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Rassistische Unruhen in NordirlandGewalt gegen Minderheiten

Nach einem mutmaßlich sexuellen Übergriff auf eine 14-Jährige kommt es zu Unruhen. Die Polizei geht von rassistisch motivierter Hassgewalt aus.

Seit Montagabend kommt es in Ballymena zu Unruhen zwischen einem rassistischen Mob und der Polizei Foto: Clodagh Kilcoyne

Dublin taz | Im nordirischen Ballymena kam es in der dritten Nacht in Folge zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, Rauchbomben, Feuerwerkskörper, Flaschen und Ziegelsteine wurden auf die Polizei geworfen. Auch ein Freizeitzentrum in der Hafenstadt Larne nördlich von Belfast wurde angegriffen und in Brand gesteckt. Das Zentrum war am Mittwoch nach den Unruhen in Ballymena 50 Kilometer nordwestlich von Belfast als Notunterkunft für Familien bereitgestellt worden, die von der Randale betroffen waren.

In den Nächten zuvor waren mehrere Fahrzeuge in Ballymena in Flammen aufgegangen und zahlreiche Häuser demoliert worden. 32 Polizisten wurden verletzt und sechs Personen wurden festgenommen.

Es hatte zunächst friedlich begonnen. Am Montagabend versammelten sich Hunderte von Menschen in Ballymena, um gegen die versuchte Vergewaltigung eines Mädchens zu protestieren. Doch schon bald eskalierte die Situation. Die Polizei hatte zwei 14-Jährige verhaftet. Sie machte zwar keine näheren Angaben über deren Identität, erklärte aber, dass man einen rumänischen Dolmetscher hinzugezogen habe. Daraufhin reisten Rassisten aus anderen Landesteilen an.

Auch in anderen Städten Nordirlands randalierte ein rassistischer Mob, die Bahnlinie zwischen Belfast und der zweitgrößten Stadt Derry wurde wegen beschädigter Gleise lahmgelegt. Die nordirische Polizei erklärte, sie habe 80 Beamte in Großbritannien zur Unterstützung angefordert.

Regierung kritisiert Unruhestifter

Die Polizei rechnet damit, dass die Krawalle weitergehen werden. Viele Familien in Ballymena hatten sich auf den Dachböden ihrer Häuser verbarrikadiert, als die Randalierer die Fensterscheiben einwarfen. Um sich zu schützen, brachten einige Bewohner Schilder mit der Aufschrift „Britischer Haushalt“ oder den britischen Union Jack an der Haustür an, um ihr Hab und Gut vor Übergriffen zu schützen.

Der stellvertretende nordirische Polizeichef Ryan Henderson sagte, die Gewalt sei „eindeutig rassistisch motiviert und richtet sich gegen unsere ethnischen Minderheiten“. Unter Nordirlands Parteien herrschte ungewohnte Einigkeit. In einer gemeinsamen Erklärung sagten die Mitglieder der Mehrparteienregierung, zu der Sinn Féin, die Democratic Unionist Party (DUP), die Alliance Party und die Ulster Unionist Party (UUP) gehören, dass diejenigen, die an den Unruhen beteiligt seien, der Gesellschaft nichts außer „Spaltung und Unordnung“ zu bieten hätten.

Ballymena war schon immer ein unwirtlicher Ort. Die Stadt hat die höchste Konzentration an Millionären in Nordirland. Sie ist der Sitz des Paisley-Clans. Ian Paisley, der fanatische Presbyterianerpfarrer, der 2014 verstorben ist, hat hier in den Fünfzigerjahren seine eigene Kirche und 20 Jahre später seine eigene Partei, die DUP, gegründet. In der Stadt nennen sie Paisley immer noch ehrfürchtig „the big man“.

Früher ging es in Ballymena und anderen unionistischen Hochburgen gegen die Katholiken, heute geht es gegen Ausländer. In den letzten Jahren gab es in der Gegend um Ballymena immer wieder Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschen aus dem Ausland, die viele zur Flucht zwangen.

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