Buchhandlung Kisch & Co vor der Räumung: „Sie müssen schon kommen“

Die Buchhandlung von Thorsten Willenbrock an der Kreuzberger Oranienstraße soll am 24. August geräumt werden. Freiwillig gehen will er aber nicht.

Thorsten Willenbrock vor seinem Laden

Thorsten Willenbrock vor seinem Laden Foto: dpa

taz: Herr Willenbrock, für Ihre Buchhandlung Kisch & Co. gibt es nun einen Räumungstermin: Am 24. August kommt der Gerichtsvollzieher. Werden Sie freiwillig gehen?

Thorsten Willenbrock: Nein. Sie müssen schon kommen und uns den Schlüssel abnehmen. Wir werden deutlich machen, dass wir nicht freiwillig aus unserem Laden gehen.

Kann man also Blockaden erwarten, mit Zwangsräumungen verhindern und allem Pipapo?

56, lernte das Handwerk des Buchhändlers als Student bei der der Wohlthatschen Buchhandlung. Seit 1998 betreibt er die Buchhandlung Kisch & Co. in der Oranienstrasse.

Wir haben bereits eine Kundgebung vor dem Laden angemeldet und wollen nochmal protestieren. Was darüber hinaus passiert, weiß ich noch nicht, das wird sich entwickeln. Auf jeden Fall haben wir weiterhin die Unterstützung des Bündnisses Volle Breitseite, das von vielen Kiez- und Mieterinitiativen getragen wird. Und viele unserer Kunden, mit denen wir seit Samstag über den Termin sprechen, haben uns auch versprochen, vorbei zu kommen. Allerdings werden wir die Buchhandlung vorher ausräumen müssen. Eine vom Gerichtsvollzieher veranlasste Räumung können wir uns nicht leisen.

Mehr als ein Jahr lang haben Sie nach der Kündigung durch Ihren Eigentümer, einem luxemburgischen Investmentfonds, protestiert. War das nun umsonst?

Auf keinen Fall. Wir hatten drei Ziele: Erstens, dass wir hier bleiben können, zweitens, dass wir um das Haus kämpfen und drittens, dass wir auf die Situation von Gewerbetreibenden, die keinerlei Mietrechtsschutz haben, aufmerksam machen. Das zumindest ist uns gelungen. Jetzt wird mehr über die Verdrängung von Gewerbe gesprochen, darüber, dass an unzähligen Orten, oft versteckt in Hinterhöfen, Handwerksbetriebe, Künstler, Druckereien ihre Räume verlieren.

Wie ist die Situation im Haus in der Oranienstraße 25?

Mit uns geht auch das Architekturbüro, das sich keine Mieterhöhung von 13 auf 38 Euro pro Quadratmeter leisten konnte. Die Neue Gesellschaft für bildende Kunst hat noch einen Vertrag bis Mitte nächsten Jahres, das Museum der Dinge bis Ende 2023. Das Yogastudio hat nochmal einen Einjahresvertrag bekommen.

Für Sie gab es viel Zuspruch aus Berlins Landespolitik, inklusive eines Briefes von Senatoren an den Eigentümer. Die Räumung konnte das nicht verhindern. Ist die Politik handlungsunfähig?

Mit den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag ist leider nichts zu machen. Der mangelnde Schutz für Ge­wer­be­mie­te­r*in­nen ist nur auf Bundesebene zu regeln. Doch CDU und SPD stehen nicht auf der Seite der Gewerbetreibenden, sondern auf der der Immobilienbesitzer. Sie haben es verbockt und sind verantwortlich. Ein Antrag der Grünen Canan Bayram für einen verbesserten Schutz von Gewerbemietern vor Kündigungen hat Ende vergangenen Jahres im Bundestag die Fronten nochmal klar aufgezeigt.

Wieso sind Sie gegen das Räumungsurteil des Verwaltungsgerichts im April nicht in Revision gegangen?

Erstens hätte das keine aufschiebende Wirkung gehabt, die Räumung hätte trotzdem stattfinden können. Außerdem hat uns schon der erste Prozess etwa 7.500 Euro gekostet, die wir zum Glück über Spenden und den Verkauf eines Soli-Kalenders finanzieren konnten. Ein Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht hätte noch einmal das Doppelte gekostet und keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

Was machen Sie, wenn die Räumung vorbei ist?

Erstmal zwei Tage nichts. Danach werde ich in unserem zweiten Laden, dem Antiquariat in der Wiener Straße, weitermachen. Und natürlich versuchen wir weiter, in der Oranienstraße oder der näheren Umgebung Ersatzräume zu finden.

Haben Sie da noch Hoffnung?

Ja, wir sind in Gesprächen und hoffen, dass wir die zu einem guten Abschluss bringen können. Mehr gibt es dazu aber noch nicht zu sagen.

Wissen Sie, was aus Ihrem bisherigen Laden werden soll?

Nein, absolut überhaupt nicht. Es gab ja niemals Kontakt, außer mit den Anwälten, die nur darauf gedrängt haben, dass wir rausgehen. Vermutlich wird die Miete für unsere Nachfolger 45 bis 50 Euro pro Quadratmeter kosten. Das können sich höchstens Start-ups, Restaurants oder ein BMW-Showroom leisten.

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