Rassistische Polizeikontrolle: Nicht blond, also verdächtig
Weil er Migranten im Auto mitnahm, geriet ein Mann in eine Polizeikontrolle. Dabei ist „Racial Profiling“ verfassungswidrig – und ein bekanntes Problem.
Der Fahrer hatte zwar sowohl einen gültigen Führerschein und auch einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel, wurde aber dennoch weiter kontrolliert, protokollierten die Polizisten weiter. Warum? Er sei in der Vergangenheit bereits mit „Gewaltdelikten“ auffällig geworden und arbeite jetzt im Sicherheitsgewerbe, so der Bericht.
Bei der Durchsuchung des Autos wurde schließlich eine mit Schreckschuss- und Gasmunition und geladene Gaspistole gefunden, eine Walther P99 – für die der Mann einen kleinen Waffenschein gebraucht hätte, den er aber nicht hatte. Die Waffe wurde deshalb beschlagnahmt.
Anwalt sieht Fall von „Racial Profiling“
Für seinen Rechtsanwalt Sven Sommerfeldt ist das ein klarer Fall von „Racial Profiling“ – und also unrechtmäßig. Er will nun Widerspruch einlegen und vor dem Verwaltungsgericht klagen, um die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes feststellen zu lassen. In einem weiteren Schritt könnte die Polizei dann auf Schadensersatz verklagt werden.
Die Polizei wollte sich zu dem Fall zunächst noch nicht klar äußern. Eine abschließende Bewertung stehe noch aus, sagte eine Polizeisprecherin, „die Ermittlungen dauern an“. Die Polizei Bremen kontrolliere aber grundsätzlich „anlassbezogen“ – auf welcher Rechtsgrundlage die Kontrolle stattfand, konnte die Polizei aber zunächst nicht sagen. Laut dem Bremer Polizeirecht müssten für eine Kontrolle wie diese „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine konkrete Straftat oder eine Gefahr vorliegen, sagt Sommerfeldt.
Denn in Deutschland darf niemand nur deshalb kontrolliert werden, weil er eine dunkle Hautfarbe hat. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz schon 2012 festgestellt, und das bestreitet auch die Bremer Polizei nicht. Das „Racial Profiling“ verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes, entschieden die Richter damals.
Eine solche Kontrolle ist auch dann unzulässig und verfassungswidrig, wenn die Hautfarbe als Teil eines „Motivbündels“ jedenfalls ein wichtiges Kriterium gewesen ist. Das stellte das OVG Rheinland-Pfalz jüngst in einem anderen Fall fest.
„Grundsätzlich“ führe die Bremer Polizei keine Personenkontrollen durch, die sich ausschließlich auf eine Nationalität oder einen ethnischen Hintergrund stützen, behauptet eine Behördensprecherin. Zugleich räumt die Polizei aber prinzipiell ein, dass rassistische Polizeikontrollen durchaus ein Problem sind, auch in Bremen: Im vergangenen Herbst fand deshalb in Bremen bereits der zweite Fachtag zum „Racial Profiling“ statt. Sogar im rot-grünen Koalitionsvertrag ist es Thema: „Kontrollen aufgrund der Hautfarbe sind keine Grundlage polizeilichen Handelns“, heißt es da schlicht.
Die Polizei wurde eigens für das Thema sensibilisiert
Sommerfeldt geht davon aus, dass rassistische Polizeikontrollen auch in Bremen noch immer an der Tagesordnung sind – und nur nicht immer so gut dokumentiert seien wie hier. Zahlen gibt es keine.
Allerdings stellte die Europäische Grundrechte-Agentur 2014 in einer Studie fest, dass 79 Prozent der Bundespolizisten am Frankfurter Flughafen ethnische Merkmale für besonders hilfreich halten, um Ausländern ohne Papiere auf die Spur zu kommen.
Polizeipräsident Lutz Müller befürwortete schon 2015 eine externe Beschwerdestelle, um rassistischer Diskriminierung zu begegnen. Amnesty International fordert sie seit Langem – aber es gibt sie noch immer nicht. Die Polizei entscheide nicht über eine solche Beschwerdestelle, sagte eine Sprecherin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe