatten erfolglos versucht, das zu verhindern. Eine wehrhafte Demokratie scheint in diesem Konflikt nicht wehrhaft gewesen zu sein.
Am Samstagabend demonstrierten über 100 Menschen gegen die Veranstaltung vor dem Rathaus. Eine Blockade am Eingang verärgerte die JA, sodass sie selbst räumen wollten. Nicht einmal die offiziellen Blockade-Räumungsarbeiten der Polizei wartete sie ab. Daniel Fiß, einst stellvertretender Bundesvorsitzender der rechtsextremen Identitären Bewegung, ging sechs Blockierende an, Kubitschek drängte sich durch, berichten Beobachter*innen von vor Ort. Schon die Aktion offenbart, dass in den Kreisen Ansagen der Staatsmacht wenig geachtet werden.
Die Stadt wollte der JA die anfänglich zugesprochene Raumnutzung wieder absprechen. Die JA, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, habe bei der Anmietung nicht angegeben, dass Kubitschek der Referent ist.
Ein wichtiges Signal
Das neurechte Institut für Staatspolitik (IfS), dessen Mitgründer Kubitschek ist, hat das Bundesamt ebenso als rechtsextrem eingestuft. Die AfD-Jugend hätte unter Vortäuschung falscher Tatsachen eine Genehmigung erhalten, so die Stadt. Der Auftritt von Kubitschek sei mit der Würde des Hauses nicht vereinbar.
Das ist ein wichtiges Signal. Personen, die sich selbst in die antidemokratische Tradition der Konservativen Revolution stellen – ein Herrenkreis der 20er Jahre mit tiefem Hass auf Liberalität, Parlamentarismus und Demokratie –, sollten nicht unnötig demokratische Räume geöffnet werden. Weder bei örtlichen Räumen noch im diskursiven Raum.
Selbst aus der CDU kamen klare Worte für eine Brandmauer. Die bleiben sonst bei den Ost-Verbänden oft aus. Schwerins Stadtpräsident Sebastian Ehlers (CDU) führte beim NDR aus, dass der Demmlersaal, in dem die Stadtvertretung tage, die Herzkammer der Demokratie der Landeshauptstadt sei und kein Ort für Rechtsextremisten.
Das Verwaltungsgericht würdigte diese Bedenken allerdings nicht. Die JA hatte das Gericht angerufen und darauf hingewiesen, dass sie bereits in der Vergangenheit im Demmlersaal Vorträge veranstaltet habe.
Die dritte Kammer erklärte, dass der Saal „faktisch“ eine öffentliche Einrichtung sei, er werde von der Stadt auch für politische Vortrags- und Schulungsveranstaltungen vergeben. Auf diese Vergabe könne sich die JA berufen – auch aus Gründen des im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dass das Bundesamt beide Strukturen als rechtsextreme bewertete, scheint irrelevant. Der Zugriff der Zuständigen wird so nicht greifen.
Die Forderung bei den unzähligen Demonstrationen mit über 4 Millionen Teilnehmenden, endlich stärker im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit gegen die rechtsextremen Staatsfeinde vorzugehen, verpuffen so.
Die Gerichte sind unabhängig. Ein hohes Rechtsgut, das es zu verteidigen gilt – eben auch gegen die AfD. Diese Rechtsextremen wollen aber nicht bloß spielen oder provozieren, sie wollen mächtiger werden, um handeln und verändern zu können. Gerichte sollten so auch wahr- und ernst nehmen, was diese Kreise sagen und schreiben.
Worte sollten Taten folgen
Und ein Kubitschek wird deutlich. In der Standardschrift der Szene, „Provokation“, führt er aus: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache.“ Das Ende des Konsenses impliziert das Ende einer Demokratie, in der um den Konsens gestritten wird. Die andere Sprache, die angestrebt wird, bedeutet, dass sie den Ton angeben wollen.
Und er wird noch deutlicher: „Wozu sich auf ein Gespräch einlassen, auf eine Beteiligung an einer Debatte? (…) Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“ Solchen Worten folgten schon Taten. Es ist dringend notwendig, dass alle Zuständigen den Worten Konsequenzen folgen lassen. Dann könnte der Zugriff gelingen.
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