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Rassismus an HochschulenDie Mühlen mahlen langsam

Der Bedarf ist groß, die Suche oft vergebens: Nur wenige Hochschulen haben Anlauf­stellen für Studierende mit Rassismuserfahrung.

Menschen bei einer Black-Lives-Matter-Demo in Berlin. Hat ihr Protest die Hochschulen verändert? Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Berlin taz | Die Termine seien bereits Wochen im Voraus ausgebucht, sagt Wilfriede Stallmann. Die Lehramtsstudentin ist Referentin des autonomen BIPoC-Referats an der Uni Köln. Seit Sommer bietet die Initiative Online-Sprechstunden für Studierende mit Rassismuserfahrungen an. In den digitalen Sitzungen mit einer auch auf die Beratung von Schwarzen Menschen spezialisierten Therapeutin können sie über ihre Erfahrungen an der Hochschule sprechen – und Fälle von Diskriminierung melden.

Die Kölner Uni hat zwar ein Referat für Gender und Diversity Management, an den einzelnen Fakultäten gibt es Vertrauensdozierende für Studierende mit Diskriminierungserfahrungen. Auf Rassismuserfahrungen spezialisierte Ansprechpersonen of Color sind bislang allerdings selten, so Referatskollegin Monica Nguyen.

„Dadurch, dass der Zulauf einfach so riesengroß war, hat die Universität auch gesehen, dass es einen Bedarf gibt“, berichtet Nguyen. Und die Uni zog Konsequenzen: Die Förderung für die Online-Sprechstunde sei aufgestockt worden, das Projekt wurde um drei Monate verlängert. Für das kommende Jahr soll ein neues Konzept entwickelt werden.

Spezifische Anlaufstellen für von Rassismus betroffene Studierende werden schon seit Jahren gefordert. Auch weil sogenannte Mikroaggressionen, wie die oftmals an Schwarze Menschen, Indigene und Personen of Color (BIPoC) gerichtete Bemerkung „du sprichst aber gut Deutsch“, nach wie vor zur Hochschulrealität gehören, ebenso wie der niedrige Anteil von ProfessorInnen of Color. Statistiken hierzu gibt es nicht. Aber der Blick auf die Websites der Hochschulen spricht Bände.

Vor allem Anti-Rassismus-Beauftragte fehlen

In Hinblick auf Ansprechpersonen für von Rassismus betroffene Studierende herrscht Monate nach den großen Black-Lives-Matter-Demonstrationen in Deutschland vor allem eines: Uneinheitlichkeit. Die TU München hat einen „#anti-racism“-Chat eingerichtet. Die Uni Göttingen bietet mit ihrer Stabsstelle Chancengleichheit und Diversität eine Antidiskriminierungsberatung an, die sich explizit auch an Studierende wendet, „die durch rassistische Zuschreibungen Benachteiligungen oder Diskriminierungen erfahren“, wie es auf der Hochschulseite heißt. Auch einen Online-Meldebogen findet man hier.

Die Uni Potsdam hat im Juni eine ReferentInnenstelle für Chancengleichheit und Diversity besetzt, die den „Beratungsbedarf in diesem Feld bündeln“ soll. Ein alleiniger Fokus auf Rassismus ist allerdings nicht vorgesehen. Auf anderen Hochschulseiten sucht man lange, um Ansprechpersonen zu finden, die für Studierende mit Rassismuserfahrungen in Frage kommen.

Je nach Hochschule und Bundesland sind sogenannte Diversity- oder Antidiskriminierungsbeauftragte mit unterschiedlichen Bezeichnungen, Aufgabenbereichen und Kompetenzen AnsprechpartnerInnen in Fällen von Diskriminierung. So wurden etwa Thüringens Hochschulen mit der Novellierung des Landeshochschulgesetzes 2018 zur Einrichtung einer „Beauftragten für Diversität“ verpflichtet.

