Rassistischer Angriff in Berlin: Eingreifen, schon vor der Tat
Bei einem rassistischen Angriff in einem Berliner Bus griffen Zeugen beherzt ein. Zivilcourage ist wichtig, findet unser Autor. Doch es braucht mehr.
Am Montag wurde eine Frau in einem Berliner Bus rassistisch beleidigt und geschlagen. Der Angreifer versuchte laut Polizei, der Frau das Kopftuch herunterzureißen, schlug sie, und trat ihr mit dem Knie in den Bauch. Erst als andere Passagiere eingriffen, habe der Täter von ihr abgelassen. Schließlich hielt der Busfahrer an einer Haltestelle und verschloss die Türen, damit der Tatverdächtige nicht flüchten konnte. Er wurde von der Polizei in einer psychiatrischen Abteilung untergebracht.
Das beherzte Eingreifen der Zeug*innen in diesem Bus ist nicht selbstverständlich. Erst im Februar 2022 war eine türkischstämmige 17-Jährige rassistisch angepöbelt und verprügelt worden. Obwohl mehrere Menschen den Vorfall bezeugen konnten, schritt niemand ein. Die Betroffene, Dilan S., sagte im rbb-Interview: „Ich bin schockiert, dass mir niemand geholfen hat.“
Bei dem Angriff im Bus am Montag ist es anders, besser gelaufen. Passagiere schritten ein, der Fahrer stoppte den Bus und so konnte die Polizei den Tatverdächtigen auch sofort festnehmen.
Doch es gibt noch einen Grund, weshalb dieser Fall möglicherweise anders liegt und somit auf eine weitere gesellschaftliche Verantwortung hinweist: Der Mann wurde in die Psychiatrie überstellt. Es ist eine altbekannte Frage: Kann ein psychisch Kranker überhaupt rassistisch sein?
Anzeichen für Gefahr früh erkennen
„Ja“, sagt die Kriminologin Britta Banneberg. Sie vermutet in einem Zeit-Interview, dass Rassismus und insbesondere wahnhafte Störungen sich ungünstig beeinflussen. Die Tat werde jedoch ursächlich durch die Erkrankung bedingt. Gerade aus der Kombination ergebe sich eine besondere Feindseligkeit, so Banneberg.
Es wäre falsch, Menschen mit psychischen Erkrankungen vorzuverurteilen oder sie grundsätzlich für unzurechnungsfähig zu halten. Betroffene können und müssen Verantwortung für ihr Tun übernehmen; niemand muss Straftaten begehen.
Doch es braucht auch eine sensible und offene Gesellschaft: Nicht nur in Extremsituationen, sondern auch, um Anzeichen von Gefahr rechtzeitig zu erkennen und sich Hass und Häme präventiv entgegenzustellen.
Eingreifen ist gut. Zivilcourage kann vor Schlimmerem bewahren. Und sie gibt dem Opfer das wichtige Gefühl, nicht unsichtbar zu sein. Das kann der Ohnmacht entgegenwirken. Noch besser ist es aber, schon vorher aufmerksam zu sein und auf diese Weise Taten zu verhindern, bevor sie geschehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“