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Rabiate Razzia bei G-20-GegnernJetzt wird der Staat wütend

Der Staatsschutz durchsucht die Wohnung von zwei Aktivisten. Sie sollen im taz-Interview einen Brandanschlag auf die Messehallen gebilligt haben.

Meinungsäußerung oder Straftat? Parole an einer Wand an der Hamburger Messe Foto: dpa

Hamburg taz | Gut eine Woche vor dem ­G-20-Gipfel hat die Repression gegen Gipfelgegner eine neue Stufe erreicht. Am Donnerstagmorgen wurden die Wohnungen zweier Aktivisten der linksradikalen Gruppe Roter Aufbau durchsucht, die der taz ein Interview gegeben haben sollen. Nach Angaben der Betroffenen seien ihre Wohnungstüren eingetreten worden. Sonderkommandos hätten sie dann mit Maschinenpistolen im Anschlag aus den Betten gerissen. Auch die Räume des Vereins „Klassenkultur“ des Roten Aufbaus in der Eimsbütteler Chaussee wurden vom Staatsschutz durchsucht.

Auf taz-Anfrage will sich die Polizei mit Verweis auf ermittlungstaktische Gründe nicht zum Hergang äußern. In einer Pressemitteilung erklärt sie: „In allen Objekten wurden EDV-Geräte, Datenträger und schriftliche Unterlagen zur Durchsicht sichergestellt.“ Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Carsten Rinio, erklärt, „wir ermitteln wegen des Verdachts der Billigung einer Straftat“.

Den beiden Männern wird vorgeworfen, sie könnten die beiden Gipfelgegner „Ernst Henning“ und „Timo Schmidt“ gewesen sein, die die taz für die Ausgabe am 2. Dezember 2016 zu den möglichen G-20-Gipfelprotesten anonymisiert interviewt hatte. In dem Interview war auch die Brandattacke zwei Wochen vor dem OSZE-Treffen auf den G-20-Tagungsort Messehallen angesprochen worden, für die die beiden als „legitime Form des Widerstands“ Verständnis zeigten.

Meinungsstraftat

Der Paragraf 140 Strafgesetzbuch „Belohnung und Billigung einer Straftat“ lässt sehr oft Auslegungsspielräume und Interpretationen zu, weil er oft mit dem Recht auf Meinungsfreiheit kollidieren kann.

Für die Strafbarkeit der Billigung muss eine hinreichende Öffentlichkeit und eine voraussichtliche Störung des öffentlichen Friedens gegeben sein.

Eine reine Verständnisäußerung ist in der Regel –außerhalb der G-20-Gipfel-Vorbereitungen –von der Meinungsfreiheit gedeckt.

„Da sind ein paar Glasscheiben zu Bruch gegangen und ein bisschen Ruß ist da“, sagten sie. Sie verstünden die Leute, die „Wut auf diesen Staat“ hätten. „Die, die zum OSZE oder zum G 20 kommen, sind die wahren Verbrecher“, sagten sie.

Laut Staatsanwaltschaft sollen Halil S.und Noah K. die Interviewten gewesen sein. Wie die Anklagebehörde darauf komme, wollte Rinio nicht sagen: „Das weiß ich nicht und das dürfte ich Ihnen auch nicht sagen.“

taz-Redakteurinnen sagten nicht aus

Nach Angaben von Rinio werde gegen die beiden interviewenden taz-Redakteurinnen aber nicht ermittelt. Sie hatten nach dem Interview Vorladungen zu einer Vernehmung beim Staatsschutz des Landeskriminalamtes erhalten, diesen unter Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht und den Informantenschutz aber nicht Folge geleistet.

Vor allem deshalb stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage der Staatsschutz zu der Einschätzung gelangt, bei den Beschuldigten handele es sich um die anonymisierten Interviewpartner der taz. Denn das Interview war in den Räumen der taz geführt worden, die Autorisierung über eine verschlüsselte E-Mail erfolgt.

G20 in Hamburg

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Die Betroffenen verstehen das Vorgehen des Staatsschutzes als Einschüchterungsversuch. Offenbar wolle die Polizei „uns kurz vor dem G-20-Gipfel verunsichern und dafür sorgen, dass wir uns nicht trauen, unseren legitimen Protest auf die Straße zu tragen“, erklärt einer von ihnen. Der rot-grüne Senat spreche von einem „Fest der Demokratie“, während die Stadt gleichzeitig „im Blaulicht versinkt“.

