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Rassistischer Terroranschlag in NRWMann fährt in Menschenmengen

Gleich vier Mal versuchte ein 50-jähriger Deutscher, in der Silvesternacht gezielt Menschen mit Migrationshintergrund mit dem Auto zu töten.

Ein Ort des Terrors in Bottrop Foto: dpa

Berlin taz/dpa | Mutmaßlich aus rassistischen Motiven ist ein 50-jähriger Deutscher in der Silvesternacht in Bottrop und Essen mit seinem Mercedes mehrfach in Gruppen feiernder Menschen gefahren und hat dabei mindestens fünf Personen verletzt, darunter Syrer und Afghanen. „Es gab die klare Absicht von diesem Mann, Ausländer zu töten“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag in Bottrop. Das sei in den ersten Vernehmungen des Festgenommenen deutlich geworden. Der Mann aus Essen sei deutscher Staatsbürger.

Nach einer der Attacken in Bottrop hatte eine 46 Jahre alte Frau zeitweilig in Lebensgefahr geschwebt. Auch ein Kind sei verletzt worden, teilten die Ermittler mit.

Bei einer weiteren Autoattacke des Mannes in der Silvesternacht in Essen wurde eine Person leicht verletzt. Zwei weitere Versuche des Mannes, in Bottrop und Essen Passanten anzufahren, schlugen fehl. Die Ermittler haben nach eigenen Angaben „Informationen über eine psychische Erkrankung des Fahrers“, hieß es am Dienstag.

Ein erster Zeuge wurde nach Darstellung der Behörden um 0.03 Uhr auf den silbernen Wagen des 50-Jährigen aufmerksam. Auf einer Zufahrtsstraße zur Bottroper Innenstadt habe das Fahrzeug plötzlich auf den Fußgänger zugehalten, berichteten die Ermittler. Doch der Passant konnte sich retten.

Mindestens vier Menschen wurden verletzt

Der 50-Jährige fuhr weiter in Richtung Stadtzentrum, und wenig später kam es zu dem folgenschweren Zwischenfall auf dem Berliner Platz in Bottrop. Der Mann fuhr in eine Gruppe von Menschen, die dort den Jahreswechsel feierten. Mindestens vier Menschen wurden verletzt, einige schwer, darunter Syrer und Afghanen.

Der Mann hatte die „klare Absicht, Ausländer zu töten“, sagte NRWs Innenminister Herbert Reul am Dienstagnachmittag Foto: dpa

Anschließend sei der Mann nach Süden in Richtung seiner Heimatstadt Essen geflüchtet, so die Ermittler. Dort habe er erneut versucht, gezielt in eine Menschengruppe zu fahren, die an einer Bushaltestelle stand. Passiert sei aber nichts, so eine Polizeisprecherin. Der Mann probierte noch ein viertes Mal, in eine Personengruppe zu fahren. Eine Person wurde dabei leicht verletzt. Kurze Zeit später nahm die Polizei den Mann fest. Schon bei der Festnahme habe sich der Mann fremdenfeindlich geäußert, sagten die Ermittler.

Die Polizeipräsidentin von Recklinghausen, Friederike Zurhausen, sagte, der Mann sei bislang nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Es sei unklar, ob er noch in psychologischer Behandlung sei.

Der Fall weckt Erinnerungen an eine Amokfahrt in Münster im vergangenen April. Ein Mann raste damals mit einem Kleintransporter auf einen belebten Platz. Es gab vier Tote und mehr als 20 Verletzte. Anschließend erschoss sich der Täter. Bei ihm handelte es sich laut Polizei um einen psychisch labilen Deutschen. Einen terroristischen Hintergrund gab es den Ermittlungen zufolge in Münster nicht.

NRW-Innenminister Reul erklärte, „es mache sehr betroffen, dass so etwas passiert ist“. Der Bottroper Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) zeigte sich „entsetzt und tief getroffen“. Er hoffe, dass die Verletzten bald genesen. Auf Twitter empörten sich User, dass der Verweis der Ermittler auf eine „psychische Erkrankung des Mannes“ eine Verharmlosung eines rassistisch motivierten Anschlags sei.

