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Reaktionen auf SwissleaksDer Hoeneß fehlt

Zehntausende Anleger parken Milliarden an Schwarzgeld in der Schweiz. Eine Enthüllung der Superlative. Warum regt das denn kaum jemanden auf?

Staatsbürger aus 203 Ländern haben ihre Geldkoffer in die Schweizer Filiale der britischen HSBC gebracht. Bild: imago/Ralph Peters

Es ist der weltweit größte Diebstahl: Jedes Jahr hinterziehen die Vermögenden etwa 130 Milliarden Euro an Steuern, indem sie ihr Geld in Steueroasen parken. Allein in der Schweiz lagert ein Auslandsvermögen von rund 1.800 Milliarden Euro, wovon 1.000 Milliarden Europäern gehören.

Diese statistischen Schätzungen stammen vom französischen Ökonom Gabriel Zucman – und bisher gab es nicht mehr. Doch jetzt am Montag explodierte eine Datenbombe: Ein Internationales Konsortium von Investigativen Journalisten (ICIJ) publizierte detaillierte Konto-Informationen, die der franco-italienische IT-Fachmann Hervé Falciani bei der Schweizer Tochter der britischen Großbank HSBC entwendet hatte.

Es war der größte Raub von Steuerdaten in der Geschichte: Auf 59.802 Konten lagerten mehr als 75 Milliarden Euro, die Staatsbürgern aus 203 Ländern gehörten. Auch 2.106 Deutsche waren darunter, die etwa 4,4 Milliarden Euro versteckt hatten.

Doch merkwürdig: Die Empörung hielt sich in Grenzen, obwohl es eine Nachricht der Superlative war. Die Sprecherin von Finanzminister Schäuble kommentierte nur müde: „Das kann ich und möchte ich im Moment nicht bewerten.“

Es ereignet sich ein Skandal, aber fast niemand findet ihn skandalös. Wie kann das sein?

Vielleicht ist es die Macht der Gewöhnung. Nur Schweizer leugnen, dass die Schweiz eine Steueroase ist. Für den Rest der Welt sind Schwarzgeldkonten in Zürich etwa so neu und interessant wie die Aussage, dass Wasser immer bergab fließt.

Zudem sind Falcianis Daten nicht taufrisch, sondern stammen aus den Jahren 2006 und 2007. Die Finanzbehörden wissen längst Bescheid, und in vielen Ländern wurden die Steuersünder auch schon bestraft.

Es muss ein Promi involviert sein

Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass man es nur mit ollen Kamellen zu tun hätte. Die Steuerflucht geht weiter, wie Zucman mit seinen statistischen Auswertungen zeigen konnte: 2009 wurde auf einem G-20-Gipfel in London zwar „das Ende des Bankgeheimnisses“ beschlossen. Trotzdem sind die Auslandsvermögen in der Schweiz seither um 14 Prozent gewachsen.

Allein in Deutschland entgehen dem Staat jährlich 10 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, weil die Vermögenden ihr Geld ins Ausland schaffen. Doch dies ist eine abstrakte Zahl – und Politik funktioniert wie ein Roman. Es muss Helden und Schurken geben sowie reuige Bösewichter.

Doch die Steuerflüchter bleiben meistens anonym. Selbst wenn sie auffliegen und von den Finanzbehörden verfolgt werden, erfährt die Öffentlichkeit normalerweise nicht von ihrer Straftat.

Auch das Journalistenkonsortium traute sich kaum, Namen zu nennen. Von den rund 2.000 deutschen Kontoinhabern bei der HSBC blieben alle geheim. Denn vor einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung – und danach das „Resozialisierungsinteresse“. Daher blieb es bei einer spärlichen Angabe über die HSBC-Sünder: „Auch deutsche Politiker tauchen auf, allerdings weder aktuelle noch exponierte.“ Das ist nicht der Stoff, der sich für öffentliche Empörung eignet.

Für einen Erregungsskandal muss ein Promi involviert sein. Bayern-Manager Hoeneß passte da bestens, der 28,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen hatte und zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.

An der Steuerflucht wird sich ohne öffentliche Erregung wenig ändern, umgekehrt führt aber Empörung allein noch nicht zu sinnvoller Politik. Wie Zucman ernüchtert feststellte, sind es vor allem „die kleinen Fische“, die neuerdings erwischt werden.