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14 Kommentare

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  • Glaub ich nicht: sowas macht doch nur Putin.

  • Aja, weil Verständnis für eine Aktion geäußert wurde, wären diese auch sogleich verdächtig, es selbst gewesen zu sein? Fragt sich, welche Beweise da noch vorliegen. So riecht es nach Gesinnungsstrafrecht.

    Dass die Staatsanwaltschaft sich darüber bedeckt hält, wie sie zu den Verdächtigungen kommt, breitet ebenfalls Gestank aus.

    Das die Journalist_innen nicht aussagten ist ihr Recht. Hätten sie das nicht, wäre die Pressefreiheit aufgehoben.

  • Hallo Herr von Appen,

    von eine Journalisten erwarte ich, dass er vollständig zitiert und nicht nur soweit, wie es seinem Interesse bzw. seiner eigenen politischen Haltung entspricht.

     

    In der PM der Polizei heißt es nämlich weiter: "Weiter wurden im Rahmen der Durchsuchungen verbotene Pyrotechnik, drei Präzisionsschleudern, diverse Stahlkugeln und zwei Schlagstöcke aufgefunden und beschlagnahmt."

    • @Regenschauer:

      Und das muss der Wahrheit entsprechen? Die Polizei bzw der Verfassunsgschutz haben in ihrer Warnung vor den Protesten auch Protestlern gefälschte Zitate in den Mund gelegt. Warum also das glauben? Auch hat die Polizei nicht zum ersten Mal Straftaten erfunden um ihr Verhalten zu legitimieren.

      Die Polizei zieht jede Möglichkeit um den Protest zu verunmöglichen. Was nichts anderes ist als ein Demonstrationsverbot.

      Ich meine das man den Camps untersagt Klos aufzustellen und Leute die Flyer in der Innenstadt verteilen fast eine Stunde festgehlaten und dann vom BFE verdachtsunabhängig durchsucht werden ist nichts als politisch motivierte Schikane.

      In der Tat türkische Verhältnisse und wenn eine regierende Partei mit Hilfe der Polizei gegen die Opposition kämpft und nicht mit Argumenten dann hat sie sich von der Demokratie verabschiedet

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Die eigentliche Frage ist ob es sich hier tatsächlich um die Billigung einer Straftat im Sinne des §140 StGB handelt.

     

    Dazu müssten die Äußerungen "in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören" vorgebracht worden sein.

     

    Das ist die Gretchenfrage, war die Weise prinzipiell dazu geeignet den öffentlichen Frieden zu stören?

     

    Wie man die Beiden ermittelt hat, das wird wohl spätestens im Prozess offengelegt werden müssen, man kann da nicht einfach sagen "die Zwei sind's".

     

    Die autorisierte Email bringt übrigens garnichts. Die bringt nur etwas wenn Journalisten mit Journalisten kommunizieren. Wenn auf der Seite von "nicht Journalisten" der Staatstrojaner hockt und den Klartext mitliest, dann ist die Verschlüsselung vollkommen irrelevant. Die Verschlüsselung verhindert nur das Abfangen von Nachrichten auf dem Weg durchs Internet, mehr ist das nicht.

     

    Ob sich Journalisten überhaupt auf den besonderen Schutz ihres Berufsstandes berufen können, während sie die Billigung einer Straftat durch die Veröffentlichung der Äußerung erst möglich machen, ist noch eine ganz andere Frage.

     

    Oder anders gesagt, darf der Journalismus "Hate-Speech" (so nennt man das jetzt wohl) veröffentlichen?

     

    Ein Vorgeschmack darauf wovor ich schön länger warne. Heute wurde im Bundestag ein Gesetz verabschiedet wonach Facebook jetzt wohl hingehen müsste und Einträge auf Facebook die sich auf das Interview beziehen löschen. Nur so wäre Facebook unangreifbar aus der Kiste raus.

     

    Btw, wenn das im Interview gesagte tatsächlich strafbar war, dann kann sich jetzt jeder selbst ausrechnen was da im Netz bald alles unter "Hate-Speech" fällt und gelöscht wird...