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27 Kommentare

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  • Wer den Hinweis auf eine psychische Erkrankung des Attentäters (neben ebenfals erwähnten rassisischen Motiven) als verharmlosung abtut möchte am liebsten Monster sehen bei Menschen. Terroristen, Mörder und Verbrecher sind dabei keine Individuen mehr, Zusammenhänge - auch auf persönlicher Ebene - werden uninteressant. Das ist die typische Suche nach einem Stereotyp. Jenes Verhalten welche eben auch Teil des Rassismus ist.

  • Obwohl ich Ihnen so nicht zustimmen kann, muss ich Ihre Argumentation durch ein anderes Beispiel ergänzen. Auch Hitler hat man versucht zu pathologisieren, weil es so schön einfach gewesen wäre, die Spezies Mensch damit zu entschulden, wonach der Mensch edel und gut ist und nur psychisch Kranke zu Grausamkeiten fähig sind. Insofern ist die Pathologisierung nicht einfach ein Herrschaftsinstrument zur Unterdrückung, sondern auch ein Herrschaftsinstrument zur Selbstentschuldung. Sozusagen Freispruch in eigener Sache. Das wäre das Gegenteil von Entrechtung.

    • @Rolf B.:

      Naja, dieser "Logik" nach müsste mensch ja einen Großteil der damaligen deutschen Gesellschaft, die Täter eben, pathologisieren. Hitler hat diese alle ja nicht mit vorgehaltener Wafffe gezwungen/zwingen können.



      Inwieweit können Sie mir nicht zustimmen?

      • @Uranus:

        Dass das nicht einfach nur eine Unterdrückungstechnik ist.



        Sorry, wenn das nicht in meinem Beitrag deutlich wurde.

    • @Rolf B.:

      @URANUS

  • Den Täter als "psychisch krank" zu definieren ist meines Erachtens aus zweierlei Hinsicht problematisch.



    Zum einen wird die Tat dadurch individualisiert, also von Gesellschaftlichen Entwicklungen/Einflüssen isoliert. Der allgemeine, gesellschaftliche Rassismus und der Nazismus wird im größeren Rahmen als Ursache nicht mehr mitgedacht.



    Zum zweiten ist das Erklären einer Person als "psychisch krank"(Pathologisierung) eine Herrschafts/Unterdrückungstechnik. Dabei definieren die Herrschenden bzw. die die unterdrücken (wollen), was "psychisch krank" ist und wer dies sei. Jene Personengruppe wird dadurch entrechtet.

    • @Uranus:

      Ich würde diesen beiden Gründen, denen ich absolut zustimme (weswegen ich mich an den Kommentar mal ranhänge), noch einen dritten Grund hinzufügen wollen. Der allgemeine Verweis auf "eine psychische Erkrankung" des Täters stigmatisiert auch Menschen mit psychischen Problemen mal wieder pauschal als potenziell gewalttätig und unberechenbar.

    • @Uranus:

      Warum sollte der Verweis auf eine psychische Erkrankung unzulässig sein und die Tat individualisieren und von gesellschaftlichen Einflüssen isolieren? Ein Rassist ist ein Rassist.



      Zudem, bei Personen mit Flüchtlingshintergrund, die bspw. mit einer Axt im Zug auf Menschen losgehen oder mit einem Messer "Rache" an Frauen/Mädchen nehmen, weil sie ihre männliche Ehre gekränkt haben, wird auch stets (außer von ganz rechten Phrasendreschern) auf eine etwaige psychische Erkrankung / fluchtbedingte Traumatisierung hingewiesen. Auch an dieser Stelle ilegitim? Auch wenn bei solchen Personen sicher sehr oft Hass auf den verdorbenen Westen und unmoralische Frauen eine Triebfeder des Handels ist.

