Reaktionen auf den Brand in Tröglitz: „Ein Anschlag auf den Rechtsstaat“
Die Empörung nach dem Brand in einem künftigen Flüchtlingsheim in Tröglitz ist groß. Wer hinter dem Anschlag im Süden Sachsen-Anhalts steckt, ist offen.
TRÖGLITZ dpa | Fassungslosigkeit und viele offene Fragen: Einen Tag nach dem Anschlag auf ein fast fertiges Flüchtlingsheim in Tröglitz in Sachsen-Anhalt ist weiter unklar, wer das Haus in Brand setzte. Mit Nachdruck würden die Ermittlungen über Ostern fortgesetzt, teilte die Staatsanwaltschaft Halle am Sonntag mit. Nähere Angaben machte die Behörde nicht. Die Spurensicherung am Brandort ist laut Polizei inzwischen abgeschlossen.
Das Feuer war in der Nacht zum Samstag gelegt worden und zerstörte den Dachstuhl. Ob Fremdenhass das Motiv war, ist nicht bestätigt. Die Ermittler halten einen politischen Hintergrund aber für naheliegend. Seit Wochen machen Rechtsextreme in Tröglitz Stimmung gegen die Aufnahme von Asylbewerbern. Anfang März hatte der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth (parteilos) wegen rechtsextremer Anfeindungen sein Amt niedergelegt.
40 Flüchtlinge hätten im Mai in dem Gebäude vorerst ein Zuhause finden sollen. Wann das Gebäude wieder bewohnbar ist, ist unklar.
Der Brandanschlag löste große Empörung aus – auch über Deutschland hinaus. Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, mahnte, ein solcher Vorfall sollte die Alarmglocken in Europa angehen lassen. „Die Demokratie wird zunehmend bedroht durch rassistischen, fremdenfeindlichen, politischen und religiösen Extremismus.“
Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach in der Welt von einem „Anschlag auf unseren Rechtsstaat.“ Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) appellierte in der Bild am Sonntag: „Wir dürfen beim Kampf gegen Rechtsradikalismus nicht nachlassen.“ Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), erklärte: „Wir alle müssen den Tätern zeigen, dass sie mit ihrem Hass alleine stehen.“
Der evangelische Pfarrer von Tröglitz, Matthias Keilholz, berichtete am Sonntag, dass es eine „große Betroffenheit“ unter den Gemeindemitgliedern gebe. In der Begrüßung zum Ostergottesdienst sei er auf den Brandanschlag eingegangen. „Unter dem dunklen Eindruck der Geschehnisse ist es umso wichtiger, Ostern zu feiern und den Mut und die Hoffnung für die Weiterarbeit neu zu gewinnen“, fügte er hinzu.
Am Samstagnachmittag hatten bereits mehrere hundert Menschen in dem Ort für ein weltoffenes Tröglitz demonstriert. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nahm daran teil.
Das Internationale Auschwitz Komitee und die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, forderten eine Beschleunigung des NPD-Verbotsverfahrens. „Die Partei ist der staatlich subventionierte Nährboden der nationalsozialistischen Ideologie“, erklärte Knobloch. Sie reagierte damit nicht nur auf den Anschlag von Tröglitz, sondern auch auf die Beschädigung einer Gedenktafel an der KZ-Gedenkstätte Jonastal in Thüringen durch Unbekannte.
Leser*innenkommentare
Frost
Wo soll denn dieser Rechtsstaat sein, Herr Kauder? In einer Plutokratie, kann es keinen Rechtsstaat gehen. Wo das Kapital, die Rechte missbraucht, da wächst bald kein Gras mehr. Wer am lautesten Rechtsstaat brüllt, wie Herr Kauder, weiß doch schon längst, das es diesen gar nicht mehr gibt.
tazzy
"Die Ermittler halten einen politischen Hintergrund aber für naheliegend."
Das nennt man wohl unfreiwillige Komik! Aber wahrscheinlich muss man bei unseren auf dem rechten Auge blinden Ermittlungsbehörden schon dankbar sein, wenn sie nicht wie bei den NSU-Morden davon ausgehen, dass türkische Dönerbuden-Besitzer die Täter sind.
Igor Levin
...ich versteh echt nicht, warum da jetzt auf einmal so ein Geschrei gemacht wird. Ist doch bei weiten nicht der erste Anschlag auf Fluechtlingsheime dieses Jahr, fertig oder nicht fertig...
1714 (Profil gelöscht)
Gast
@Igor Levin Was soll man denn nach Ihrer Meinung machen? Wegsehen? Schultern zucken?
Age Krüger
@1714 (Profil gelöscht) Ich würde vorschlagen, langfristige, evtl. aber auch kostspielige Projekte zu entwickeln, die den Rassismus und den Faschismus in der BRD, insbesondere in der Ostzone, bekämpfen.