Rap-Musikvideo „This is America“: Brutal, böse, aber real
10 Millionen Klicks in nur 24 Stunden. Das gewaltvolle Video von Childish Gambino zeigt die Lebenswirklichkeit von Afroamerikaner*innen in den USA.
Fröhliche Klänge eines Gitarrenspielers, im Hintergrund der Gesang eines Gospelchors und Childish Gambino packt seine teilweise grotesken Dance Moves aus. Doch nach nur 52 Sekunden wird die friedliche Szenerie gebrochen – es fällt der erste Schuss. Der Gitarrenspieler ist tot – Childish Gambino hat ihn erschossen. Der Gospelchor ist verklungen, ein Umschwung zu Trapmusik und Childish Gambino beginnt zu rappen: „This is America“.
Das Musikvideo, bei dem Hiro Murai („Atlanta“) Regie führte, erreichte schon in den ersten 24 Stunden 10 Millionen Klicks bei YouTube. Childish Gambino ist das Alias des afroamerikanischen Schauspielers und Comedians Donald Glover. Seit 2008 ist Glover als Rapper aktiv, doch der großen Masse wurde er durch die FX-Serie „Atlanta“ bekannt, die er selbst entwickelte und in der er auch selbst als Hauptdarsteller zu sehen ist.
Nach zwei Tagen wurde „This is America“ schon über 30 Millionen mal angeklickt. Doch während verschiedene US-amerikanische und europäische Medien und Fans es jetzt schon als „das beste Musikvideo 2018“ bezeichnen, lesen andere es als gewaltverherrlichend.
Statement zur Waffendebatte
Dieser Eindruck kann entstehen, wenn man sich nur auf den Vordergrund des Videos konzentriert, in dem sich Mordszenen mit fröhlichen Tanzsequenzen abwechseln. Doch auch darin steckt eine zugespitzte Dichotomie darauf, dass schwarze Menschen in den USA nur mit zwei Dingen Erfolg haben können: Unterhaltung und Kriminalität. Wer seinen Blick auf den Text und den Hintergrund richtet, erkennt die tiefere Botschaft des Videos. Es geht um die Waffenliebe der US-Amerikaner, Polizeigewalt, den Umgang mit Sozialen Medien und Rassismus. Das Video als eine gesellschaftskritische Botschaft, die der USA den Spiegel vorhält.
Nach dem ersten Schuss nimmt ein Junge Childish Gambino die Waffe ab und legt sie liebevoll in ein rotes Tuch, während die Leiche gewaltvoll aus dem Bild gezogen wird. Ein starkes Statement zur aktuellen Debatte um Waffenkontrolle in den USA. Denn mehr als ihre (schwarzen) Mitbürger*innen lieben viele Amerikaner eben ihre Waffen. Am vergangenen Samstag, dem Tag der Veröffentlichung des Musikvideos, war Präsident Donald Trump beim jährlichen Treffen des US-Waffenverbands NRA in Dallas. Dort sicherte er den Waffenliebhaber*innen zu, dass die Waffengesetze nicht verschärft werden würden, solange er Präsident ist.
Empfohlener externer Inhalt
Eine Minute später erschießt der schwarze Rapper den gesamten Gospelchor – eine Anspielung auf die Schießerei in Charleston. Ein weißer junger Mann hatte 2015 während einer Bibelstunde in einer Kirche neun Afroamerikaner*innen getötet.
Nicht alle Symbole des halb parodistischen Videos sind so einfach zu erkennen. In den sozialen Medien werden vielfältige Analysen und Deutungen der vielschichtigen Symbole diskutiert. Als Childish Gambino vor dem ersten Schuss seltsam posiert und ein groteskes Lächeln aufsetzt, erkennen viele darin Jim Crow wieder. Eine Bezeichnung des 19. Jahrhunderts für das Stereotyp eines tanzenden, unterdurchschnittlich intelligenten Schwarzen.
Gesellschaftskritik statt Diskriminierung
Auch der Text des Liedes „This is America“ weist verschiedene Anspielungen auf rassistische Gewalttaten auf. So rappt Childish Gambino „this a celly / that's a tool“. Der Text verweist auf die Ermordung des afroamerikanischen Mannes Stephon Clark. Clark wurde von der Polizei in Sacramento mit 20 Schüssen getötet, weil die Beamten dachten, er sei bewaffnet. Er hatte aber lediglich sein Iphone in der Hand.
Seitdem Kollegah und Farid Bang für ihr Album mit einem Echo ausgezeichnet wurden, wird in Deutschland über das Genre Rap diskutiert. In verallgemeinernden Aussagen wird das Musikgenre als antisemitisch, frauen- und homofeindlich abgetan. Doch damit macht man es sich zu einfach. Ein gutes Gegenbeispiel liefert dazu Kendrick Lamar, einer der erfolgreichsten Rapper der Welt. Dieser wurde dieses Jahr für seine sozialkritische Musik mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Und auch Childish Gambino scheint auf dem besten Weg dahin. Verdient hätte dieses Meisterstück – man kann es nicht anders nennen – es allemal. Denn es ist nicht nur als aktuelle Antwort auf die US-amerikanische Politik zu lesen, sondern zeigt auch, wie das Leben der Afroamerikaner*innen seit Jahrzehnten in einer weiß dominierten Gesellschaft aussieht – nämlich geprägt von rassistischer Gewalt. Vielleicht hilft das Musikvideo, das diese Brutalität so unmittelbar abbildet, uns allen häufiger hinzusehen.
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