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Rassismus in AustralienFast zerbrochen

Der indigene Star-Journalist Stan Grant schmeißt hin. Rassismus und die Diskriminierung am Arbeitsplatz seien unerträglich geworden.

Der Journalist Stan Grant Foto: Dominic Lorrimer/imago

Sydney taz | Es war eine Abschiedsrede, bei der kein Auge trocken blieb. Außer wahrscheinlich bei denen, die Stan Grant so hassen, dass sie ihm den Tod wünschen. „Jenen, deren Ziel es war, mir zu schaden, sage ich: Sie haben Ihr Ziel erreicht“, sagte Grant am Ende seiner letzten Live-Fernsehsendung.

Er und seine Familie hätten die Hölle durchlebt: tägliche Stakkatos beleidigender und erniedrigender Tweets, E-Mails und anderer Formen von Internet-Kommunikation. Er werde jetzt eine Auszeit nehmen. Kollegen fürchten, er könnte dem Job ganz den Rücken kehren, der 30 Jahre lang seine Berufung gewesen ist.

Stan Grant, 59 Jahre alt, ist der mit Abstand bekannteste und erfolgreichste Journalist Australiens mit indigenen Wurzeln. Er gehört zum Aboriginal-Volk der Wiradjuri und ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. „Ich weiß noch, wie ich als einziges Aboriginal-Kind in einem verschmutzten Pullover in der weißen Primarschulklasse saß und mich schämte“, erinnerte er sich.

Aus dem schüchternen Jungen wurde ein Auslandskorrespondent in Kriegs- und Krisengebieten, dann ein bekannter Moderator beim amerikanischen Fernsehsender CNN. Vor ein paar Jahren kehrte Grant in seine Heimat Australien zurück. Beim öffentlich-rechtlichen Sender ABC wurde er rasch zum Superstar. Sondersendungen, Kommentare – Stan Grant war überall. Zum Schluss moderierte er eine Diskussionssendung. Doch der konstante Rassismus im Internet belastete seine Psyche so sehr, dass er daran zu zerbrechen drohte.

Posttraumatisches Stresssyndrom

Er sei nicht der einzige, sagt die Medienprofessorin Faith Valencia-Forrester. Psychische Probleme, ja sogar ein posttraumatisches Stresssyndrom als Folge von rassistischen, homophoben, transphoben und xenophoben Anfeindungen im Internet seien geradezu endemisch unter australischen Journalistinnen und Journalisten, die nicht dem typischen Bild eines weißen, männlichen Reporters angelsächsischer Herkunft entsprächen.

Die Akademikerin hat eine Studie über solche Journalisten verfasst – Homosexuelle, Trans-Menschen, Angehörige anderer Ethnien, Behinderte und vor allem Indigene. Ihr Fazit ist vernichtend: „Viele Medienschaffende mit diversem Hintergrund leiden oftmals täglich unter rassistischen Kommentaren und Schmähungen im Internet“, erklärt sie. 85 Prozent aller Befragten seien von Missbräuchen auf Twitter und Facebook betroffen. Die Angriffe zögen sich aber bis in E-Mails, die Reporter am Arbeitsplatz erhielten. Auch Todesdrohungen oder Drohungen mit sexueller Gewalt sind alltäglich.

Das Täterprofil sei fast immer dasselbe, kommt die Akademikerin Valencia-Forrester zum Schluss. „Die Forschung zeigt, dass überwiegend weiße Männer solche Beschimpfungen und Beleidigungen ins Netz stellen.“

Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte für Grant die Berichterstattung seines Senders zur Krönung von König Charles III. In einer Sondersendung kommentierte der Journalist, die Kolonialisierung Australiens durch die Krone habe maßgeblich zum Leid der indigenen Völker beigetragen.

Flut von Hassmeldungen

Dem folgte eine wahrhaftige Flut von Hassmeldungen. Stan Grant habe kein Recht, an einem solchen Feiertag seine Meinung kundzutun – nicht zuletzt auch, weil ABC ein öffentlich-rechtlicher Sender sei. Dies sei nicht korrekt, meint Valencia-Forrester. „Wenn Stan als Kommentator eingeladen wird, hat er das Recht, einen Kommentar abzugeben. Auch einen Kommentar im Namen seines Volkes. Damit leistet er einen Beitrag zur Debatte“.

Eine informierte Debatte wäre gerade im Vorfeld der Volksabstimmung für eine „Stimme“ der Aboriginal im Parlament wichtig, die später im Jahr geplant ist. Eine solche Körperschaft solle Politiker künftig bei Fragen beraten, die für Aboriginal besonders wichtig seien, schlägt die sozialdemokratische Regierung vor.

Doch eine Kampagne der konservativen Parteien in enger Zusammenarbeit mit den konservativen, in Australien dominanten Medien des Amerikaners Rupert Murdoch drohen das Vorhaben scheitern zu lassen. Den Medien – allen Medien – gilt denn auch Grants größte Kritik. Nur zu oft seien sie „das Gift in der Blutbahn der Gesellschaft“.

Dass sich sein Arbeitgeber ABC tagelang nicht für ihn eingesetzt hatte, habe ihn „enttäuscht“, meinte Grant. Seinen Kollegen Osman Faruki erstaunt der Mangel an Unterstützung durch die Hierarchie des Senders nicht. Als Australier muslimischer Abstammung sei er schon vor Jahren davor gewarnt worden, bei einem Sender zu arbeiten, der seine weißen und nicht-weißen Mitarbeiter sehr unterschiedlich behandle.

Bleibt die Frage: Ist Australien ein rassistisches Land? Die Antwort finde man, wenn man analysiere, wer in Australien die Macht habe und die wichtigen Entscheidungen treffe, glaubt die Akademikerin Faith Valencia-Forrester. „Ob in den Medien, in der Politik oder in Unternehmen, das Fazit ist klar. Australien ist noch immer ein weißes Land, ein von Männern dominiertes Land.“

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2 Kommentare

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  • "In einer Sondersendung kommentierte der Journalist, die Kolonialisierung Australiens durch die Krone habe maßgeblich zum Leid der indigenen Völker beigetragen"

    Womit er vollkommen Recht hat. Und da die Geschichte nie wirklich aufgearbeitet wurde, ist es weiterhin so. Damit sind die Weißen Australiens in bester Gesellschaft, denn auch bei anderen Kolonialmächten (mit Absicht nicht "Ex-") ist die koloniale Weltsicht nicht Geschichte. Die alten und neuen Herrscher nehmen sich nach wie vor, was sie wollen, ob das XXL-Bergbau im Gebiet der Ureinwohner, Lithium aus Bolivien, Kobalt aus dem Kongo oder eben der Müllexport nach Indonesien ist. Die Grundlage ist, freundlich formuliert, ein Weltbild mit Menschen erster, zweiter und dritter Klasse. Natürlich weiß jeder, der es wissen will, das diese Aktivitäten die betroffenen Regionen in lebensgefährliche Mondlandschaften verwandeln. So what, sind ja deren Mondlandschaften.

  • Das Internet ist Segen UND Fluch. Ich suche mir sorgfältig aus, was ich benutze und vor allem, was ich nicht benutze. Bisher hat dies gut dazu beigetragen, mir als eine in der Öffentlichkeit stehende Person allzu giftige Angriffe vom Hals zu halten. Man findet mich nicht einmal bei Wikipedia, auch das trägt zu Ruhe und Muße bei.