      • @El Zorrito:

        Ich will damit nicht bestreiten, dass das soziale Umfeld keinen Einfluss auf Menschen hat. Dieses bedeutet dann allerdings zumeist eine Eingrenzung der Ursachen auf einen kleineren (gesellschaftlicheren) Rahmen (>Umfeld). Zumeist ist es dann auch etwas "Persönliches". Der größere Kontext (hier Rassismus) entfällt jedoch. Fällt das Urteil "psychische Erkrankung", so wird der Täter aus einem Großteil seiner Verantwortung genommen. Es gäbe "psychische Auslöser" für seine Tat. Rassismus verschwindet als Tatmotiv.



        Die gängige Umgangsweise im Nachgang von Taten durch Polizei und Gesellschaft beschreibt Bodo Eggert ja treffend. In Bezug auf Gewalt durch Männer gegenüber Frauen wird entpolitisiert von "Familiendrama"oder "Beziehungstragödie" gesprochen, anstatt Patriarchat oder Sexismus als gesellschaftliche Ursache zu nennen. In diesem Fall wird die Dimension Rassismus zumindest angedeutet, wenn auch unter dem falschem Namen "Fremden/Ausländer*innenfeindlichkeit".

      • @El Zorrito:

        Der Grad der Relevanz der psycischen Krankheit ist eben eine Funktion der Hautfarbe und Herkunft. Ist es einer von uns, so ist der Täter ein Außenseiter, psychisch krank, sowieso ausgestoßen, hat Nichts mit uns zu tun.

        Ist es ein Ausländer, so ist es ein Terrorist wie jeder Ausländer, ist es ein Schwarzer, so sind es kriminelle wie jeder Schwarze.

    • @Uranus:

      Was hat das mit der Tat zu tun?

      • @815274:

        Der Zusammenhang ist, dass von Politker*innen, Polizei und Medienseite sogleich gesagt wurde, der Täter wäre "psychisch krank" und es gäbe einen rechten Hintergrund. In meinem Kommentar greife ich nun den Punkt "psychisch krank" heraus und problematisiere Pathologisierung sowie die hervorgehobene Einordnung des Täters als "psychisch krank".

  • Diese ganzen Taten, in denen Autos effektiv als Mordwerkzeuge verwendet werden, haben es zumindest zustande gebracht, dass viele sehen, dass nicht die Tatwerkzeuge die Ursache ist, sondern immer noch der Mensch.

    Die oftmals arrogante Haltung in der BRD gegenüber freieren Waffengesetzen wie in den USA ist etwas gemäßigter geworden. Wem es wirklich um Menschenleben gehen würde, müsste für Autos ebenso eine "Autobesitzkarte" verlangen, wie es sie für Waffen in der BRD gibt und eine sichere Unterbringung der Autos, dass niemand mit kriminellen Absichten sie klauen kann.



    Würden wir uns analog zu den US-Waffengesetzen verhalten, wäre das Autofahren in manchen Städten total verboten.

    • @Age Krüger:

      Von einem Auto als Waffe zu sprechen ist eine Verzerrung von Verhältnismäßigkeiten. Ein Auto ist ein Werkzeug und kann wie jedes Werkzeug zweckentfremdet werden. Wenn man das möchte könnte man diese Argumentationsweise mit beliebigen anderen Gegenständen fortsetzten und würde zum gleichen Ergebnis kommen.

      • @mallm:

        Ein mit einer Hand bedienbares Messer, das man oben auf einer Leiter bedienen kann und dessen Klinge feststeht, so daß man eben sich nicht in die Hand schneidet, ist ebenso ein Werkzeug.

    • @Age Krüger:

      "Würden wir uns analog zu den US-Waffengesetzen verhalten, wäre das Autofahren in manchen Städten total verboten."

      Selbstverständlich haben sie recht damit, daß ausschließlich der Täter für sein tun verantwortlich ist. Wer derartige Verbrechen begehen will wird auch immer ein passendes "Werkzeug" finden. Dennoch ist ihre Analogie falsch: Dort, wo in den USA die liberalsten Waffengesetze herrschen, z.B. Phoenix und Austin, ist die Schusswaffengewalt am niedrigsten. Dort, wo die strengsten Waffengesetze herrschen, z.B. in Chicago und Baltimore, eskaliert auch die Schusswaffengewalt. Auch fanden seit 1950 97.8 % aller "Mass Shootings" in "Gun free zones" statt. Ist auch logisch: Amokläufer, die möglichst viele Menschen ermorden wollen suchen sich natürlich Orte, wo ihnen möglichst wenig Widerstand erwartet.

      Weitere interessante Tatsache: seit 1983 waren in 11.7 % der "Mass Shootings" bewaffnete Zivilisten anwesend. Und diese stoppten in 93.8 % der Fälle den oder die Täter. Zahl der dabei von den Zivilisten getöteten Unbeteiligten: exakt 0.

      Dies bringt mich auf den Artikel zurück: hätten wir die gleichen liberalen Waffengesetze wie in den USA wäre der Täter möglicherweise nur ein Mal, und nicht viermal in eine Menschenmenge gerast....

      • @Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch:

        In ca. 100 % der "Mass Shootings" war mindestens ein bewaffneter Zivilist dabei.

        • @Bodo Eggert:

          Richtig! Und in den Fällen, wo der Täter der einzigste Bewaffnete weit und breit ist, ist auch immer die Opferzahl am höchsten.

          • @Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch:

            Wo hingegen die Zahl der Bewaffneten am geringsten ist, ist auch die Zahl der Opfer am geringsten.

  • Mensch nennt es endlich mal beim Namen. Der Rassist hat Menschen nach Hautfarbe und Aussehen angegriffen.

    "fremdenfeindlich, mit migrationshintergrund" ist doch alles Blödsinn als ob da weiße Ex Briten oder Franzosen von betroffen wären.

    • @Jenny_:

      Hat er diejenigen denn angegriffen, weil er dahinter gutbürgerliche Deutsche vermutet hat? Hätte er auch Deutsche mit Trachtenrock wegen selbiger angegriffen? Doch höchstens wenn es sich um Antifa-Punks gehandelt hätte.

      Aber insofern haben Sie Recht: Rassismus ist nur eine Ausprägung von Chauvinismus.

    • @Jenny_:

      Das dachte ich mir beim



      Hören der Medienberichte auch. In der TAZ wird es zumindest als Rassismus benannt. In den Zitaten zeigt sich dann die Verwendung der falschen Begriffe samt derer Herleitung. Es ist unerheblich, inwieweit die Betroffenen dem Täter bekannt wären oder welchen Pass die Betroffenen besitzen.

  • Gut das ihr endlich mit dem beknackten „Auto fährt in Menschenmenge“aufgehört habt, als gingen die Staaten nicht von Menschen oder Weltansichten aus. Jetzt bitte auch beibehalten wenn kein Naziabschaum am Steuer saß.

  • Ach ist doch nicht schlimm er ist doch Psychisch Krank.. und die Bild berichtete auch nur ein paar stunden davon, also ist es kein terror anschlag, er ist doch deutscher! nee das muss ein kranker mensch gewesen sein, das kann man doch verstehen...



    Sarkasmus on :( leider ist es so.. als die anderen nicht Psychisch krank wären.. jeder der tótet hat eins auf der klatsche...



    Die Toten verlieren dadurch die Wichtigkeit echt schlimm sowas... BildZeitung sollte man echt zum Gericht führen wegen Volkshetze und blödheit.

  • Jeder aggressive Rassist dürfte als psychisch labil einzustufen sein. Das ist ja das Problem: Wäre dem nicht so, so könnten Rassisten ja vernünftige Ideen äußern und wären solchen zugänglich. Sie wären auf ihren Hass und ihr Rechthaben nicht angewiesen, sondern könnten sich konstruktiv einer Sache widmen.