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Räumung im Dannenröder WaldCarola Rackete vom Baum geholt

Die Rodungen im Wald kommen nur langsam voran. Erste Schneisen sind geschlagen. Die Besetzer*innen wollen stärker mit „spontanen Aktionen“ stören.

Die Aktivistin Carola Rackete im Dannenröder Forst Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

Dannenröder Wald taz | Der nördliche Waldrand des Dannenröder Forstes lichtet sich: Am Tag drei der Räumung des besetzten Waldes hat die Autobahnfirma Deges zusammen mit der Polizei begonnen, eine deutlich erkennbare Schneise in den Mischwald zu schneiden.

An den Vortagen hatte die Polizei nur vorbereitende Maßnahmen getroffen, Personen aus Bäumen geräumt, Barrikaden beseitigt und den Weg für die Räummaschinen freigeschnitten.

Am Donnerstag fällten die Deges-Leute bis zum Nachmittag auf rund 1.200 Quadratmetern junge Birken und Buchen und zerstörten ein Baumhaus. In diesem hatte unter anderem die Rettungskapitänin und Umweltaktivistin Carola Rackete die Nacht verbracht. Gegen zehn Uhr holte die Polizei sie mit einer Hebebühne herunter und brachte sie aus dem Wald, um ihre Daten aufzunehmen.

Am Vormittag starteten Aktivist*innen den Versuch, Polizeiketten zu durchbrechen um im abgesperrten Bereich Harvester zu besetzen. 60 Personen stürmten auf die Polizist*innen zu und zündeten Rauchtöpfe. Die Beamt*innen reagierte mit Schlagstöcken und nahmen mehrere der Angreifenden fest.

Mühsames Vorarbeiten der Räumer

Der Wechsel von täglichen Neubesetzungen und Räumungen setzt sich derweil fort. Am Dienstag hatte die Polizei am nördlichen Waldrand ein Baumhaus und zwei Tripods geräumt, am Mittwoch hatten Waldbewohner*innen an der gleichen Stelle zwölf Buchen besetzt und zwei neue Tripods errichtet. Im Tagesverlauf räumte die Polizei die Strukturen, am Donnerstagfrüh hingen wieder ein Dutzend Menschen in den Buchen und zwei Personen in neu errichteten Tripods.

„Für die andere Seite geht es extrem langsam voran“, sagte „Momo“, ein Sprecher der Waldbesetzung. Zukünftig werde es mehr spontane Versuche geben, die Polizei bei den Arbeiten zu behindern: „Wir sind entschlossen, unseren Lebensraum zu verteidigen, und werden am Ende gewinnen.“

Polizeicamp wächst

Am südlichen Waldrand nahe des Camps der Aktivist*innen baut die Polizei weiter ihr Logistikzentrum aus. Auf einem Acker sollen schwere Maschinen und polizeiliche Infrastruktur lagern. Wenn das Zentrum in einigen Tagen steht, wird sich der Druck auf die Waldbesetzer*innen massiv erhöhen: Die Polizei kann dann von beiden Seiten anfangen, die stark ausgebauten und gut befestigten Baumhausdörfer abzureißen, die sich im Inneren des Waldes befinden.

In der Nacht war auf dem Hauptcamp der Umweltschützer*innen ein Zirkuszelt abgebrannt, das als Plenums- und Aufenthaltsort gedient hatte. Die Feuerwehr löschte die Flammen, verletzt wurde niemand. Brandursache war nach Angaben der Aktivist*innen vermutlich ein durchgeschmortes Kabel.

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10 Kommentare

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  • Zu Ihrer Information: Der Dannenröder Wald ist der einzige seit langer Zeit als Dauerwald bewirtschaftete Wald in Hessen. Um zu verstehen, warum dieser Wald erhalten werden muss und so wichtig ist empfehle ich folgenden Podcast/Waldspaziergang mit dem Forstwissenschaftler und Baumgsachverständigen P. Funck.

    www.buzzsprout.com/1483660/6344575

  • Diese zusätzlichen Ortsveränderungen bilden den durch den Straßenbau „induzierten Verkehr“.



    Soweit Pfleiderer.



    Beim durch Strassenbau induzierten Kfz- Verkehr unterscheidet man primär und sekundär induzierten Verkehr.



    Durchschnittlich weitere Pkw-Fahrten (Einkauf, Arbeit, Freizeit) aufgrund gut ausgebauter Straßen sind Beispiele für primär induzierten Neuverkehr.



    Sekundär induziert ist derjenige Teil des Kfz-Verkehrs, der aus der Stadt-Umland-Wanderung ('Zersiedelung') aufgrund verbesserter Kfz-Verkehrsanbindung resultiert.



    📷



    verkehrswissenschaftler.de



    Gruppe unabhängiger Verkehrswissenschaftler



    Die Gruppe unabhängiger Verkehrswissenschaftler bearbeitet verkehrspolitische Themen auf wissenschaftlicher Grundlage unabhängig von der Verkehrslobby.

  • Die Proteste der Weiterbaugegner sind absolut berechtigt.



    Wer dies nicht wahrhaben möchte und weiter den Märchen der Auto und Strassebaulobby glauben schenken will, könnte sich ein wenig informieren...



