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Räumungsprozesse um die Rigaer94Klare Absage an das Kapital

Marie Frank
Kommentar von Marie Frank

Die Rigaer94 ist nicht auf einen Vergleich eingegangen, um die Kneipe Kadterschmiede zu retten. Das war das richtige Zeichen. Ein Wochenkommentar.

Darf ein bunter Ort bleiben: Die Kadterschmiede in der Rigaer Straße 94 Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

D ie Be­woh­ne­r*in­nen des linken Hausprojektes Rigaer94 in Friedrichshain haben hoch gepokert – und gewonnen. Das Landgericht wies am Montag wiederholt eine Räumungsklage als unzulässig zurück, weil der Kläger keine Prozessbevollmächtigung glaubhaft machen konnte.

Hoch gepokert haben die Be­woh­ne­r*in­nen deshalb, weil sie zuvor nicht auf ein Vergleichsangebot einer Richerin am Landgericht eingegangen waren. Das hätte ab dem 1. März einen ordentlichen Nutzungsvertrag gegen eine Miete von 650 Euro monatlich vorgesehen. Damit wäre die leidige jahrelange Geschichte der zahlreichen versuchten Räumungen der Kadterschmiede endgültig gelöst gewesen.

Doch die Rigaer94 hat wieder einmal gezeigt, dass ihr der Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt durch dubiose Investoren, die sich hinter Briefkastenfirmen verstecken, wichtiger ist, als eine vermeintliche Sicherheit. Hätten sie das Vergleichsangebot angenommen, hätten sie das Konstrukt der Briefkastenfirma Lafone Investment Limited und ihren vermeintlichen Anwalt anerkannt – und damit auch die Kontrolle des Kapitals über den Wohnungsmarkt.

Mit ihrem Abwarten hat die Rigaer94 indes gezeigt, dass sie ein rebellisches politisches Projekt ist, das sich entschlossen gegen die kapitalistische Verwertung menschlicher Grundbedürfnisse wehrt. Und dass ihr Eigentümer, wenn er sie los werden will, sich erstmal aus der Deckung wagen muss – und nicht aus der Anonymität heraus einfach Kasse machen kann.

Weitere Räumungsklagen gegen Mie­te­r*in­nen

Die Entscheidung, das Angebot nicht anzunehmen, fiel auch vor dem Hintergrund, dass gegen alle rund 30 Be­woh­ne­r*in­nen derzeit Räumungsklagen laufen. Ein weiterer Prozesstag findet am Dienstag dazu vor dem Amtgericht Tempelhof-Kreuzberg statt.

Die Antwort der Rigaer94 gegen den juristischen Großangriff gegen ihr selbstverwaltetes Hausprojekt ist klar: Wir bleiben alle, und die Häuser gehören denen, die drin wohnen. Dass das Landgericht die Räumungsklage gegen die Kadterschmiede abgewiesen hat, weil die Anwälte der Briefkastenfirma mal wieder keine wirksame Prozessvollmacht nachweisen konnten, gibt ihnen auch für die noch kommenden Auseinandersetzungen Rückendeckung.

Diese Entscheidung gibt für die kommenden Auseinandersetzungen Rückenwind

Auch hier wird die Lafone nachweisen müssen, dass sie überhaupt rechtmäßig in Deutschland agieren kann. Denn ein Briefkasten aus England kann nicht einfach Menschen in Berlin auf die Straße setzten – erst recht nicht, wenn er nicht mal Steuern bezahlt. Auch wenn das Gericht nicht inhaltlich in der Klage entschieden hat, geht die Rigaer94 als moralischer Sieger vom Feld und sendet aus der Hauptstadt des Mietenwahnsinns ein deutliches Signal: Widerstand lohnt sich. Denn das Recht auf Wohnen wiegt schwerer als das Recht auf Profit.

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Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
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18 Kommentare

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  • "Ganz klar nein."

    Dann sind wir uns ja einig.

    • @tomás zerolo:

      wir sind uns offenbar nur einig, dass Sie keine Diskussion in der Sache zu Ihrer Ausgangsthese wollen.

    • @tomás zerolo:

      halten Sie das für gesichtswahrend?

  • @HUNKY DORY

    Wenn Sie schon so vollmundig "Internet" sagen. Hier [1].

    Mit den ricutigen Suchbegriffen wird Sie Ihre Suchmaschine der Wahl regelrecht mit schreiender Ungerechtigkeit im Kontext des Wohnmietverhältnisses fluten (ich spreche vom deutschen Kontext: gehen Sie international, dann wird's noch krasser).

    [1] link.springer.com/...s12054-021-00378-8

    • @tomás zerolo:

      Also kein Beitrag von Ihnen zum eigentlichen Thema.

      Warum bin ich nicht überrascht?

      Zur Erinnerung, Ihre Ausgangsthese:

      Zitat: Toppt "Recht auf Besitz" des Einen das "Recht auf Leben" der anderen? Ganz klar nein. Und so weiter.

      Wenn Sie was zur Begründung nachschieben, können wir gerne weiterdiskuterien

  • Zitat:

    Toppt "Recht auf Besitz" des Einen das "Recht auf Leben" der anderen? Ganz klar nein. Und so weiter.

    Sie könnten wenigstens den Versuch unternehmen, sich über das Internet dem Wesensgehalt der von Ihnen angesprochenen Grundrechte anzueigenen.

    So bleibt der Eindruck, dass mit Begrifflichkeiten hantiert wird, um der eigenen Meinung einen rechtlich erheblichen Anstrich zu verleihen.

    Das wirkt allerdings alles andere als überzeugend und mir fällt es dann schwer, Sie ernst zu nehmen.