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @32795 (Profil gelöscht):

      Journalisten genießen den selben Schutz wie andere Bürger auch, aber mehr auch nicht. Niemand hat das Recht anderen bei einer Straftat zu helfen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...wie gesagt, Polizeistaat Hamburg.

    Von der SPD kennt man sowas ja, aber von den Grünen?

    Obwohl, seit Fischer stehen die ja jederzeit Gewehr bei Fuß.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Stimmt, die Grünen können das auch. Nachdem der Atomsausstieg beschlossen wurde, war der Anti-Castor-Widerstand bspw. Grünen Politiker Trittin nicht mehr genehm.

  • Gut gemacht! Das war jetzt also der Startschuss für reichlich Gewalt rund um den G20. Beide Seiten können jetzt mit dem Finger auf einander zeigen "Die haben ja angefangen!".

    Leider zeigt sich, dass der Staat nicht an Deeskalation interessiert ist. Und falls die Proteste doch noch friedlich werden sollten, stehen die Provokateure schon in den Startlöchern.

    • @Holzkopf:

      Der Staat kann garnicht auf "Deeskalation" setzen.

       

      Das mag bei normalen Demonstranten fruchten, bei Menschen die Brandanschläge als "legitimen Widerstand" wird das alles nicht funktionieren.

       

      Die müssen schon den "Kapitalismus abschaffen" und sämtliche Staatsstrukturen auflösen bis diese befriedigt sind.

  • Es wurde vorgestern von "türkischen Verhältnisse" bei der Räumung von Friedel 54 gesprochen. Diese Bemerkung von Hakan Taş wurde haben einige als "Übertreibung" kritisiert.

    Nun, schleichen wir doch voran, dass Kritik gegen die Regierung mit massiven Staatsgewalt beantwortet wird. Wie heisst es noch; Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist...

    • @Ninetto:

      Der Artikel sagt deutlich, dass es bei der Durchsuchung nicht um Kritik an der Regierung, sondern um Billigung eines Brandanschlages als legitime Form der Meinungsäußerung.

       

      Insofern ist die Äußerung von Herrn Taş wirklich Unfug. Das beweist die Tatsache, dass gegen die Taz-Redakteurinnen nicht ermittelt wird. Hat Deniz Yücel irgendwann mal Brandanschläge als legitimen Widerstand gutgeheißen?

       

      Ihr Zitat passt gut, man kann es super anpassen: Als die Asylbewerberheime brannten, habe ich geschwiegen, denn ich war kein Asylbewerber. Als die Messe brannte, habe ich geschwiegen, denn ich hatte keinen Messestand. Als mein Haus brannte, ... Aus genau diesem Grund betrachte ich Brandanschläge nicht als Akt der Meinungsäußerung.

  • Naja "durchsucht" ist wohl das falsche Wort. Zerlegt trift es wohl besser. Die Bilder sehen auf jeden fall mehr nach einem Naziüberfall auf eine linke Einrichtung als nach einer Hausdurchsuchung aus. Zumindest ist nicht erklärbar warum die komplette Einrichtung und alle Türen eines linken Zentrums zerstört werden müssen wenn eine Anwältin mit Schlüssel bereit steht um die Polizei rein zu lassen. Aber selbst wenn rechtfertigt das nicht in den Räumen so sehr zu wüten das diese jetzt unbenutzbar sind. Das war ein gewaltsamer Angriff auf Demonstranten getarnt als Hausdurchsuchung. Dazu muss man sich fragen warum "Maschienenpistolen" auf Menschen gerichtet werden müssen weil diese eine Aussage getätigt haben (ob die legal war sei mal dahin gestellt) Aber im Ernst? Kriegswaffen gegen Worte? Das ist wirklich die Art und Weise mit der hier Protest begegnet wird?

    Langsam aber sicher schwindet der Glaube das Deutschland noch etwas mit Demokratie zu tun hat. Hier geht es wirklich nur noch darum durch Einschüchterung und offene Gewalt die freie Meinungsäußerung zu unterbinden!

  • Das fängt ja gut an.

    Nicht besonders gut für die Stimmung, aber das scheint mir bei der HH Polizei eh egal. Das Wort Deeskalation ist dortb ja eh ein Fremdwort