    Ich hoffe Sie sind sich der Tatsache bewusst, daß der Weiterbau der A49 keine wirkliche Lösung dastellt. Wer im 21.Jhdt immer noch glaubt durch den Neubau von Strassen, die allgemein steigende Verkehrsbelastung mindern zu können möge sich mit dem Braess Paradoxon oder folgendem Text auseinandersetzen:

    Ich hoffe Sie sind sich der Tatsache bewusst, daß der Weiterbau der A49 keine wirkliche Lösung dastellt. Wer im 21.Jhdt immer noch glaubt durch den Neubau von Strassen, die allgemein steigende Verkehrsbelastung mindern zu können möge sich mit dem Braess Paradoxon oder folgendem Text auseinandersetzen:



    Tipp: Gruppe unabhängiger Verkehrswissenschaftler, Stichwort induzierter Verkehr.



    www.verkehrswissen...ftler.de/index.htm

    Vom Mitglied Rudolf Pfleiderer stammt das hier:



    Dass bei Straßenneubau die Verkehrsbelastung zunimmt, liegt daran, dass Kfz-Strassen-Bau Kfz-Verkehr induziert, d.h. Neuverkehr verursacht.



    Der „induzierte Verkehr“ ist einfach zu verstehen und einfach zu definieren.



    Aus der Volkswirtschaftslehre ist das Angebot-Nachfrage-Gesetz seit ca 200 Jahren bekannt: Ein verbessertes Angebot führt zu einer erhöhten Nachfrage. Dies gilt auch für den Strassenbau.



    'Induzierter Verkehr' nach Matthias Lenz, Diss. 2005:



    "Das mit Abstand wichtigste Qualitäts-Merkmal und damit Maß für das Angebot eines Verkehrsweges ist die Geschwindigkeit.



    „Geschwindigkeitszunahmen führen im Verkehr zu Zeiteinsparungen. Die eingesparte Zeit wird aber zu einem bestimmten Teil (der kleiner, gleich oder sogar größer als die eingesparte Zeit sein kann) für bisher nicht durchgeführte Ortsveränderungen genutzt, d.h. die eingesparte Zeit wird dazu genutzt, um weiter entfernte Ziele aufzusuchen oder zusätzliche Wege durchzuführen.

  • Den Wald zum gefährlichen Ort erklären, wer wiederholt einen Platzverweis missachtet bekommt seine Stütze gestrichen und fährt ein. Einschreiten bevor die ersten Baumhütten errichtet werden! Der ganze Zirkus wegen 27ha, die Fläche kaut der Borkenkäfer bis mittags.

    Friedlicher Protest gern am Waldrand.





    Es gibt Gute Rettungskapitäninnen und böse Schlepper, in ganz seltenen Fällen auch beides in einer Person.

    Der sichere Hafen muss Tunis heißen.

    • @halb-fuenf:

      So viel dummes Zeug auf so wenig Platz! Stütze streichen für politische Partizipation, wo gibts das denn? Das Gegenteil, belohnen und Befördern! Und Protest gern, so lange er nicht wehtut? Wo hast du deinen Staatskundegrundkurz absolviert, bei Carl Schmitt?

      "Nur" 27 Hektar, genau! Richtig gesunder Lebensraum bleibt der Rest, wenn sich der 50 Meter breite Todesstreifen durchfrisst. Ich fräse mir auch bald mal eine Schneise durch deine Wohnung: Nur 10qm, das muss doch möglich sein!

      Wenn der sichere Hafen Tunis heißen muss, dann hätte dein iPhone Fairphone heißen müssen und deine Banane Kartoffel und dein Blutdiamantenehering Holzperle,

      Perle!

    • @halb-fuenf:

      1. Es soll ich bei dem Wald um Mischwald handeln. Borkenkäfer fressen sehr selektiv an nur wenigen Baumarten, vor allem Fichten sind betroffen. Ein Mischwald wird durch den Borkenkäfer nie und nimmer zerstört.

      2. Was soll "Protest am Waldrand" denn bringen?

      3. Ein sicherer Hafen an einem Ort, wo die Leute keine Perspektive sehen, zwingt sie nur wieder raus aufs Meer. Aber darum geht es hier eigentlich nicht.

  • "....unseren Lebensraum zu verteidigen...."

    Keiner von denen lebt dort auf Dauer.



    Im Gegensatz zu den Einheimschen, die sich offensichtlich kaum an den Blockaden beteiligen.

    • @fly:

      "Im Gegensatz zu den Einheimschen, die sich offensichtlich kaum an den Blockaden beteiligen."



      Im Gegenteil, die Einheimischen scheinen im Allgemeinen sehr verärgert über die Besetzter zu sein. Es munkelt, diese würden den LKW-Durchgangsverkehr lieber heute als morgen aus ihren Ortschaften verbannen wollen, da hülfe es wenig, den Bau von Umfahrungen zu verhindern und auf eine glorreiche Zukunft in wenigen Jahrzehnten zu vertrösten, in der der Schienengüterverkehr vielleicht halbwegs funktioniert.

    • @fly:

      Guter Einwand. Die Ansichten der Anwohner, die unter dem Schwerverkehr auf der B-3 leiden, kommen in der Berichterstattung über den Dannenröder Forst kaum vor. Wie viele der Blockierer stammen aus der Region?

      • @steschlieb:

        Die Einheimischen organisieren seit 40 Jahren Widerstand gegen die A49. Ohne ihre Hilfe bis jetzt wäre es nicht möglich einen solchen Protest zu stemmen.



        Der Bau der A49 würde die Anwohner:innen der B3 nicht so entlasten wie diese es sich vorstellen. Dagegen gibt es aber Alternativen zur A49, welche die Anwohner:innen der B3 wirklich entlasten würde und das ganz ohne einen gesunden Mischwald zu roden und das Trinkwasserreservoir für 500.000 Menschen zu gefährden.

        Hier die Alternative:



        meine-marburger-re...ur-und-wirtschaft/