    Wo wird denn Artikel 2 Abs. 2 GG verletzt?

  • @HDERK

    Sie sind Opfer von Propaganda.

    "Gekauft" heisst, sie hatten Geld (via CumEx geklaut, vielleicht? Geerbt und durch eine allzu grosszügige Steuerpolitik noch reicher gemacht? Geliehen, die Zinsen zahlt die Mieterin?).

    Sehen Sie -- ich bin nicht gegen Privatbesitz. Ich finde aber, es ist kein Absolutwert, sondern sollte in einer Gesellschaft gegen andere Werte austariert werden.

    Toppt "Recht auf Besitz" des Einen das "Recht auf Leben" der anderen? Ganz klar nein. Und so weiter.

    Genau so übrigens, wie unser Grundgesetz es auch sieht, sonst sähen Atikel 14 und 15 ganz anders aus.

    • @tomás zerolo:

      Zitat: Toppt "Recht auf Besitz" des Einen das "Recht auf Leben" der anderen? Ganz klar nein.

      Das schöne ist doch, dass hier jeder zu allem schreiben kann, was er mag, gleich wie wenig Ahnung er von der MAterie hat

    • @tomás zerolo:

      Ich finde es müßig ohne jegliche Hintergrundinformationen wild darüber zu spekulieren wo die Leute das Geld herhatten, und am Ende macht es auch keinen Unterschied - sie hatten es und erfüllten damit die Forderungen des Vorbesitzers.

      Andererseits glaube ich nicht, dass das "Recht auf Leben" bedingt, im hippen Berliner Kiez gratis wohnen zu müssen - tu ich auch nicht, lebe trotzdem eigentlich ganz gut.

  • @GRAUSTUFEN

    Warum sollten Häuser denen gehören, die ihre Mieter*innen auswringen?

    Kein Naturgesetz.

    • @tomás zerolo:

      Weil sie sie vorher gekauft haben vom Vorbesitzer. Deshalb gehören die Häuser denen.

  • Häuser gehören denen, die in ihnen wohnen, Lebensmittel gehören denen, die sie essen und Klamotten denen, die sie tragen?



    Finden Bauarbeter:innen in Deutschland, Kaffeebauer:innen in Nicaragua und Näher:innen in Bangladesh bestimmt toll.



    Viva la revolution!

    • @Leichtmatrose:

      Finden Verhungernde in Somalia. Finden Obdachlose vor Häusern



      Finden Näherinnen in Bangladesh



      Fuck the Luxus-Revolution!

  • So ein Käse. "Häuser gehören denen, die drin wohnen". Muss jedem klar sein, dass das unlogisch ist. So würden wohl kaum Wohnhäuser gebaut werden. Das ist schlicht Diebstahl und die Taz verherrlicht es.

    • @Graustufen:

      Diebstahl ist es, wenn Briefkastenfirmen tausende Wohnungen kaufen nur Gewinne abschöpfen und keinen Cent Steuern zahlen wie jeder normale Bürger es tut. Wer richtet wohl mehr Schaden an, die paar Zecken in der Rigaer, oder diese Immobilienfirmen. Schon mal recherchiert wem die Rigaer 94 gehört? Mach mal :)

      • @WasistnurlosindiesemLand:

        Mit solcher Polemik überzeugen Sie niemanden, obwohl das ja ihr Ziel ist: Sonst würden Sie nicht im Kommentarbereich einer Zeitung Kommentare schreiben. Also versuchen Sie es doch sachlich.

        Wir haben in unserer Gesellschaft gegenwärtig den grundsätzlichen Kompromiss, dass es individuelles Eigentum gibt. Das können Sie schlecht finden und es durch Wahlen verändern. Aber gegenwärtig gilt das nunmal.

        Und in dieser Welt existieren aus zwei verschiedenen Gründen Wohnungen: 1. Jemand hat sie sich selbst mit den eigenen Händen oder dem eigenen Geld gebaut, um darin zu wohnen. Eventuell hat das auch vorher jemand anders gemacht und die Wohnung wurde "gebraucht" gekauft.



        2. Jemand hat die eigenen Hände oder das eigene Geld dazu genutzt, eine Wohnung zu bauen (oder zu kaufen), um sie gegen Gebühr anderen zur Verfügung zu stellen.

        NUR so entstehen Wohnungen. Von "Wer in Wohnungen wohnt, dem gehören sie auch" entstehen einfach keine. Damit kann man nur das verwalten, was bereits existiert. Das muss Ihnen doch klar sein.

        Diese Tatsache ist doch völlig losgelöst davon, ob der Eigentümer (mutmaßlich) unsympathisch ist und/oder (mutmaßlich) nicht richtig Steuern zahlt.

      • @WasistnurlosindiesemLand:

        "Schon mal recherchiert wem die Rigaer 94 gehört? Mach mal :)"

        Und wenn die Recherche zu einem Ergebnis käme würde alles geordnete Wege gehen? ROFL

        Ich glaube es geht den Bewohnern am Arsch vorbei, wem das konkret gehört. Angesicht der bekannten Militanz der Szene wäre ich auch vorsichtig mich als Eigentümer zu offenbaren.



        Da kann es auch schnell mal passieren zusammenschlagen zu werden. Selbiges ist Mitarbeiterinnen von Immo-Firmen ja schon passiert.

      • @WasistnurlosindiesemLand:

        Ohne jetzt Sympathien gegenüber dem Eigentümer zu haben, aber etwas wie sie schrieben zu "kaufen" fällt gemeinhin nicht unter Diebstahl ;)