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17 Kommentare

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  • Deutschland bietet Firmen und Kapitalbesitzern so viele Möglichkeiten, keine Steuern zahlen zu müssen, was soll man sich noch aufregen über ein paar hundert Mrd, die dem Staat durch illegale Aktionen verloren gehen, solange Schäuble und der Rest der Regierung dafür sorgt, dass auf legalem Wege der Staat viel zu wenig Steuern einnimmt, um seinen Aufgaben gerecht zu werden.

    • @Age Krüger:

      wobei zu beachten ist Schäuble hat sich gegen das Gesetz das Aufklärung geführt hat gewehrt, dei SPD hat den Druck gemacht, was sie sicher jetzt bereut, Schäuble wollte ja eine Amnestie für alle Steuersünder jaja als alter Kenner der Scene mit seinem 100.000 DM Koffer war ja Schäuble nicht ganz unbelastet !

  • ach, wäre schön, wenn ich soviel Geld hätte, dass ich mir ein Schwarzkonto in der CH anlegen könnte und ja, wenn ich dann Steuern nachbezahlen müsste, hätte ich sicher immer noch mehr Geld in der Tasche, wie jetzt !

  • Klar: "Die Empörung hielt sich in Grenzen".

     

    Schließlich ist der frisch gekürte EU-Kommissionschef

    Jean-Claude Juncker der Ex-Regierungschef genau einer der penetrantesten und dreistesten Steueroasen, inmitten der EU.

     

    Da fasst man sich doch an den Kopf, wenn ausgerechnet der Vertreter aller EU-Steuerschwindler Griechenland zur "Sparsamkeit" rät.

     

    Hoffentlich macht die neue griechische Regierung Druck und Ernst mit den Steuerbetrügern im eigenen Land.

     

    Das könnte durchaus Vorbildcharakter bekommen - europaweit.

  • "Es ereignet sich ein Skandal, aber fast niemand findet ihn skandalös. Wie kann das sein?"

    Hier weitere Antworten: Weil die Presse die Sache niedrig hält? Weil Namen feigerweise nicht veröffentlicht werden? Weil die Presse sich stattdessen lieber mit der Dämonisierung Putin beschäftigt? Weil die Ukraine-Problematik tatsächlich wichtiger als die Schmarotzer des Top-1% sind?

    • @XXX:

      Dämonisierung von Putin? Der Witz ist gut. Sehr gut!

  • Es regt sich keiner auf ,weil die Summen so abstrakt sind. Man kann sich das nicht vorstellen. Und ausserdem denkt der Bürger , das das Geld vielleicht auch von den Politikern nur verschleudert und weggeschleppt wird.Ausserdem so lange es allen noch halbwegs gut geht, passiert nichts , dann ist man zu bequem. Man denkt, lass sie doch scheffeln, ich bin zufrieden. Das ist nicht nur Mist sondern gefährlich. Wenn man sieht , wo das Geld überall fehlt! Es müsste eine starke Organisation geben, die ständig und andauernd Wirbel macht. So wie unsere Umweltorganisationen. Das muß richtig reingplokkert werden in die Bürgerhirne . So wie Genmanipuliertes , da lief die Aufklärung auch super. Das will auch keiner. Plakate, Fernseh , Presse. In Schweden, wo das Steuermodell anders läuft, fühlen sich die Bürger wohl direkt bestohlen und werden stocksauer , wenn einer hinterzieht .Da merken die das ihnen direkt was weggenommen wird.Anhand dieses Beispiels habe ich erst verstanden , was Steuerhinterziehung eigentlich konkret bedeutet. Wir werden bestohlen. Man kann es in die Köpfe transportieren, aber das muß von mehreren Seiten organisiert werden. Das darf nicht nur von den Linken kommen, denen glaubt der Bürger nicht. Die wurden unmöglich gemacht , der Normalo denkt, wenn umgesetzt wird , was die sagen, bricht die Wirtschaft zusammen.

