Rassistische Straßennamen in Berlin: Der M. hat seine Schuldigkeit getan
Der Bezirk Mitte beschließt die Umbenennung der Mohrenstraße. Namensgeber soll künftig Anton Wilhelm Amo sein. Doch das wird noch dauern.
Der Verein Berlin Postkolonial zeigte sich am Freitagmorgen geradezu euphorisch: „Berlin schreibt Weltgeschichte“, war seine Pressemitteilung überschrieben. Der Verein „begrüßt diesen Beschluss als international sichtbares Zeichen gegen Rassismus im öffentlichen Raum“. Mnyaka Sururu Mboro, der tansanische Sprecher der Organisation, die seit Jahrzehnten kritische Stadtspaziergänge zum Thema anbietet, sagte: „Das ist ein großartiger Tag: Berlin verbannt eine Beleidigung aus dem Stadtraum und ehrt mit Amo einen widerständigen Gelehrten aus Afrika!“
Auch Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) zeigte sich am Freitagmorgen gegenüber der taz begeistert, dass die Straße nicht nur umbenannt wird, sondern „mit Anton-Wilhelm-Amo eine verdienten Namen bekommt.“ Nun wünsche sich die „Afrodiasporische und Schwarze Community eine schnelle Umsetzung“, fügte er hinzu.
Erste Reaktionen auf Twitter waren dagegen geteilt: „Ein wichtiger Schritt zur Umbenennung der #Mstrasse ist getan! Danke an die #bvvmitte für den Mut und das Tempo“, schrieb die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek. Die Linksfraktion Mitte twitterte: „Wir finden es schade, dass die anderen Parteien die Beteiligung der Bürger*innen als nicht mehr zeitgemäß befinden.“
Seit 15 Jahren wird über die Mohrenstraße diskutiert, die von KritikerInnen nur noch M-Straße genannt wird. Vor allem aus der afrodiasporischen Zivilgesellschaft und vonseiten engagierter HistorikerInnen und EthnologInnen wird der Name als rassistisch und kolonialistisch kritisiert.
Neuen Schwung bekam die Debatte durch den überraschenden Beschluss der BVG in Folge der Black-Lives-Matter-Proteste. Nach Darstellung von PolitikerInnen aus dem Bezirk hatte vor allem die ablehnende Haltung der Verkehrsgesellschaft bis dahin den Umbenennungsprozess erschwert. Nun will die BVG den Namen plötzlich loswerden. Ihr Alternativvorschlag Glinkastraße stieß allerdings ebenso auf Kritik, weil der russische Komponist Michail Glinka Antisemit gewesen sein soll.
Am Sonntag wird gefeiert
Der Vorschlag Anton-Wilhelm-Amo-Straße, den SPD und Grüne nun ins Rennen geschickt haben, kommt vom Bündnis Decolonize Berlin. Amo war als Kind aus dem heutigen Ghana hierhergebracht worden und musste am Hof als „Kammer-Mohr“ dienen. Später konnte er studieren und wurde der erste schwarze Philosoph in Deutschland.
Für diesen Sonntag hat das Bündnis, dem zahlreiche Initiativen wie die Schwarzen Selbstorganisationen ISD, Tansania Network und Africa Avenir angehören, zum 7. Umbenennungsfest M-Straße eingeladen. Los geht es um 13 Uhr mit einer Demonstration im Lustgarten, gegenüber dem Humboldt Forum. Auch die dort geplante ethnologische Ausstellung mit Kunstwerken und Gebrauchsgütern aus Afrika, Asien und Amerika steht als kolonialistisch bei AktivistInnen in der Kritik. Anschließend zieht die Demo zum Hausvogteiplatz nahe der M-Straße, wo das Fest stattfindet. Dies dürfte angesichts der guten Nachrichten mit Sicherheit fröhlicher ausfallen als sonst.
Erst am Dienstag hatte der Senat eine Änderung der Ausführungsvorschriften zum Berliner Straßengesetz beschlossen, die Umbenennungen erleichtern soll. Ausdrücklich sind Umbenennungen damit „auch zulässig bei Straßen, die nach Wegbereitern und Verfechtern von Kolonialismus, Versklavung und rassistischen Ideologien benannt sind oder nach Orten, Ereignissen und Begriffen, die damit im Zusammenhang stehen“. Allerdings müssen noch die Bürgermeister der Bezirke dieser Regelung zustimmen.
Kontrovers diskutiert wurde das Thema noch am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer sagte bei der Plenardebatte, wer die Straße umbenennen wolle, versündige sich an der kulturellen Identität der Stadt. Oliver Friederici von der CDU plädierte ebenfalls dafür, den Namen beizubehalten. „Wir halten von Umbenenneritis gar nichts“, sagte er. SPD und Linke sahen das anders. Regina Kittler von der Linke-Fraktion betonte, es gehe um das Beseitigen rassistischer Bezeichnungen. Deshalb unterstütze sie eine Umbenennung.
Für die M-Straße muss sich nun das Bezirksamt um den Umbenennungsprozess kümmern, üblicherweise geschieht dies im Kulturausschuss. Ein solcher Prozess kann Jahre dauern, gerade wenn die Öffentlichkeit eingebunden wird, wie die Diskussion um Namen im Afrikanischen Viertel gezeigt haben. Gegen den Beschluss der BVV sind zudem immer noch Klagen zahlreicher BürgerInnen anhängig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen