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Räumungsprozess gegen Kisch und CoFonds schmeißt Buchhändler raus

Ein Investmentfonds hat in Berlin erfolgreich gegen die Buchhandlung Kisch und Co geklagt. In dem Haus sind weitere Museen und Galerien bedroht.

Hier könnte bald ein Starbucks sein: Nach der Verdreifachung der Mietpreise muss Kisch & Co weichen Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Die beliebte Kreuzberger Buchhandlung Kisch und Co. muss geräumt werden. Das urteilte das Verwaltungsgericht am Donnerstagmorgen und gab damit der Räumungsklage des Eigentümers des Hauses in der Oranienstraße 25 statt. Geklagt hatte der Investmentfonds Victoria Immo Properties, der aus einem Geflecht luxemburgischer Briefkastenfirmen besteht. Für den Kläger waren zwei austauschbare Rechtsanwälte aus Frankfurt am Main zugeschaltet. Das einzige, was sie zu der Verhandlung beitrugen, war: „Wir haben kein Mandat für eine gütliche Einigung.“

Entsprechend fiel das Urteil am Kriminalgericht Moabit wie erwartet aus: Die Buchhandlung muss die Räume in der Oranienstraße verlassen und auch die Kosten des Verfahrens tragen. Revision ist zugelassen. Ob die Buchhändler davon Gebrauch machen, ist allerdings noch offen.

Die Anwälte der Buchhandlung hatten noch versucht, eine Regelungslücke im Gewerbemietrecht geltend zu machen. Angesichts der spiralförmigen Preisentwicklung auf dem Berliner Immobilienmarkt müsste für Kleingewerbe ähnlicher Mieterschutz gelten wie für Wohnraum, argumentierten sie.

Das sah das Gericht allerdings anders. Der vorsitzende Richter erklärte: „Mag sein, dass sich politisch betrachtet eine Regelungslücke ergibt, aber uns sind da die Hände gebunden.“ Entsprechend sei es bei Änderungsbedarf Aufgabe der Politik darauf zu reagieren. Man könne als Gericht nicht über die Situation im Kiez urteilen, sondern bewerte letztlich einen zivilrechtlichen Vertrag.

Rendite vs. Kultur

Entsprechend gab das Gericht der Räumungsklage des Investment-Fonds statt. Das Gebäude wurde 2019 von der Berggruen Holdings GmbH für 35,5 Millionen Euro an die Victoria Immo Properties V S.a.r.l. verkauft. Die Rechtsform ist laut Rosa-Luxemburg-Stiftung bei Investoren aufgrund ihrer Anonymität beliebt. Dahinter stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erbinnen des Tetrapak-Gründers Ruben Rausing, Kirsten und Sigrid Rausing. Zweifelsfrei belegen lässt sich das mit öffentlichen Informationen ob der fehlenden Transparenz auf dem Immobilienmarkt allerdings nicht.

Der Buchhändler Frank Mertens konnte den Prozess immerhin noch als Gelegenheit nutzen, um eine politische Erklärung abzugeben. Er sagte kämpferisch: „Wir sitzen hier, weil wir natürlich auch um unsere Existenz kämpfen, für den Erhalt unserer Buchhandlung und die Arbeitsplätze unserer tollen Mitarbeiter. Aber darüber hinaus geht es auch um den Erhalt des gesamten Kultur- und Sozialstandorts Oranienstraße 25.“ Denn: auch die weiteren Projekte in dem Haus seien bedroht. Keine Mietpartei im Haus könnte sich die vom neuen Eigentümer verdreifachten Mietpreise leisten.

Mertens brachte den Konflikt noch einmal auf den Punkt: „Auf der einen Seite steht das Profitinteresse einiger steinreicher privater Spekulanten, die sich hinter treuhänderisch agierenden Anwälten verstecken. Auf der anderen Seite steht die jahrelange Arbeit von Kulturschaffenden, Galeristen, Museen und das Engagement der Anwohnenden.“ Das werde auf einen Schlag kaputt gemacht oder verdrängt. Die aus Frankfurt zugeschalteten Anwälte ließen die Erklärung regungslos über sich ergehen. Sie gingen gar nicht erst auf die erneute Aufforderung ein, einen angemessenen Mietvertrag anzubieten.

Der Prozess fand nach polizeilicher Anordnung unter vollkommen übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen statt. Jour­na­lis­t:in­nen wurden zweimal gründlich durchsucht und durften nur Block und Stift mit in den Saal B129 nehmen, in dem sonst Terrorverhandlungen stattfinden. Dabei hatte es bisher nur friedliche Proteste um die Räumung gegeben. Entsprechend war im Vorfeld von unnötiger Kriminalisierung die Rede. Wegen der Coronapandemie durften sowieso nur wenige Gäste im Zuschauerraum Platz nehmen.

Unterstützung aus der Politik

Auch nach dem Räumungsurteil stellte sich Mertens kämpferisch vor die TV-Kamera, während im Hintergrund eine Kundgebung zur Unterstützung der Buchhandlung lärmte – und die klang durchaus danach, als ob dies noch lange nicht die letzte Kisch und Co-Demo sein würde: „Hier geht es nur noch um Renditeinteressen, wir brauchen eine gesetzliche Anpassung an die veränderte Lage“, sagte Mertens.

Gegen die Verdrängung der Buchhandlung gibt es seit mehr als einem Jahr Proteste von An­woh­ne­r:in­nen und Kiez-Initiativen. Bei der Demo am Donnerstagmorgen harrten circa 200 Personen bei für die Jahreszeit eisigen Winden kämpferisch vor dem Gerichtssaal aus. Dabei half ihnen auch der Kisch-Und-Co-Protestsong von Stereo Total, den die Band mit der mittlerweile verstorbenen Sängerin Françoise Cactus im vergangenen Herbst aufgenommen hatte.

Der Kreuzberger Linken-Abgeordnete Pascal Meiser versprach nach dem Urteil auf der Kundgebung, sich für ein verbessertes Gewerbemietrecht einzusetzen. Frühere Proteste waren auch immer wieder von der Grünen Canam Bayram und der SPD-Abgeordneten Cansel Kiziltepe unterstützt worden.

Anfang des Jahres hatten gar Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) einen Bittbrief an den Luxemburger Investment-Fonds geschickt, von den überzogenen Mietpreisen abzusehen und ein besseres Angebot für den Buchladen vorzulegen. Ebenso gab es eine prominente Un­ter­stüt­ze­r:in­nen­lis­te zahlreicher Schrift­stel­le­r:in­nen und Kulturschaffender. Bisher alles Vergeblich.

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2 Kommentare

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  • Wenn die Buchhandlung so toll laufen würde (gibt ja so viele Unterstützer) oder die reichen Politiker so viel Interesse daran haben (also nicht nur an schönen Reden), dann hätte der Laden kein finanzielles Problem - entweder durch viele Buchverkäufe oder durch Spenden der Politiker als Privatperson.

    • @eicke81:

      Wenn ihnen eine Mieterhöhung um 200% keine Probleme bereiten sollte - seien sie froh, aber schließen sie nicht von sich auf andere. Zynismus ist mittlerweile bei der Entwicklung der Mieten heutzutage fehl am Platz.