Reaktionen auf COP27: Allianz der Unwilligen
Was hat die COP27 gebracht? Nicht viel, kritisieren Akteur:innen und fordern, das Konzept der Klimakonferenzen zu überdenken.
Es sei mühsam gewesen, äußerte sich der Präsident des Gastgeberlands, Samih Schukri, über die vergangene UN-Klimakonferenz. „Am Ende haben wir geliefert“, sagte Schukri. Es sei ein großer Fortschritt in Sachen Solidarität, heißt es aus dem Bundesentwicklungsministerium (BMZ). Jochen Flasbarth (SPD), Staatssekretär im BMZ, sprach sogar vom „größten entwicklungspolitischen Erfolg in der Geschichte der Klimaverhandlungen“.
Mehr als 130 Länder hatten einen neuen Fonds gefordert, der ihnen bei der Bewältigung der Schäden durch Überschwemmungen, Dürren und andere klimabedingte Auswirkungen helfen soll. Ein solcher Fonds steckt jetzt im Abschlusstext der COP27 – und das nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung, ob und wie die Staatengemeinschaft für Schäden und Verluste aufkommen soll. Dass es überhaupt zu einem Fonds kommen wird, daran gab es im Vorfeld Zweifel. „Ich bin so froh, dass sie sich geirrt haben“, sagte die Klimabeauftragte der Marshallinseln, Kathy Jetnil-Kijiner. Wie der Topf finanziert werden soll, steht jedoch noch nicht fest.
Die EU hatte vorgeschlagen, dass auch wichtige Schwellen- und Industrieländer in den Finanztopf einzahlen sollen. Schwellenländer mit hohen Emissionen wie etwa China müssten dann ebenfalls einen Beitrag leisten.
Auch die USA treten auf die Bremse
Aber China sieht sich nach Worten seines Klimaunterhändlers Xie Zhenhua nicht in der Verantwortung, in einen Geldtopf für Klimaschäden einzuzahlen. Entwicklungsländer, zu dem sich China weiterhin zählt, sollten auf „freiwilliger Basis“ einzahlen.
Klimaforscher Mojib Latif
Auch die USA treten bereits auf die Bremse: Eine juristische Haftung oder Entschädigung für hauptsächlich von den Industriestaaten verursachte Klimawandelschäden sei ausgeschlossen. Der Fonds werde sich allein darum drehen, was akut gegen Klimaschäden getan werden kann, teilte das US-Außenministerium mit.
„Wir verschwenden zu viel Zeit damit, über den Mechanismus zu diskutieren“, kritisierte währenddessen Farah Kabir, Leiterin von ActionAid in Bangladesch. Ähnliche Kritik äußerte auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres: Der Fonds sei wichtig. „Aber er ist keine Antwort darauf, wenn die Klimakrise einen kleinen Inselstaat von der Landkarte spült – oder ein ganzes afrikanisches Land in eine Wüste verwandelt.“ Die Welt müsse ihre Klimaambitionen deutlich verstärken – und genau das passiert nicht, kritisieren einige.
„Wir haben bei der Minderung (von Emissionen) versagt“, stellte die Umweltministerin der Malediven, Aminath Shauna, fest. Das Ergebnis der COP27 ist auch: Kein fossiler Ausstiegspfad. Kein klares Bekenntnis zu den im Jahr 2015 in Paris beschlossenen Klimazielen. Die einvernehmliche Kritik vieler Akteur:innen lautet deshalb: In Scharm al-Scheich wurde die unzureichende Klimapolitik vieler Länder einfach bestätigt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nannte das Ergebnis „dramatisch“.
Keine Pflicht zur Überarbeitung von Klimaschutzplänen
Die nächste Weltklimakonferenz findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Bis dahin sind die Staaten dazu aufgefordert, ihre Klimaschutzpläne nachzubessern. Eine Verpflichtung dazu gibt es nicht.
Auch deshalb hinterfragen Wissenschaftler:innen, ob eine jährlich stattfindende Konferenz in diesem Format überhaupt funktionieren kann. Eine Allianz der größten Verursacher von Treibhausgasen sei möglicherweise effizienter, als mit so vielen Ländern wie möglich um Einigung zu ringen, glaubt der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström. Er wünscht sich zudem mehr Wissenschaftler:innen an den Verhandlungstischen.
Eine „Allianz der Willigen“ forderte der Kieler Klimaforscher Mojib Latif im Deutschlandfunk, um gegen die Erderwärmung vorzugehen. Auf die Frage, was am Ende von der 27. Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich bleibt, sagte er: „Stillstand“, und kritisiert: „Die 1,5-Grad-Marke werden wir auf jeden Fall reißen.“ (mit dpa und reuters)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles