Razzia in drei Bundesländern: Polizei zerschlägt Terrorzelle

Islamisten sollen in Berlin einen Anschlag geplant haben. Die Beamten ermitteln gegen vier Algerier. Es soll Verbindungen nach Belgien geben.

Vermummte Polizisten führen einen Mann ab, dessen Kopf mit einem Handtuch verdeckt ist

Polizisten führen in Berlin einen Verdächtigen ab. Foto: dpa

BERLIN dpa | Vier Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben womöglich einen Anschlag in der deutschen Hauptstadt geplant. Bei einer großangelegten Razzia Hunderter Polizisten in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurde die islamistische Terrorzelle am Donnerstag zerschlagen. Ermittelt wird gegen vier Algerier im Alter zwischen 26 und 49 Jahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, wie die Polizei in Berlin weiter mitteilte. Es gab drei Festnahmen.

„Es geht um mögliche Anschlagsplanungen für Deutschland – konkret für Berlin“, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde, Martin Steltner, der Deutschen Presse-Agentur. Eine Verbindung zu den Terrorwarnungen an Silvester in München oder zur Absage eines Fußball-Länderspiels in Hannover im November sei derzeit nicht zu erkennen, hieß es in Sicherheitskreisen.

Nach dpa-Informationen hatte einer der Verdächtigen, der bei einer Durchsuchung in Hannover gefunden, aber nicht festgenommen wurde, Verbindungen zu belgischen Islamisten. Der 26-Jährige sei vor wenigen Wochen mindestens einmal in die Brüsseler Gemeinde Molenbeek gereist, hieß es in Sicherheitskreisen. Dort hatte auch der getötete mutmaßliche Drahtzieher der islamistischen Anschläge in Paris vom 13. November, Abdelhamid Abaaoud, gelebt.

Als Hauptverdächtiger der am Donnerstag aufgeflogenen Terrorzelle gilt ein 35-Jähriger, der in einem Flüchtlingsheim in Attendorn im Sauerland festgenommen wurde. Der Islamist, der zu den vier Verdächtigen gehört, wurde laut Polizei aber nicht wegen der möglichen Anschlagsplanungen festgenommen. Ob dies daran lag, dass zu diesem Verdachtsmoment bislang nicht genügend Beweismaterial vorlag, blieb zunächst offen.

Internationaler Haftbefehl

Bei der Razzia in Attendorn wurde auch die Ehefrau des Hauptverdächtigen festgenommen worden. Die 27-jährige Frau aus Algerien sei wie ihr 35-jähriger Mann ebenfalls mit einem von den algerischen Behörden ausgestellten internationalen Haftbefehl gesucht worden, teilte die für die Aktion federführende Polizei in Berlin mit. Beiden wird von den algerischen Behörden Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat vorgeworfen. Damit gab es bei der Polizeiaktion am Donnerstag drei Festnahmen. In dem Verfahren wegen mutmaßlicher Anschlagsplanungen in Berlin sei die Frau jedoch keine Beschuldigte. Sie gelte aber als mögliche Kontaktperson, sagte ein Polizeisprecher.

Polizeisprecher Stefan Redlich sagte, die deutsche Seite habe bei dem 35-Jährigen einem Festnahme-Ersuchen algerischer Behörden wegen dessen IS-Mitgliedschaft entsprochen. Der Islamist, der wahrscheinlich auch militärisch ausgebildet ist und laut Polizei im syrischen Kampfgebiet war, kam nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur über die sogenannte Balkanroute nach Bayern und wurde dort als Flüchtling registriert. Nach ersten Hinweisen auf Anschlagspläne sei der Mann dann in Nordrhein-Westfalen ausfindig gemacht worden.

Konkrete Hinweise auf geplante Anschläge gegen Karnevalsumzüge in Deutschland gab es bei den Behörden nicht. In Sicherheitskreisen wurde ein solcher Zusammenhang aber nicht ausgeschlossen. „Wir haben derzeit keine Hinweise, dass Anschläge in NRW – auch nicht im Zusammenhang mit Karneval – geplant worden sind“, sagte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums in Düsseldorf.

Ein zweiter Algerier im Alter von 49 Jahren wurde in Berlin festgenommen – auch er aber nicht wegen möglicher Anschlagsplanungen. Laut Polizei lag gegen ihn ein Haftbefehl wegen Urkundenfälschung aus einem anderen Verfahren vor. Ein weiterer Verdächtiger wurde in Berlin angetroffen, jedoch nicht festgenommen. Beide Männer lebten schon länger in Berlin und arbeiteten auch hier, wie der Polizeisprecher sagte.

Auch ein Backshop am Berliner Alexanderplatz wurde durchsucht. Die Bild-Zeitung hatte berichtet, das Anschlagsziel sei offenbar der Alexanderplatz selbst gewesen. Laut Tagesspiegel stand der „Checkpoint Charlie“ als Touristenmagnet im Visier. Zu beiden Orten habe man keine Hinweise, sagte der Polizeisprecher.

Große Geheimhaltung

Die mutmaßlichen Mitglieder der Terrorzelle haben verschlüsselt kommuniziert, wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr. Die Verdächtigen hätten unter großer Geheimhaltung verdeckt operiert. Ein Bezug der Verdächtigen ins Bürgerkriegsland Syrien ergab sich demnach bei den wochenlangen Ermittlungen. Die Erkenntnisse gegen die Männer hätten sich um den Jahreswechsel herum verdichtet. Demnach wollte die Gruppe in Berlin zusammenkommen, um Attentate vorzubereiten.

Nach den Informationen erhielt die Polizei den ersten Hinweis auf den Hauptverdächtigen in NRW vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Bei den weiteren Ermittlungen seien Kontakte des Mannes zu Islamisten in Berlin und Hannover festgestellt worden.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte, die Bedrohungslage durch militante Islamisten bleibe hoch. „Wir haben weiterhin allen Grund, wachsam und vorsichtig zu sein.“ Ein konsequentes Vorgehen gegen die Islamistenszene sei geboten – vor allem, wenn es um mögliche IS-Bezüge geht.

Das Berliner Landeskriminalamt leitete die Aktion der zeitgleichen Durchsuchungen. Rund 450 Beamte stellten Computer, Mobiltelefone und Aufzeichnungen sicher. Die Beweismittel sollten nun ausgewertet, die beiden Festgenommenen einem Haftrichter vorgeführt werden.

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