  • Ich finde ja nicht die Neidsache gefaehrlich, weil ich weiss, dass der staat im Ausgeben der Steuer dasselbe macht, aber die fortgeschrittenen und institutionalisierten Techniken zur Durchfuehrung und Marginalisierung von Zeugen und Opfern auf allen Ebenen sind die Frechheit aus dem Schaden heraus. Ich trau mich jederzeit alles Schreiben. Opfer sind so. Nun endlich klar, dass das ueber die Generationen geht und "Skills" der "Eliten" produziert.

  • es gibt immer noch genug die diesen kriminellen hinten rein kriechen. insbesondere die ach so seriösen berater und anwaltsfabriken. offensichtlich gibt es aber gesetze die dies ermöglichen. dann sind aber wiederum unsere politiker, die diese gesetze erlassen an den pranger zu stellen. egal wie man es dreht und wendet, der fisch stinkt vom kopfe her und da stinkt es gewaltig.

  • Dass Milliarden an Schwarzgeld durch die Banken der Welt geistern, überrascht in der Tat niemanden mehr. Viel interessanter scheint mir da schon die Frage nach der Quelle solcher Geldmengen bei überschaubar wenigen Menschen zu sein. Man kann schließlich auch Schmeißfliegen nicht wirksam bekämpfen, indem man ständig die Scheißhaufen weiter vergrößert.

  • So sind Eliten, ob im Feudalismus oder im Kapitalismsus. Gleichheit vor dem Recht ist eine Fiktion. Verteilungsgerechtigkeit sowieso. Jedes Zugeständnis an die Masse seit dem 19. Jahrhundert wurde mit Blut, Schweiß und Tränen von Reformern, Gewerkschaftlern, Sozialisten erkämpft und im großen Systemkonflikt zähneknirschend gewährt. Das ist seit 1990 vorbei, seidem werden wieder viktorianische Verhältnisse zementiert, oben wie unten. Da hilft nur eins, regime change, Enteignung jeglichen Besitzes über €1 Million Euro und solche steuerhinterziehenden Schwerbrecher an den Klöten aufgehängt (OK, das letzte ist jetzt nur im Zorn gesprochen)

  • Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzen wird Diebstahl von Geld seit 150 Jahren bestraft. Immer sitzen die kleinen Betrüger im Knast: "Die Kleinen hängt man und die Grossen lässt man laufen" sagt schon der Volksmund.

    Länder werden durch die großen Gangster zerrüttet, wie aktuell der Staat Griechenland, aus dem unsere europäische Philosophie stammt. Und dann kommt Krieg und Faschismus und die gleichen Gangster reiben sich wieder die Hände. Ich wünsche mir, dass das Deutsche Fernsehen mit versteckter Kamera die Besucher der Grossbank UBS auf dem Paradeplatz in Zürich filmt. Man wird zahlreiche Leute aus Deutschland entdecken!

  • Woher kommen die 10Mrd/Jahr an entgangenen Steuern infolge von Steuerflucht? Auch von Zucman?

     

    Laut Wikipedia gab es 2013 ein Steueraufkommen von 620€. Gemessen daran scheinen 10Mrd erstaunlich niedrig (1.6%). Wieviel Steuern werden insgesamt hinterzogen und wie will man das wissen?

    • @phelixxx:

      10 Mrd. sind 1,6 % von 620?

      Hab ich in Mathe so wenig aufgepasst?

      • @Ute Krakowski:

        10 Mrd sind 1,6% von 620 Mrd.

        Ich denke wer nicht nur in der Schule aufpasst kann sich das denken, dass da nur das "Mrd" fehlte....

  • Irrtum, es gibt noch ganz andere Steuerparadiese als die Schweiz. Man gehe einmal nach Luxemburg, da hält aber Herr Junker seine Hände über alle Briefkastenadressen. Auch in England und Amerika sind sie zu finden, diese Steuerparadiese. Seltsam, dass man immer nur auf die Schweiz zeigt, aber all die anderen mehr als 20 Steuerparadiese bleiben ungeschoren. Vielleicht empört sich deshalb keiner mehr, weil die Heuchelei erkannt wird und es eigentlich keinen mehr interessiert denn hat sich Dank der zusätzlichen Steuereinnahmen etwas für die Bürger verändert? Geht es wenigstens durch Zuschüsse in den Altenheimen besser zu und her? Nix, also warum sich aufregen und empören? Es gibt angesichts eines drohenden Krieges wirklich brisantere Themen.