Die Kompetenzen der Position, die einen Fokus auf „die Belange von Studierenden mit Behinderung, einer psychischen oder einer chronischen Erkrankung“ legen soll, ähneln denen von Gleichstellungsbeauftragten. Anders als diese hat sie jedoch kein rechtlich verbürgtes Einspruchsrecht, etwa bei Gremienentscheidungen. In anderen Hochschulgesetzen wie dem 2020 neu gefassten Hochschulgesetz von Sachsen-Anhalt ist keine entsprechende Beauftragte für ­Diversity oder Antidiskriminierung vorgesehen. Spezifische Anti-Rassismus-Beauftragte finden sich in allen Bundesländern noch immer vorwiegend auf studentischer Ebene.

Auf die strukturelle Anbindung kommt es an

Dabei geht es nicht nur um die Beratung von BIPoC-Studierenden. Maureen Maisha Auma, Professorin für Diversity Studies an der Hochschule Magdeburg-Stendal, sieht die Einrichtung einer Beauftragten für Rassismuskritik als Ansprechperson an jeder Hochschule als eine der wichtigsten Wegmarken im Kampf gegen strukturellen Rassismus im universitären Bereich. „Es gibt enormen Bedarf an rassismuskritischer Reflexion der institutionellen Routinen und Interaktionen“, sagt sie.

Es werde unterschätzt, welche kolonial geprägten, welche rassistisch geprägten Verletzungen sich durch den Alltag der höheren Bildung ziehen. Wichtig ist ihr dabei eine strukturelle Einbindung dieser Stellen: Studierende seien in einer hierarchisch abhängigen Position. „Es ist wichtig, dass sie sich kontinuierlich rassismuskritisch engagieren“, so Auma. „Aber sie können nicht so viel bewegen wie Personen, die als Angestellte auf ihre eigene Institution wirken, die Routinen kennen und in entsprechenden Gremien kontinuierlich sitzen.“

Hochschulen verwendeten allerdings lieber positiv besetzte Narrative wie Diversity Management, Chancengleichheit oder Internationalisierung, statt von Rassismus zu sprechen, konstatiert Karima Popal-Akhzarati, Doktorandin der Nachwuchsforschergruppe „Hochschule und Diversität“ der Hans-Böckler-Stiftung. Daran hätten auch Solidaritätsbekundungen für Black Lives Matter und mehr Aufmerksamkeit für das Thema bislang wenig geändert. „All das erschwert, tatsächlich von dem Problem zu sprechen“, so die Wissenschaftlerin. „Das Problem heißt nun mal Rassismus.“

Bleibt die Frage, wie viele von Rassismus Betroffene in den bislang eingerichteten Antidiskriminierungs- und Diversitystellen als BeraterInnen und Beauftragte vertreten sind. Studien hierzu fehlen. Ein Blick auf die Uniwebsites lässt aber erahnen, dass BIPoC in der Minderheit sind. Studierende auf der Suche nach Beratenden, die ihre Erfahrungen persönlich nachvollziehen können, dürften oft enttäuscht werden.

Neuer Diskursraum entstanden

Dennoch: Es hat sich etwas getan. Seit den Black-Lives-Matter-Protesten beschäftigen sich immer mehr Onlineveranstaltungen an Hochschulen mit Rassismus im universitären Kontext. Hochschullehrerin Auma spricht von einem neuen Diskursraum, der sich 2020 geöffnet habe – und setzt Hoffnungen auf die 2021 geplante Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes. Anfang kommenden Jahres soll ein erster Entwurf vorliegen. Eine Koalition, bestehend unter anderem aus Studierendenvertretungen und Gewerkschaften, trommelt bereits für die Einrichtung „diverser Antidiskriminierungsbeauftragter“.

Wilfriede Stallmann und Monica Nguyen vom autonomen BIPoC-Referat an der Uni Köln berichten derweil, dass sie gerade mit dem Referat für Gender und Diversity Management zusammenarbeiten. Ziel ist, eine Position zu schaffen, die sich als Ansprechperson für Antirassismus versteht. „Ein langer Prozess“, sagt Stallmann. „Aber es sieht so aus, dass es in Zukunft eine geben könnte.“

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