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Reaktion auf Macron-Auftritt in DresdenAuf Exkursion zur Macron-Rede

Frankreichs Präsident fordert in Dresden Frieden und eine gemeinsame europäische Verteidigung ein. Die angereisten Zuhörenden applaudieren freundlich.

Wurde in Dresden freundlich empfangen: Frankreich-Präsident Emmanuel Macron Foto: Matthias Rietschel, Reuters

Dresden taz | Es ist ein Platz für historische Reden, dieser Dresdner Neumarkt vor der Frauenkirche. Vor deren damaliger Ruine erkannte am 19. Dezember 1989 der politisch angeschlagene CDU-Kanzler Helmut Kohl seine historische Chance und hielt die vielleicht demagogischste Rede seiner Amtszeit. Er pries das zu erwartende Einheitsglück und versprach blühende Landschaften – und die Ossis lagen ihm zu Füßen und flehten um den Einlass ins Paradies.

Da wirkten tausende sächsische Schüler, mit vom Freistaat bezahlten Bussen angefahren, doch um einiges emanzipierter, als sie am Montagabend dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zuhörten. Erlöst werden wollten sie jedenfalls nicht, aber auch nicht unbedingt ermuntert. Europa ist für sie so selbstverständlich, dass sie seine Bedrohungen durch den russischen Krieg gegen die Ukraine und die Rechtsdrift auf dem eigenen Kontinent noch nicht so schrill alarmiert.

Für eine Gruppe aus dem Französischkurs eines Görlitzer Gymnasium war die Fahrt nach Dresden eine willkommene Exkursion und alles andere als eine Pflichtübung. Konnte man die „Fete de l´Europe“ auf dem Neumarkt doch in jeder Hinsicht wörtlich nehmen und zu den bis an die Elbe dröhnenden Lautsprecherbatterien ein wenig herumhopsen.

Jämmerlicher Rechtsaußen-Protest

Zum Programm gehörte aber auch der mehrsprachige Auftritt des Jugendchores vom Romain-Rolland-Gymnasium auf einer der beiden großen Showbühnen. Brigitte Macron hatte die Schule zuvor besucht. Laut Statistischem Bundesamt geht in ostdeutschen Ländern allerdings das Angebot an Französischunterricht zurück.

Neben den Schülern kamen auch zahlreiche Dresdner jeden Alters auf den mit historischen Kopiebauten wiedererrichteten Neumarkt. Die erwartete Zahl von 15.000 Teilnehmern dürfte tatsächlich erreicht worden sein. Am Rande des Platzes hatten europäisch orientierte Einrichtungen wie das Institut Francais, die Deutsch-Polnische-Gesellschaft oder die Europa-Union Informationszelte aufgebaut.

Der französische Präsident traf mit einstündiger Verspätung gegen 18 Uhr ein, begleitet und eingeführt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Das kulinarisch-folkloristische Programm und der Besuch eines Dresdner Fraunhofer-Forschungsinstituts zuvor hatten mehr Zeit beansprucht als vorgesehen. Am ehemals kurfürstlichen Jagdschloss Moritzburg, bekannt geworden durch den Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, blamierten etwa 25 Anhänger der rechtsextremen „Freien Sachsen“ den Freistaat nach Kräften. Mit Plakaten wie „Raus aus der EU – Heimat!“ und der absurden „Säxit“-Forderung protestierten sie gegen Macron.

Der nach seiner Absage vor einem Jahr mit umso größerer Spannung zur Fete de l´Europe erwartete Redner sprach leidenschaftlich, aber überraschte nicht mit neuen, spektakulären Aussagen. Seine auch international beachtete Dresdner Rede setzte im Grunde die berühmt gewordene Sorbonne-Rede von 2017 fort, die er schon im April dieses Jahres an derselben Pariser Universität im selben Tenor weitergeführt hatte. Emmanuel Macron warnt vor inneren und äußeren Bedrohungen Europas, appelliert an ein stärkeres kollektives Selbstbewusstsein aus dem Geist humanistischer Traditionen heraus, fordert den Ausbau gemeinsamer militärischer Verteidigungskraft und eine Reduzierung der Abhängigkeit von den USA.

Appell für gemeinsame, europäische Verteidigung

Macron begann und schloss nach Manuskript in deutscher Sprache, sprach sonst weitgehend frei auf Französisch. Nach den üblichen Artigkeiten gegenüber den sächsischen Gastgebern und dem obligatorischen Lob für ihre Empörung gegenüber dem DDR-SED-System 1989 widmete er das erste und längste Kapitel dem russischen Überfall auf die Ukraine. Eben diese gelobten Ostdeutschen müssten doch am besten wissen, was Sowjetdominanz bedeutet, betonte Macron. Und von welcher Humanität könne man in Europa noch sprechen, „wenn wir das Recht des Stärkeren gelten lassen“? Damit bedrohe Russland auch die Sicherheit Europas, woraus Macron eine bedingungslose Unterstützung der Ukraine ableitet.

„Wir führen keinen Krieg gegen das russische Volk“, betonte der Präsident den Willen zu einem Frieden für alle. Allerdings dürfe man die Verantwortung für die eigene Sicherheit nicht wie bisher nur an die USA delegieren. Seinen Trend zu größerer Distanz zu den Amerikanern setzte Macron mit Überlegungen fort, wo man Waffen einkaufe, in Europa oder in den USA. Beim Aufbau einer gemeinsamen europäischen Verteidigung solle man aber auch nicht in die „nationalistische Falle“ tappen. Zum möglichen Einsatz an die Ukraine gelieferter Waffen auch auf russischem Territorium sagte Macron nichts.

Im zweiten Teil widmete sich der Redner dem für Europa bislang konstitutiven Wohlstand auf Basis des Wirtschaftswachstums. Er nannte China und die Amerikaner als Konkurrenten in einem Atemzug, die sich beide „keinen Regeln unterwerfen“. Bürokratieabbau, aber Regeln für einen fairen Wettbewerb bildeten einen dritten, wenig überraschenden Teil der Macron-Rede. Der französische Präsident schloss pathetisch mit Appellen an einen „Humanismus 2.0“ und an ein positives Bild der Demokratie in den Köpfen. „Ich zähle auf Sie, genauso, wie Sie auf mich zählen können“, wandte er sich vor der zur Europahymne erhobenen Schillerschen „Ode an die Freude“ abschließend an die jungen Zuhörer.

Die applaudierten zwar reichlich, aber weit weniger euphorisiert als der Redner selber. Breite Zustimmung, keine Proteste, aber es wäre auch zu hoch gegriffen, von Begeisterung der Sachsen zu sprechen. Ihr „Geenich Kurt“, der von 1990 bis 2002 amtierende Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, gehörte schließlich mindestens zu den Europaskeptikern. Nach einer halben Stunde begannen die hinteren Reihen abzuwandern. Daran änderte auch die Kameraperspektive nichts, die Macron auf den drei Großbildleinwänden gelegentlich im Profil mit prophetisch hochgerecktem Kinn zeigte.

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